Dass am Volkstrauertag schon seit langer Zeit nicht nur der Gefallenen der Weltkriege und der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird, machte der SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Stoch bei der Gedenkstunde, die am Sonntag auf dem Totenberg-Friedhof in Heidenheim stattfand, deutlich. In den 1990er Jahren sei immer wieder die Frage aufgekommen, ob es eines solchen Gedenktages überhaupt noch bedürfe, nachdem der 2. Weltkrieg lange vorbei war. „Diese Frage stellt sich heute überhaupt nicht mehr, wir sind zu einer besseren Einsicht gelangt. Der Krieg hat die Welt nie verlassen und ist uns in den vergangenen Jahren immer näher gekommen“, so Stoch. Der Volkstrauertag sei ein Tag der Besinnung darauf, wie man heute auf Krieg und Terror reagieren und damit umgehen sollte.
Es gehe dabei auch ums Innenhalten, ums Nachdenken und um Trauer. „Die Deutschen können nicht trauern, sie lachen laut und weinen leise“, sagte der Landtagsabgeordnete. Nach Attentaten und anderen schlimmen Ereignissen herrsche meist Schock, Entsetzen, Verzweiflung und Wut, häufig werde auch in der Politik viel zu schnell nach Möglichkeiten gesucht, derartiges zu verhindern. „Aber wir müssen lernen, Trauer zuzulassen, Versöhnung braucht keinen Zorn, sondern Trauer. Wir leben in einer Zeit vieler schlechter Nachrichten, aber es hilft nichts, im Affekt mit Worten um sich zu schlagen. Nur Trauern schafft Kraft und Einsicht, kann helfen, überlegt und nicht nur schnell zu reagieren.“ Trauer mache nichts besser, aber sie mache den Menschen und die Gesellschaft besser.
Noch immer große Aktualität
Mit Blick auf die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten betonte Stoch, dass der Volkstrauertag auch heute noch große Aktualität hat. So gelte es auch, an die vielen Menschen zu denken, die vor Kriegen fliehen. Dies unterstrich auch Rosemarie Hilka, Vorsitzende des Sozialverbands VdK in Heidenheim. „Wir denken heute an alle Opfer von Gewalt und Krieg auf der Erde, an die Frauen, Männer und Kinder aller Völker.“ Man trauere um die Opfer von Terrorismus, politischer Verfolgung, Hass und Gewalt und um die Menschen, die ums Leben kamen, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten. Hilka gedachte auch der Menschen aus der Ukraine, die ihre Heimat verlassen müssen oder gestorben sind und sprach den Krieg in Nahost an. „Dabei wissen wir alle aus unserer Geschichte: Krieg bringt immer nur neues Leid, neue Opfer. Krieg ist nie eine Lösung.“
Viele Millionen Menschen auf der Flucht
Im Jahr 2023 seien weltweit 117 Millionen Menschen auf der Flucht gewesen, darunter 47 Millionen Kinder. „Wir denken heute an die Menschen, die auf der Flucht ihr Leben verloren haben, an die Menschen, die gerade jetzt auf der Flucht sind, Angst haben und Hunger leiden“, sagte Hilka. Sie sprach auch von 370 Millionen Mädchen, die Opfer sexualisierter Gewalt seien, vor alle Dingen in Kriegs- und Krisenregionen. „Es ist unserer Aufgabe, allen Menschen, die unsere Werte mit Füßen treten, Populisten und Extremisten, entschieden entgegenzutreten, damit sie keinen Rückhalt in unserer Bevölkerung erfahren“, so die VdK-Vorsitzende: „Lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung tragen für den Frieden in unserem Land.“
Auch Pfarrerin Anne-Kathrin Kapp-Kleineidam von der evangelischen Kirchengemeinde sprach von dem vielen Leid, das die Kriege mit sich bringen, die bis hierher ausstrahlen. Kriege zerstörten die Gemeinschaft. Deshalb sei es wichtig, anderen zu helfen, „das ist die Grundlage für Frieden“. An der Gedenkstunde, die vom Doppelquartett des Oratorienchors musikalisch umrahmt wurde, beteiligten sich auch Schülerinnen und Schüler des Schiller-Gymnasiums mit einem Beitrag.
Bundesweiter Gedenktag
Deutschlandweit werden am Volkstrauertag Gedenkstunden abgehalten, um an die Opfer von Krieg und Terror aller Nationen zu erinnern. Der Gedenktag wird seit 1952 zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen.