Wohnraum schaffen, Flächenverbrauch reduzieren, Innenverdichtung vorantreiben – das sind seit Jahren die großen Schlagworte, wenn es um den Wohnbau geht. In Heidenheim wird zudem seit langer Zeit die Diskussion darüber geführt, wie es gelingen könnte, die Menschen in der Stadt zu halten, anstatt mitansehen zu müssen, wie sie in die benachbarten Kreisgemeinden abwandern, weil dort – im Gegensatz zu Heidenheim – Bauplätze zur Verfügung stehen.
In diesem Kontext wirkt es umso absurder, dass es entlang der Giengener Straße ein riesiges Areal gibt, das eigentlich schon vor etlichen Jahren hätte bebaut werden sollen, das aber nach wie vor brachliegt. Die Rede ist vom ehemaligen Wohngebiet Klein Zürich und dem gegenüberliegenden Gelände, auf dem einst das Integrationszentrum und zuvor die Voith-Ausbildungsstätten heimisch waren. Um die fünf Hektar groß sind die beiden Flächen insgesamt, sie liegen innerhalb geschlossener Bebauung, sind gut erreichbar und prädestiniert für Wohnbebauung.
Pläne sind etliche Jahre alt
Und genau die versuchen Stadtverwaltung und Gemeinderat hier seit Jahren umzusetzen. Doch weil man hier weder normale Einfamilienhäuser noch ausschließlich Wohnblocks haben wollte, wurde schon 2016 ein städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Sieger 2017 gekürt wurde. Der Entwurf sah eine Mischung aus größeren und kleinen Gebäuden vor, beinhaltete auch einen zentralen Platz. Um die 400 Wohneinheiten, so die Überlegung, könnten dadurch geschaffen werden.
Doch warum liegen die beiden Areale nach wie vor brach, gibt es noch nicht einmal einen Bebauungsplan, der die Grundlage für eine Bebauung darstellt? Von Seiten des Gemeinderats war das in der Vergangenheit immer wieder angemahnt worden, erst Ende 2023 hatte der Freie-Wähler-Fraktionschef Ralf Willuth gefordert, dass es endlich vorangehen müsste. Von Seiten der Stadtverwaltung war dann erklärt worden, dass es im Frühjahr 2024 zu einem Auslegungsbeschluss im Gemeinderat kommen soll und somit das Bebauungsplanverfahren angestoßen wird. Doch das ist bisher nicht geschehen.
Entwurf wurde angepasst
„Die Stadt Heidenheim hat inzwischen den städtebaulichen Entwurf in Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro, das den einstmaligen Wettbewerb gewonnen hat, angepasst“, heißt es von Seiten des städtischen Pressesprechers Stefan Bentele. Durch diese intensiven Auseinandersetzungen mit dem Konzept seien geänderte Anforderungen und neue Ideen erarbeitet und diskutiert worden. „Deshalb und aus Kapazitätsgründen im Planungsbüro konnte der von uns anvisierte Zeitplan nicht eingehalten werden“, so Bentele.
Wir werden das Thema aber noch in diesem Jahr in den Gemeinderat einbringen.
Stefan Bentele, Pressesprecher Stadt Heidenheim
Im Klartext bedeutet das, dass die ursprüngliche, aus dem Februar 2019 stammende Idee, hier ein ganz besonderes und neues Verfahren anzuwenden, endgültig vom Tisch ist. Ein „zukunftsweisendes, neues Stadtviertel“ sollte hier entstehen, in dem teils völlig neue Wohnformen verwirklicht werden können. Mit einer vielfältigen Bebauung mit Gartenwohnungen, Stadthäusern aber auch Wohnblöcken sollte ein möglichst vielfältiges Quartier entstehen, das „Am Hardtwald“ genannt wird. Außerdem sahen die Überlegungen mehrere Plätze, einen Kindergarten und ein zentrales Gebäude als Quartierstreffpunkt mit Einkaufsmöglichkeit und Café vor. Als Vorbild wurde damals unter anderem das „Französische Viertel“ in Tübingen genannt. Für die Planung und Umsetzung dieser neuen Idee hatte die Stadtverwaltung die Tübinger Architekten Thomas Gauggel und Matthias Güttschow beauftragt.
Ursprüngliche Pläne sind gescheitert
Der ursprüngliche Plan war, dass sich potenzielle Bauinteressenten und damit Privatpersonen ebenso wie Wohnungsbauunternehmen mit ihren Vorstellungen um Bauplätze bewerben können und der Bebauungsplan dann letzten Endes an diese Ideen angelehnt wird. Doch zeichnete sich von Anfang an ein eher geringes Interesse ab. Mehrere Versuche wurden von Seiten der Stadt unternommen, um mehr Menschen, Investoren und Bauträger von dem Modell zu überzeugen, doch dann wurde es ruhig um das Projekt, das letztendlich scheiterte. Vom Architekturbüro Gauggel ist zu erfahren, dass man in das Vorhaben „seit längerem nicht mehr involviert“ ist. Vom städtischen Pressesprecher Bentele wird bestätigt, dass das Unternehmen bereits seit 2019 nicht mehr mit im Boot ist. Publik gemacht wurde das nicht. Auch ist nicht bekannt, ob die ernsthaften Bemühungen um entsprechende Gestaltung des Quartiers schon damals eingestellt wurden. Fakt ist jedenfalls, dass es nicht, wie vorgesehen, schon 2019 zu einem Bebauungsplanverfahren kam.
Doch wird die Ausweisung eines Baugebiets im Haintal von der Stadtverwaltung überhaupt noch weiterverfolgt? Man habe gemeinsam mit dem Planungsbüro, das den Wettbewerb gewonnen hat, ein tragfähiges Bebauungskonzept entwickelt, das derzeit in eine Bauleitplanung übertragen werde, so Bentele. „Die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens hat sich deshalb verzögert. Wir werden das Thema aber noch in diesem Jahr in den Gemeinderat einbringen“, so der Pressesprecher. Darüber, ob es aktuell Gespräche mit Investoren oder interessierten Bauträgern gibt, war keine Auskunft zu erhalten.
Einstige Wohnsiedlung
Auf der Südseite der Giengener Straße gab es früher ein kleines Wohngebiet namens „Klein Zürich“. 1952 hatte der Heidenheimer Gemeinderat in Wollishofen bei Zürich die Werkbundsiedlung Neubühl besichtigt, die in den 1930er-Jahren von Architekt Rudolf Steger gebaut worden war. Eigener Kindergarten, keine Durchfahrtsstraßen, ein „Dorf in der Stadt“ mit Gemeinschaftsplätzen und -räumen: Noch heute funktioniert die Werkbundsiedlung in der Schweiz so, wie man sie einst geplant hatte. Freilich hat das Schweizer Vorbild eine weit höhere Bauqualität als die Heidenheimer Nachbildung, die nach 50 Jahren buchstäblich zu zerbröseln drohte.
Denn hier hatte man auf Einfachbauweise gesetzt. In Heidenheim hatte das neue Wohngebiet seinen Namen gleich weg: Von der „äußeren Giengener Straße“ (so nannte sich das Baugebiet eigentlich) sprach bald keiner mehr, und als bereits im Jahr 1953 die ersten Wohnungen des neuen Quartiers bezogen wurden, war selbst bei der Gemeinnützigen Baugesellschaft vom „Klein-Zürich“ die Rede. Anfang der 2000er Jahre waren die Gebäude im „Klein Zürich“ kaum noch bewohnbar. So kam es dann 2005 zum Abriss des ehemaligen Wohnquartiers. Seitdem liegt das Gelände brach.