Warum die Zukunft des Eugen-Loderer-Zentrums in Heidenheim derzeit ungewiss ist
Mitten in der Heidenheimer Innenstadt, zwischen Stadtbibliothek und Rathaus, steht das Eugen-Loderer-Zentrum. Es beherbergt das Awo-Pflegeheim, Eigentumswohnungen, Mietwohnungen der Vonovia, mehrere Ladengeschäfte, eine zweistöckige Tiefgarage und ein Restaurant. Die Zukunft des rund 6000 Quadratmeter großen Areals ist seit rund zwei Wochen völlig ungewiss. Die Umstände, die dazu führen, sind kompliziert und haben mit einem Vertrag zu tun, den der damalige Oberbürgermeister Martin Hornung für die Stadt Heidenheim vor mehr als 30 Jahren mit der Neff GmbH abgeschlossen hat.
Auf dem Gelände standen einst die roten Backsteingebäude der Brauerei Neff, die 1983 den Betrieb eingestellt hatte. Lange Zeit wurde über die Zukunft des brachliegenden Geländes verhandelt. Die Brüder Heiner und Georg Neff wollten ihr Grundstück damals nicht verkaufen, schlossen aber stattdessen mit der Stadt Heidenheim einen Erbpachtvertrag über 33 Jahre ab. Die Stadt wiederum holte die Heidenheimer Baugesellschaft GBH, an der sie damals noch Anteile besaß, ins Boot. Die Stadt verkaufte ihren Erbpachtvertrag an die GBH, die wiederum das Eugen-Loderer-Zentrum baute und Teile davon an weitere Erbpachtnehmer weitergab. Dies führte dazu, dass es heute 49 Vertragsparteien gibt, die in das Eugen-Loderer-Zentrum involviert sind, und der ursprüngliche Vertrag in 262 einzelne Erbpachtverträge aufgesplittert ist.
Der Erbpachtvertrag zwischen Stadt und Neff GmbH wurde mit einer Laufzeit von 33 Jahren abgeschlossen, am 16. April 2025 läuft er ab. 33 Jahre sind für Erbpachtverträge eine relativ kurze Zeit. Im Fall Loderer-Zentrum wurde dies bewusst so festgelegt, weil das Grundstück danach in das Eigentum der Stadt Heidenheim übergehen sollte. So zumindest sehen es Ulrich und Jörg Neff, die heute Geschäftsführer der Neff GmbH sind.
Stadt kann, muss aber nicht kaufen
Allerdings: Im ursprünglichen Erbpachtvertrag, der am 19. Februar 1991 geschlossen wurde, ist für die Stadt Heidenheim nur ein Ankaufsrecht, aber keine Ankaufsverpflichtung festgeschrieben. „Dies kann jetzt nicht herangezogen werden, um sich der Abwicklung zu entziehen“, finden die Verantwortlichen bei der Firma Neff. Sprich: Sie fordern die Stadt Heidenheim auf, das Grundstück zu kaufen. Die Verantwortlichen und Mandatsträger der Stadt sollten sich nochmals die Konsequenzen ihrer Handlungen verdeutlichen, fordert die Georg Neff GmbH in einem Brief vom 30. August.
Die Stadt Heidenheim und auch der Gemeinderat sehen das bislang anders: „Es war nie Ziel der Stadt, in diesem Konstrukt Vertragspartner zu sein“, sagt Sven Profendiener, Geschäftsbereichsleiter Liegenschaften der Stadtverwaltung. Vielmehr sei die Stadt damals gedrängt worden, Teil des Konstrukts zu werden, weil der Firma Neff die GBH als privater Investor nicht sicher genug für Verträge schien, die eine so lange Laufzeit haben. Heute sei die Stadt Heidenheim kein Vertragspartner der Neff GmbH mehr. Und auf das Ankaufsrecht hat der Gemeinderat bereits in der nichtöffentlichen Sitzung vom 29. Juni verzichtet.
Verlängerung ja, Verlängerung nein
Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die Ausgangslage eine andere. Denn bereits am 17. Mai hat sich die Georg Neff GmbH zum Erbpachtvertrag geäußert. Damals gab es noch das Angebot, die Laufzeit des Vertrags für mindestens 66 Jahre zu verlängern. Dann wäre quasi alles geblieben, wie es ist: Die Eigentümer des Loderer-Zentrums hätten einen monatlichen Erbpachtzins an die Neff GmbH bezahlt, ihre Anteile an der Immobilie wäre in ihrem Besitz geblieben. Auf dieser Grundlage hat der Gemeinderat den Beschluss gefasst, auf den Kauf des Grundstücks zu verzichten.
Jetzt ging ein weiterer Brief bei der Stadt Heidenheim ein, datiert auf den 30. August. Darin nimmt die Georg Neff GmbH ihr Angebot, den Vertrag zu verlängern, wieder zurück. Als Begründung nennt die Firma die Vielzahl der involvierten Parteien, denn: Ein Nachtrag zum Erbpachtvertrag müsste mit 100 Prozent Zustimmung aller Erbpachtnehmer und noch vor Ablauf des bestehenden Erbpachtvertrages zum 16. April 2025 beschlossen, notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen sein. „In Anbetracht der Zeit, der Anzahl an Erbpachtnehmern und der sich jetzt schon abzeichnenden Tatsache, dass die bestehenden Vertragsbedingungen nicht von allen Vertragsparteien akzeptiert werden, ist der Abschluss eines Nachtrages zum Erbpachtvertrag daher für uns nicht umsetzbar“, so die Geschäftsführer der Neff GmbH. Sollte die Stadt nicht doch noch das zentrale innerstädtische Grundstück kaufen, sehen Ulrich und Jörg Neff nur die Möglichkeit, das Gesamtgrundstück an einen Investor weiterzuverkaufen.
Was ist im Interesse der Allgemeinheit?
Was aber geschieht, wenn der Erbpachtvertrag nicht verlängert wird? Sollte dieser Fall am 16. April 2025 eingetreten sein, kommt es zum sogenannten Heimfall. Das bedeutet, dass alle Teileigentümer ihre Erbbaurechte verlieren und die Immobilie an den Besitzer des Grundstücks zurückfällt. Dieser ist dann vertraglich verpflichtet, eine Entschädigung an die Erbbaunehmer zu bezahlen und zwar in Höhe von 66,6 Prozent des Verkehrswerts der Immobilien. Wie hoch dieser sein wird, ist schwer abzuschätzen. Bekannt ist aber beispielsweise, dass das Pflegeheim der Awo sanierungsbedürftig ist, da es vor über 30 Jahren mit Zwei-Bett-Zimmern gebaut wurde und diese nicht mehr zulässig sind.
Eigentlich hatte die Awo geplant, das Pflegeheim zu sanieren, wenn der Erbpachtvertrag verlängert worden wäre – wovon bis vor Kurzem auszugehen war. Awo-Vorsitzender Stefan Oetzel sieht die Stadt Heidenheim in der Pflicht: „Es ist doch die Frage, ob die Ablehnung des Kaufs im Interesse der Allgemeinheit ist“, sagt er. Er denke auch an die meist älteren Eigentümer der Wohnungen, die nun vor Schwierigkeiten stehen.
Noch wäre der Kauf durch die Stadt Heidenheim möglich, das Fenster dafür schließt sich am 15. Oktober. Dafür müsste aber der Gemeinderat seinen Beschluss revidieren. „Die Risiken für die Stadt wären sehr hoch, es könnten aber auch Lösungswege gefunden werden, um die Risiken zu minimieren. Das prüfen wir aktuell“, sagt Swen Profendiener. Würde die Stadt das Grundstück kaufen, würden alle Immobilien ins Eigentum der Stadt Heidenheim fallen. Erst danach könnten Maßnahmen ergriffen werden, damit die bisherigen Eigentümer ihre Immobilie zurückerlangen können. Noch sei unklar, ob die damals geschlossenen Kaufverträge allesamt eine eigentlich notwendige Ankaufspflicht der aktuellen Eigentümer beinhalten, so Profendiener: „Das gilt es zu klären.“ Wer eine solche Klausel nicht im Vertrag hat, müsste entschädigt werden.
Was macht die Vonovia?
Das Konstrukt, das Anfang der 1990er-Jahre gefunden wurde, wurde durch den Verkauf der GBH nochmals komplexer: Die Wohnungsbaugesellschaft gehörte den Stadtwerken, einer 100-prozentigen Tochter der Stadt Heidenheim, der Firma Voith und der Kreissparkasse Heidenheim. Der Gemeinderat stimmte 2006 dem Verkauf an den Immobilienkonzern Gagfah zu, rund 5000 Wohnungen in Heidenheim fielen dadurch an den Konzern. 2015 fusionierte die Gagfah mit der Deutschen Annington, der neue Konzern benannte sich in Vonovia um.
Im Eugen-Loderer-Zentrum gehören der Vonovia nach eigener Auskunft 16 Wohnungen, 102 Tiefgaragenplätze und vier Gewerbeeinheiten. Davon seien aktuell 15 Wohnungen vermietet, bei einer Wohnung gebe es derzeit einen Mieterwechsel. Zum Thema des auslaufenden Erbpachtvertrags nimmt das Unternehmen keine Stellung. Inwiefern die Vonovia von der GBH Verpflichtungen übernommen hat, ihrerseits Teile des Grundstücks zu kaufen, falls die Stadt das Grundstück doch erwirbt, ist derzeit noch offen.