Geplanter Stellenabbau

Warum die TDK-Beschäftigten in Heidenheim in Schockstarre verfielen

Bei einer Betriebsversammlung hörten die Beschäftigten am Heidenheimer TDK-Standort schlechte Nachrichten. Was sie enttäuscht, aber auch erzürnt.

Mehr als gedrückt war die Stimmung am Mittwochnachmittag im Kinocenter. Die rund 230 TDK-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier die Betriebsversammlung des Standorts Heidenheim mitverfolgten, seien teils wie in Schockstarre gewesen, berichtet der Erste Bevollmächtigte der Heidenheimer IG Metall, Tobias Bucher. Kein Wunder, denn von Seiten der Geschäftsführung wurde den Beschäftigten deutlich gemacht, dass an dem „Henry“ benannten Umstrukturierungsprogramm festgehalten werden soll. Das sieht vor, im Werk in den kommenden Jahren 300 der derzeit 540 Arbeitsplätze abzubauen und Produktionslinien nach China und Ungarn zu verlagern oder ganz zu schließen. In Heidenheim werden elektronische Bauteile für die Automobilindustrie gefertigt.

Zu Beginn der Versammlung, so berichtete die Betriebsratsvorsitzende Marion Beylschmidt im Anschluss an die Versammlung in einer Pressekonferenz, habe sie in den Augen der Beschäftigten noch eine gewisse Hoffnung erkennen. Zunächst nämlich stellten Betriebsrat und IG Metall ein Alternativkonzept zum Stellenabbau vor. Das beinhaltet Vorschläge, wie der Heidenheimer TDK-Standort zukunftsfähig gemacht werden könnte. Um dieses zu erarbeiten, wurde das arbeitnehmernahe Wirtschaftsinstitut „Info Institut“ mit ins Boot geholt. „Wir sind uns dessen bewusst, dass wir nicht das bessere Management sind. Deshalb haben wir zahlreiche Gespräche mit Experten geführt, mit den Kollegen vor Ort genauso wie mit dem Management. Aus diesen Gesprächen und vielen Analysen ist dann das Konzept entstanden“, erläuterte Bucher. „Und wir sind überzeugt davon, dass es funktionieren könnte.“

Deutlich geringerer Stellenabbau

Da auch das „Info Institut“ zu der Erkenntnis gelangt ist, dass Handlungsbedarf besteht, wurden entsprechende Vorschläge gemacht. Die beinhalten unter anderem einen Abbau von maximal 50 Arbeitsplätzen, was ohne betriebsbedingte Kündigungen möglich wäre. Darüber hinaus sieht der Alternativvorschlag vor, die Struktur im Betrieb zu straffen und einen anderen Produktmix zu schaffen, um eine Fixkostendegression zu erreichen. Außerdem wird konkret angeboten, dass die Beschäftigten auf Grundlage eines Zukunftstarifvertrags temporäre Einschnitte wie unentgeltliche Mehrarbeit und den Verzicht auf Sonderzahlungen in Kauf nehmen. „Dafür gibt es auch eine Bereitschaft auf Seiten der Beschäftigten, das war deutlich zu erkennen“, so Gewerkschaftssekretär Phillip Boyer.

„Es tut uns leid, diese Hoffnungen enttäuschen zu müssen“, sagte Standortleiter Thomas Dörken nach der Präsentation der Arbeitgebervertreter, was von der Belegschaft mit lauten Pfiffen quittiert wurde. Er erklärte, dass TDK den Alternativvorschlag ablehnt und weiterhin am Umstrukturierungsprozess in seiner ursprünglichen Form festhalten werde. „Das macht mich sehr betroffen“, sagte IG Metall-Chef Bucher bei der Pressekonferenz. „Hier ist keinerlei Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern spürbar.“ Und Boyer ergänzt: „Dass unser Vorschlag rundum abgelehnt wird und nicht einmal im Ansatz ein Einlenken signalisiert wird, entsetzt mich. Es gab noch nicht einmal einen Kompromissvorschlag, obwohl unsere Alternative betriebswirtschaftlich Sinn macht.“ Für ihn bedeute das, dass die Geschäftsführung die Gewerkschaft und die Mitarbeiter nicht ernst nehme und nicht bereit sei, andere Vorschläge zu akzeptieren.

IG Metall fordert Erhalt der Arbeitsplätze

„Wir haben den Eindruck, als ob die Standortleitung unser Alternativkonzept gar nicht nach München zum deutschen TDK-Hauptsitz oder in die Konzernzentrale nach Japan weitergeleitet hat“, sagt Bucher. „Deshalb werden wir jetzt auf eigene Faust diesen Kontakt suchen und unsere Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit vorstellen.“ Es gehe beim Erhalt der Arbeitsplätze weit mehr als um die Beschäftigten: „Es geht auch um deren Familien, insgesamt sind bis zu 1000 Menschen betroffen. Es geht aber auch um die Region und um den Industriestandort und um Deutschland. Wenn wichtige elektronische Bauteile nur noch im Ausland gefertigt werden, steigt die Abhängigkeit“, betont Bucher.

Deshalb gelte es, das Heidenheimer Werk unbedingt als Fertigungsstandort zu erhalten. Kein Verständnis hat der IG-Metall-Chef für die indirekte Drohung von TDK, dass fraglich sei, ob man Heidenheim überhaupt als Kompetenzzentrum erhalten könne, wenn die geplanten Maßnahmen nicht umgesetzt werden.

Doch was wollen die Arbeitnehmervertreter dagegen tun? „Wir werden jetzt an allen Fronten für den Erhalt kämpfen, werden die Hilfe der Politik und aus anderen Bereichen suchen. Wir werden auf jeden Fall auf das Management zugehen und die Verantwortlichen überzeugen, dass wir das bessere Konzept haben. Wir werden weiter kämpfen und wir werden laut sein“, sagt Bucher und weiß dabei auch die Betriebsräte und die Beschäftigten hinter sich.

Stoch kritisiert TDK-Pläne

Für die TDK-Arbeitsplätze in Heidenheim will sich auch der SPD-Abgeordnete und Landesvorsitzende Andreas Stoch starkmachen. „Wir erleben in ganz Baden-Württemberg gerade einen verhängnisvollen Trend, der viel Unsicherheit schafft – nicht nur in der Belegschaft, sondern sogar im Management selbst. Am Ende bauen manche Firma dann nur deswegen Stellen ab, weil das andere Firmen auch tun. Das ist fatal für unsere Gegend, die durch Produktion wohlhabend wurde und ohne Produktion nicht wohlhabend bleiben wird“, so Stoch in einer Pressemitteilung. Deswegen müsse sich auch die Politik aktiv gegen diesen Trend und für den Erhalt der Produktion einbringen.

„Die Belegschaft hat über viele Jahre viel geduldet und ertragen, um den Standort zu stützen und Stellen zu sichern. Immer konstruktiv, immer für den Betrieb. Und auch jetzt hat der Betriebsrat ja gute Vorschläge präsentiert. Aber in der Chefetage von TDK werden diese Vorschläge fast schon pauschal abgelehnt, der Arbeitgeber scheint aus Prinzip streichen zu wollen. Und das so massiv, dass von Gesundschrumpfen keine Rede sein kann. TDK in Heidenheim soll extrem verkleinert werden. Und später heißt es dann, der Standort sei zu klein, um zu bestehen“, so Stoch

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