Bürgerliches Engagement

Warum in Heidenheim eine Bürgergenossenschaft entstehen soll

In Heidenheim soll Ende Oktober eine Bürgergenossenschaft gegründet werden. Diese Beweggründe stecken dahinter.

Warum in Heidenheim eine Bürgergenossenschaft entstehen soll

Wie lassen sich die Probleme in einem Wohngebiet, vielleicht sogar in der gesamten Stadt so lösen, so dass die Menschen gerne dort leben? Jens Flammann, der vergangenes Jahr nach Heidenheim gezogen ist, hat einen konkreten Vorschlag: die Gründung einer Bürgergenossenschaft (BG). Offiziell besiegelt werden soll sie Ende Oktober, manche Frage auf dem Weg dorthin ist noch offen.

Die Erkenntnis, die Flammann auf dem Zanger Berg schnell gewann, ist keine auf Heidenheim begrenzte: Viele Menschen engagieren sich sehr stark in ihrem Lebensumfeld, viele sind nicht willens, es ihnen gleichzutun. An diesem Punkt stellt sich der 57-Jährige eine grundsätzliche Frage: „Sollen sich manche bis zur Selbstaufgabe reinhängen, oder ist es nicht sinnvoller, mehr Leute ins Boot zu holen?“

Was ist eine Bürgergenossenschaft?

Flammanns Antwort liegt auf der Hand, und ein geeignetes Instrument auf dem Weg dorthin sieht er in einer Genossenschaft. „Sie ist eine eingetragene Rechtsform, die zum Ziel hat, dass die Mitglieder sich untereinander fördern“, erklärt er. Eine Bürgerinitiative hingegen „ist keine formale Rechtsform, sondern eine unterschiedlich intensiv zusammenarbeitende Gruppe“, die sich locker bis kontinuierlich einem oder mehreren Themen widmet. Heißt konkret: Die Mitglieder einer Genossenschaft fördern sich gegenseitig. Sie bringen Zeit oder Geld ein und genießen dadurch Vorteile. „Trittbrettfahrer bleiben außen vor“, heißt es in einer Mitteilung der von Flammann angestoßenen Initiative, „und das motiviert zum Engagement".

Welche praktischen Beispiele gibt es?

Flammann verweist auf die im Mai 2022 erfolgte Gründung der „Grünen Aue Hermaringen“, der ersten Bürgergenossenschaft zur erweiterten Gesundheitsversorgung deutschlandweit. Die Mitglieder ermöglichten eine funktionierende Hausarztpraxis in Hermaringen und kämen seither in den Genuss von Gesundheitsleistungen, die andere Institutionen nicht mehr finanzierten. Weiteres Beispiel: In Hannover lohnt sich Flammann zufolge der Betrieb eines Tante-Emma-Ladens, weil die Genossenschaftsmitglieder durch einen monatlichen Betrag zur Deckung der Fixkosten beitragen.

Welchen Themen soll sich die Heidenheimer BG widmen?

Mit welchen Themen sich die Heidenheimer Bürgergenossenschaft befassen soll, legen die Mitglieder nach der für Ende Oktober geplanten Gründungssitzung fest. Aktuell zeichnen sich drei Bereiche ab: Wiederherstellung einer guten Versorgung mit Handel und Ärzten; Treffpunkte für Junge und Ältere; Talente entdecken, entwickeln und einsetzen. „Persönlich ist mir wichtig“, sagt Flammann, „dass wir nicht zuerst die Baustellen von heute angehen möchten, sondern insbesondere die sich abzeichnenden Herausforderungen der Zukunft.“

Wie groß ist der Kreis der potenziellen Mitglieder einer BG?

Bei einer „Handvoll Menschen“ nimmt Flammann bislang echtes Interesse wahr, einer BG beizutreten. Möglicherweise liegt die Zahl auch höher, betrachtet man die jüngsten Aktivitäten auf dem Zanger Berg: Zu einem informellen, als Nachbarschaftskonferenz bezeichneten Treffen, bei dem das Für und Wider einer BG erörtert wurde, kamen fünf Personen. Deutlich mehr waren es bei einer gemeinsamen Müllsammlung in dem Wohngebiet, ebenso bei einer Hocketse am „Tag des Nachbarn“.

Soll das Engagement der BG über den Zanger Berg hinausreichen?

„Wir haben gelernt, dass das Engagement der Menschen auf dem Zanger Berg mit seinen 2.500 Einwohnern für sich genommen zu schwach ist, und dass andere Stadtteile vor ähnlichen Herausforderungen stehen“, sagt Flammann. Deshalb scheine es ihm und anderen Engagierten sinnvoll, sich mit Menschen aus sonstigen Wohngebieten zusammenzutun: „Gemeinsam kann man mehr bewegen.“

Was kann eine BG besser als andere Institutionen oder die Stadtverwaltung?

Grundsätzlich sei bei allen Beteiligten Idealismus nötig, um sich ernsthaft mit einem Thema zu befassen, so Flammann. Allerdings müssten unterschiedliche Spielregeln beachtet werden: „Die Verwaltung bewegt sich immer im Bereich des öffentlichen Rechts, eine Bürgergenossenschaft ist privatrechtlich organisiert. Da geht manches schneller und unkomplizierter, und manchmal kann man auch Fünfe gerade sein lassen.“ Die BG solle bereits engagierte Menschen und Institutionen ergänzen.

Jens Flammann, Initiator des Vorhabens Bürgergenossenschaft Heidenheim. Joëlle Oechsle

Ob eine BG manches tatsächlich besser kann als beispielsweise die Verwaltung, werden nach Einschätzung Flammanns die kommenden Monate zeigen. Der 57-Jährige sieht die meisten Kommunen vor Herausforderungen stehen, „die weder Behörden, noch Unternehmen ohne Bürgerinnen und Bürger stemmen können“. Bürgerinitiativen und Bürgervereine seien dafür die bisher üblichen Formen. Landauf, landab gründeten sich mittlerweile aber Bürgergenossenschaften, weil diese Gesellschaftsform mehr bewirken könne.

Informationsveranstaltungen für Interessierte

Jens Flammann ist Initiator der Heidenheimer Bürgergenossenschaft. Der 57-jährige Diplom-Ökonom lebt auf dem Zanger Berg und arbeitet von dort aus freiberuflich. Er konzipiert und organisiert Bildungs-Events für Nachhaltigkeit.

Bei drei Spaziergängen durch die Stadt sollen in den kommenden Wochen verschiedene Themen zur Zukunft Heidenheims zur Sprache kommen. Freitag, 25. August: „Vermögen der Stadt erkennen, entwickeln, einsetzen: Wie aus einem Leerstands-Inventar ein Stadt-Fonds entstehen könnte.“ Freitag, 1. September: „Künstliche Intelligenz für soziale Intelligenz nutzen: Talente erkennen, entwickeln, einsetzen.“ Freitag, 8. September: „Gesundheit für alle: Wie wir wieder zu angemessener Daseinsvorsorge kommen.“ Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer treffen sich jeweils um 18 Uhr auf dem Rathausplatz. Weitere Informationen und Anmeldung unter www.bg-heidenheim.de.

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