Interview

Warum Heidenheims OB Michael Salomo auf bezahlbaren Wohnraum setzt

Was waren die wichtigsten Themen für die Stadt Heidenheim im Jahr 2023, was kommt 2024 auf die Bürgerinnen und Bürger zu? Oberbürgermeister Michael Salomo blickt im Interview zurück und voraus.

Herr Salomo, was waren für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt aus kommunalpolitischer Sicht die wichtigsten Ereignisse des Jahres 2023?

Ganz eindeutig hat das, was der 1. FC Heidenheim da geleistet hat mit dem Aufstieg in die 1. Bundesliga, nochmal richtig Enthusiasmus in der Stadt verbreitet. Alle haben sich gefreut, die Bekanntheit der Stadt und der Region ist deutlich gewachsen. Dieses neue Zusammengehörigkeitsgefühl hat den Heidenheimerinnen und Heidenheimern gutgetan, so ein Ereignis war wohl zuletzt die Landesgartenschau 2006. Das war mit Abstand das Ereignis des Jahres 2023.

Aber kommunalpolitisch? Was hat sich da getan?

Da wird sicher das Thema mit dem bezahlbaren Wohnraum wegweisend sein, weil es an dieser Stelle einen Wechsel in der Kommunalphilosophie gab. Auch der Rathausumbau ist ein großes Thema, das die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar mitbekommen, und für meine Mitarbeitenden ist das auch eine große Herausforderung.

Bis 2006 hatte die Stadt Wohnraum, auf den sie Einfluss hatte, dann wurde die GBH an die Gagfah verkauft. Bedauern Sie das, weil Sie jetzt in einer schwierigen Haushaltssituation wieder Geld in Wohnungen investieren müssen?

Das ist im Nachgang natürlich schwer zu bewerten, ich kenne die damalige Faktenlage nicht. Man ging auf jeden Fall von zurückgehenden Einwohnerzahlen aus. Man muss auch sagen, dass man durch den Verkauf einige Investitionen in der Stadt tätigen konnte. Es gäbe heute sonst keine Bibliothek und kein Congress-Centrum. Oberbürgermeister und Gemeinderat haben sich damals bestimmt Gedanken gemacht und die aus ihrer Sicht beste Entscheidung getroffen. Aber wenn man die heutige politische Situation ansieht und wie sich das entwickelt, ist der Invest in Wohnungen einfach wichtig und richtig. Und mit Immobilien schafft die Stadt auch Vermögen, man gibt das Geld ja nicht aus und es verpufft.

Was ist das wichtigste Bauprojekt für bezahlbaren Wohnraum?

Wir haben die Wohnungen auf dem Schlossberg, die die Stadt von der Essinger Wohnbau kauft, und das Projekt Kleehof in Schnaitheim. Es ist wichtig, dass das über das Stadtgebiet verteilt wird, denn wir haben ja auch gesehen: Beim Stichwort „bezahlbarer Wohnraum“ denken viele erstmal an Flüchtlinge, und die Anwohner machen sich Sorgen. Aber das bedeutet es ja gar nicht. Es geht darum, dass Menschen, die beispielsweise beim Bäcker oder beim Friseur arbeiten und unter einem gewissen Jahreseinkommen landen, Anspruch auf eine mietpreisgebundene Wohnung haben.

Bei der eigentlich gewollten innerstädtischen Nachverdichtung wird die Stadt immer mit Einsprüchen von Anwohnern konfrontiert. Kommen diese reflexhaft, weil man lieber weiterhin auf die grüne Wiese schauen will?

Bei Bebauungsplänen gebe ich Ihnen recht, aber beispielsweise beim Kleehof haben wir ganz gut daran getan, die Anwohnerinnen und Anwohner mal einzuladen, weil diese wirklich Sorgen hatten, welches Klientel in ihrer Nachbarschaft einziehen wird. Ich glaube, das konnten wir entkräften.

Es gibt ja noch zwei andere große innerstädtische Areale mit Potenzial für Bebauung, im Haintal und innenstadtnah das Stowe-Woodward-Gelände. Wie weit sind dort die Pläne zur Nutzung?

Im Haintal sind wir gerade bei der Vergrämung der Eidechsen, deshalb stehen dort diese niedrigen Plastikzäune. Die Tiere werden eingesammelt und umgesiedelt und die Zäune sind dafür da, dass sie nicht wieder zurückkommen. Aber leider werden die Zäune immer wieder niedergedrückt und deshalb funktioniert das nicht so gut. Aber wir wollen im kommenden Jahr zur Satzungsreife mit dem Bebauungsplan gelangen, sodass Ende 2024 Baugesuche eingereicht werden können. Und wir werden dem Gemeinderat im kommenden Jahr noch einen zweiten Vorschlag machen, aber darüber kann ich jetzt konkret noch nichts sagen.

Steht es denn schon fest, wer im Haintal bauen wird?

Das ist noch offen, wir machen jetzt erstmal den Bebauungsplan und dann sehen wir weiter.

Warum dauert es denn so lange, bis es in Heidenheim mit Bauprojekten vorangeht?

Mir ist aufgefallen, dass wir ein für die Größe unserer Stadt recht kleines Stadtplanungsamt haben und das war mit sehr vielen kleinen Projekten beschäftigt. Ein Bebauungsplan ist aber immer derselbe Aufwand, egal, ob man ihn für 15 oder für 200 Häuser macht. Deshalb wird es im kommenden Jahr so sein, dass wir uns gezielt auf größere Vorhaben fokussieren, weil da ein größerer Output für die Bevölkerung drin ist.

Die lähmende Bürokratie in Deutschland ist ja an vielen Stellen ein Thema. Können Sie da als Verwaltung selbst etwas dagegen tun?

Wir melden an die übergeordneten politischen Stellen ganz massiv, was unsere Probleme sind. Wir laufen auf einen Personalmangel zu, 2030 werden 1,9 Millionen Bedienstete im öffentlichen Dienst fehlen. Und es ist wie in den Krankenhäusern: Wenn die Ärzte mehr mit dokumentieren beschäftigt sind, als sie Zeit für den Patienten haben, ist das schlecht. Aber vielleicht kommen wir nicht weiter, indem wir immer versuchen, das System besser zu machen und es dadurch nur noch genauer regeln. Vielleicht brauchen wir ein anderes System.

Michael Salomo schätzt die finanzielle Situation der Stadt Heidenheim als nicht dramatisch ein. Rudi Penk

Der Ausländeranteil liegt in Heidenheim bei 25 Prozent, das heißt, ein Viertel der Bevölkerung hat keinen deutschen Pass. Die Menschen, die aus dem Ausland kommen, sorgen für das gewünschte Bevölkerungswachstum. Welche Probleme sehen Sie, die durch den Zuzug entstehen?

Es gibt zwei spannende Ansichten: Wenn jemand zu uns kommt, ist die Frage, wie offen ist er, sich in die Gesellschaft einzubringen. Lernt er die Sprache, passt er sich dem kulturellen Leben an? Das ist die eine Seite, die andere ist: Wie offen ist die Gesellschaft, um Menschen aufzunehmen? Ich glaube, dass beide Seiten wichtig sind und ineinandergreifen müssen. Ich bin der festen Überzeugung, dass ein kultureller Austausch guttut. Aber was ganz klar sein muss: Wir müssen uns auf Spielregeln verständigen, an die sich alle halten. Und das ist das Grundgesetz.

Aus den Kitas und Schulen hört man, dass die Erzieherinnen und Erzieher und die Lehrkräfte, vor allem in den Grundschulen, damit überfordert sind, dass sie Gruppen oder Klassen haben, in denen kaum ein Kind deutsch spricht. Wie kann die Stadt hier Einfluss nehmen?

Die Kitas fallen in die Zuständigkeit der Stadt, die Schulen in die des Landes. Wir haben an den Schulen Vorbereitungsklassen eingerichtet, in denen die Kinder erstmal die Sprache lernen. Klar ist das eine Herausforderung. Aber da kann man als Politiker auch nur bedingt darauf Einfluss nehmen. Man kann auf Bundesebene Anreize schaffen, damit die eigene Bevölkerung wieder mehr eigene Kinder bekommt, aber die Stadt kann momentan ihre Einwohnerzahlen nur halten, weil wir Zuwanderung haben. Die Frage ist eben, wie man damit umgeht, sieht man es als Chance oder als Herausforderung an oder sieht man es als Risiko. In der einen oder anderen Einrichtung kommt es sicher zu Herausforderungen, aber da ist die ganze Gesellschaft gefragt, um zur Integration beizutragen.

Aber man kann doch Probleme wie den Spracherwerb nicht nur dem Ehrenamt zuschieben, es gibt doch kommunalpolitische Handlungsmöglichkeiten, beispielsweise, mehr Erzieherinnen oder Sprachhelfer einzustellen.

Bei der Volkshochschule machen wir deutlich mehr Sprach- und Integrationskurse, wir haben auch deutlich mehr Integrationsmanager in der Stadt, wobei das Land hier die Förderung zusammenstreichen will, das sehe ich als sehr riskant. Das ist wichtig: Wir müssen Menschen, die hierherkommen, Hilfe zur Selbsthilfe geben. Auch der Arbeitsmarkt für Erzieherinnen und Erzieher ist leergefegt, deswegen haben wir ja auch die Kampagne „Aus Liebe zum Job“ gestartet, die auch erste Erfolge bei den Bewerbungen bringt.

Was wollen Sie dafür tun, dass sich jüngere und ältere Menschen gleichermaßen wohlfühlen in der Stadt? Sehen Sie da Konfliktlinien?

Die Vielfalt ist doch gerade unsere Stärke. Wir haben jetzt gerade im Haushalt nochmal Mittel für das Jugendprojekt Whild Stage zur Verfügung gestellt. Wir wollen ein Lichterfestival auf dem Schloss machen, das ist etwas für Jung und Alt, das eine schließt ja das andere nicht aus, man muss nur schauen, wo es Gemeinsamkeiten gibt. Ich bin kein Freund davon, das eine gegen das andere auszuspielen, viele Menschen sind kulturell so breit aufgestellt, dass sie sowohl zur Oper als auch zu Jugendveranstaltungen gehen. Und Heidenheim hat ein unfassbar großes kulturelles Angebot.

Damit wären wir schon beim nächsten Thema: die angespannte Haushaltslage. Wie lange kann sich Heidenheim die kulturellen Veranstaltungen noch leisten? Werden solche freiwilligen Leistungen nicht in den nächsten Jahren auf den Prüfstand kommen?

Die Verschuldung der Stadt soll bis 2027 auf 87 Millionen Euro steigen, aber man darf an dieser Stelle auch nicht vergessen: Es sind ja alles investive Maßnahmen, für die wir Geld ausgeben. Das Geld fließt ins Rathaus, das Geld fließt in die Kläranlage, und die ist ja gebührenfinanziert, also wird das Geld auch über längere Zeit wieder zurückkommen. Und es handelt sich nicht um eine Krise, die über uns hereinbricht, sondern es war eine geplante Verschuldung durch investive Maßnahmen.

Mit der Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer soll mehr Geld in die Stadtkasse fließen. Daran gibt es auch Kritik.

Wir haben bereits in den letzten zwei Haushalten das Thema Gewerbe- und Grundsteuererhöhung beraten, aber wir wollten zu diesem Zeitpunkt keine zusätzliche Belastung für die Bürgerinnen und Bürger schaffen. Aber in der mittelfristigen Finanzplanung war diese Erhöhung schon immer eingeplant und jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir sie machen müssen. Wir sind da auch mit anderen Städten vergleichbar. Und wenn man die Steuererhöhungen hochrechnet, sind es auch keine großen Beträge, die man mehr bezahlen muss. Also die Frage ist eher, ist es existenziell oder hinnehmbar? Und es trifft ja auch nur die, die Gewinne machen, zumindest, was die Gewerbesteuer angeht.

Aber wenn Sie sagen, die Beträge sind nicht so viel höher, bedeutet das ja auch, dass die Mehreinnahmen für die Stadt gar nicht so groß sind. Diese Maßnahme wird nicht ausreichen, um die Probleme zu lösen. Was kann die Kommunalpolitik noch tun?

Ich habe ja in meiner Haushaltsrede vier wichtige Punkte benannt: Essentiell ist es, Bauflächen zur Verfügung zu stellen, sowohl alle Varianten für den Wohnungsbau als auch Gewerbeflächen. Wir haben eine Taskforce aufgestellt, die nach entwicklungsfähigen Flächen schaut.

Wo sind auf der Ausgabenseite die Punkte, an denen die Stadt sparen kann?

Beispielsweise haben wir die Kosten für die Opernfestspiele bereits im vergangenen Jahr gedeckelt. Man muss darauf achten, dass Institutionen, die da sind, nicht immer mehr Geld kosten. Aber wir schauen natürlich in dieser Konsolidierungsphase Abteilung für Abteilung durch und suchen Entwicklungspotential. Das sind Hausaufgaben, die wir nach und nach abarbeiten.

Wenn sich die finanzielle Situation zuspitzt, muss man aber vielleicht auch mal an den freiwilligen Leistungen einsparen, oder nicht?

Man darf nicht vergessen, dass wir eine mittelfristige Finanzplanung haben. Und wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, diesen Weg so zu gehen. Ich glaube, das Risiko ist überschaubar. Es kann schon sein, dass man das eine oder andere Projekt ein paar Jahre aufschieben muss, aber es sind doch alles investive Maßnahmen. Für mich als neuer Oberbürgermeister ist das vielleicht ein wenig unzufriedenstellend, weil man seine eigenen Projekte nicht so umsetzen kann, wie man das gerne wollte. Aber man muss schauen, welche Projekte in den nächsten zehn Jahren wichtig für die Stadt sind und diese dann priorisieren. Und wenn es dann wirklich finanziell eng ist, muss man manches noch ein oder zwei Jahre verschieben. Da gibt es schon Handlungsspielraum.

Haben Sie daran gedacht, die Stadtwerke stärker einzubinden? Die betreiben ja schon das Freizeitbad Aquarena, sie könnten ja auch das Waldbad noch übernehmen?

Da muss man aufpassen, ob der steuerliche Querverbund wirklich etwas bringt. Die Stadtwerke werden ja jetzt für nächstes und übernächstes Haushaltsjahr eine höhere Dividende ausschütten, die der Stadtkasse zugutekommen. In vielen Städten ist es ja umgekehrt, die müssen ihre Stadtwerke finanziell unterstützen.

Beim Elmar-Doch-Haus ist ein Jahr lang zumindest baulich nichts passiert. Wie lange wird es dauern, bis man da etwas sieht?

Ich bin auch unzufrieden damit, dass man da noch nichts sieht. Aber man muss ehrlich sein: Wenn man so eine Planung macht, dann dauert das halt. Die Leute wollen immer die Baumaßnahme sehen, aber die ist eigentlich das, was am schnellsten geht. Man muss im Vorfeld sauber arbeiten, damit man rechtlich nicht angreifbar ist. Deshalb machen wir jetzt die europaweite Ausschreibung, der der Gemeinderat vor Weihnachten noch zugestimmt hat. Wir wollen, dass der Betreiber Anfang des zweiten Quartals 2024 feststeht. Derjenige, der den Zuschlag kriegt, muss dann nochmal in die Planung einsteigen, und seine Anforderungen müssen eingesteuert werden. Und die dritte Etage mit dem historischen Ratssaal bleibt ja in der Hand der Stadt.

Was sind die wichtigsten Projekte fürs kommende Jahr 2024?

Ich glaube, das Elmar-Doch-Haus ist ein wichtiges Element für die Innenstadtgestaltung. Dazu kommt das umgebaute Rathaus mit dem neugestalteten Michael-Rogowski-Platz. Wir beschäftigen uns aber auch mit dem Straßenbelag im Innenstadtbereich und wollen einen neuen Platz neben dem Elmar-Doch-Haus schaffen, der den Eugen-Jaekle-Platz als Veranstaltungsort ablöst und der nicht neben einer zweispurigen Bundesstraße liegt. Eine Aufgabe der Stadt muss es schon sein, dass hier ein Heimatgefühl entsteht, das besonders hervorgehoben wird. Manchmal hat man das Gefühl, die Leute gehen lieber nach Ulm oder Aalen, weil es da schöner sein soll. Aber wir haben diese Qualität auch, man muss sie nur ein bisschen hervorheben.