„Und in die Spannung, da fällt ein Schuss“ heißt es im legendären Hit „Kriminal-Tango“ aus den 1960er Jahren. Noch älter ist Agatha Christies nicht minder legendäre „Mausefalle“, die seit der Uraufführung im Jahr 1952 sage und schreibe 69 Jahre lang gespielt wurde. Am Dienstagabend wurde der Krimi-Klassiker im Konzerthaus in einer Inszenierung des Berliner Kriminaltheaters im Rahmen der Reihe des Theaterrings gezeigt.
Und der Schuss, der fiel auch, allerdings nicht unbedingt in die Spannung, sondern eher in einen zuweilen doch recht zähen Ablauf einer Geschichte, die im Grunde dem bewährten Christie-Strickmuster folgt: ein Mord, ein abgeschlossener Raum, aus dem nicht entflohen werden kann, und ein Grüppchen von Personen, deren Identität und auch Zusammenhang mit dem Mord nach und nach entblättert wird. Das Berliner Kriminaltheater allerdings fügt dem Strickmuster noch eigene Variationen à la „Zwei links, zwei rechts, zwei fallen lassen“ hinzu. Statt doppelbödig und zwielichtiger Charaktere, die allesamt in den Verdacht geraten, zeigte das Ensemble die Figuren mehrheitlich stark überzeichnet.
Von der Handlung distanziert
So wird beispielsweise der irrwitzige Christopher Wren sehr clownesk dargestellt und dessen Kapriolen sind oft eher nervig als nebulös. Der schillernde Paravicini kann sich nicht zwischen italienischem, französischem und österreichischem Akzent entscheiden und erregt so vor allem den Verdacht, nicht zu seiner Rolle gefunden zu haben. Die distanzierte Miss Casewell scheint zeitweilig auch von der Handlung ganz distanziert. Sehr erfreulich dagegen gerät Mrs. Boyle, die übellaunige Alte, ständig am Meckern und Maulen, und das bringt sie in Ton, Gestik und Mimik jederzeit auf den Punkt.
Vor allem ist sie jederzeit präsent in der Handlung und setzt sich in Bezug auf die weiteren Figuren. Wenn ihre Mitspieler das nur auch getan hätten, dann hätte eine lebendige und authentische Geschichte entstehen können. Vor allem aber eine spannende Geschichte. Gerade die Spannung aber wurde fast gänzlich fallen gelassen. Agatha Christie ohne den berühmten Nervenkitzel – da fehlt dann schon eine ganze Menge, um nicht zu sagen: das Wesentliche.
Gewitzel ohne Kitzel
Vielmehr setzt die Inszenierung statt auf Kick eher auf Komik und Klamauk und nutzt jede Gelegenheit zur Zote und Zweideutigkeit. Das bringt Lacher, gar nicht mal wenige, und das Publikum, das in hoher Zahl gekommen war, hielt sich dann eben in diesem Punkt schadlos. Doch bei zu viel Gewitzel entsteht halt dann kein Kitzel. Das ist auch schwer, bei all der Leichtigkeit dann wieder zum Thrill zu kommen, zumal sie auch die schönsten Christie-Momente, das Aufdecken der einzelnen Verstrickungen nämlich, nicht genüsslich zelebriert, sondern eher belanglos ablaufen lässt. Da hat sich die Inszenierung in ihren Verstrickungen verstrickt.
War es also ein gänzlich verlorener Theaterabend? Nein, das nicht. Denn der Nimbus der „Mausefalle“ ist so kräftig, dass man nach wie vor gern in sie tappt und selbst gedanklich auf Mördersuche ist. Die hätte freilich durch entsprechende Anreize in der Inszenierung sehr viel lustvoller ausfallen können, auch dann, wenn der Ausgang der Geschichte bereits bekannt ist, was nach so vielen Jahren und immer wieder neuen Inszenierungen bei nicht wenigen der Fall sein dürfte. An dieser Stelle wird der Mörder natürlich nicht verraten, das ist eine Übereinkunft seit der Uraufführung. Darum bat das Ensemble auch nach dem Schlussapplaus, doch über die Auflösung mucksmäuschenstill zu bleiben, damit auch künftigen Besuchern die spannende Ermittlung erhalten bleibt. In dieser Inszenierung besteht die Gefahr ja eher nicht. Und in anderen gibt’s dann vielleicht wirklich Kriminal-Tango statt Slowfox für Ratefüchse.
Komödie mit Bettermann
Die nächste Aufführung in der Reihe des Theaterrings wird am 21. November in der Waldorfschule gezeigt. Dann steht mit „Schuhe – Taschen – Männer“ eine Komödie auf dem Programm, in der auch der aus dem Fernsehen bekannte Schauspieler Bernhard Bettermann („In aller Freundschaft“) zu sehen sein wird.