60 Jahre hat das städtische Volksbad unweit des Heidenheimer Bahnhofs am 16. Oktober 1964 auf dem Buckel. Seither dient das repräsentative, von Architekt Philipp Jakob Manz aus Stuttgart entworfene Gebäude der bei seiner Einweihung formulierten Zweckbestimmung, es möge „dem gegenwärtigen Geschlecht und den folgenden Generationen zu einer großen Segensquelle werden“.
Ermöglicht wird dieses hehre Streben durch die finanzielle Beteiligung namhafter Industrieller an den auf 170.000 Goldmark geschätzten Baukosten. Die Liste ist lang: Schäfer, WCM, Voith, Hartmann, Voelter, Meebold und etliche mehr. Den Bauplatz steuert die Stadt bei, außerdem übernimmt sie den Betrieb und liefert das Wasser zum Nulltarif. Geboten sind neben dem Schwimmbassin auch elf Badekabinen, ein Schwitzbad und eine Dampfwäscherei.
Gleich ums Eck gibt es im Oktober 1964 ebenfalls etwas zu feiern: 125 Jahre Bestehen, 75 Jahre Mittlere Reife und 50 Jahre Abitur gilt es im Hellenstein-Gymnasium zu würdigen. Oberbürgermeister Elmar Doch unterbricht eigens seinen Urlaub, um in seiner Ansprache den teilweise von weither angereisten Ehemaligen eine Generationen begleitende Erkenntnis zuzurufen: Im Leben jedes Einzelnen komme der Moment, in dem man daran denke, was man in der Schule sich für den Lebenskampf hätte aneignen können, wenn man nur gewollt hätte.
Schulleiter Albert Fetzer befindet, dass sich in der Geschichte des HG diejenige der Stadt widerspiegele. Von der Historie zur Moderne also, und dem Berichterstatter der Heidenheimer Zeitung zufolge staunen viele der Gäste nicht schlecht über die Entwicklung, die Heidenheim genommen hat. Schauen sie genau hin, dann fallen ihnen an zahlreichen Stellen laufende Veränderungen auf. Der Abriss der Brenzschule macht den Weg frei für einen Umbau der Kreuzung zwischen Graben-, Brenz- und Marienstraße, sodass eine Einbahnstraßenregelung in Süd-Nord-Richtung möglich wird. Das Autohaus Layer steht vor dem Bezug eines Neubaus an der Karlstraße gegenüber dem Güterbahnhof.
Überdies bewegt eine neue Müllgebührensatzung viele Menschen vor Ort. Bislang zahlt nur derjenige für die Abfuhr seines Unrats, der zuvor eine diese Dienstleistung sichernde Banderole gekauft hat. Weil das zu wenige tun, viele stattdessen die wilde Abfallentsorgung an Waldrändern und in Straßengräben vorziehen, wächst das öffentliche Defizit von Jahr zu Jahr.
Ab 1965 soll deshalb jeder Haushalt verpflichtet sein, eine Grundgebühr von einer Mark pro Monat zu entrichten. Außerdem ist je Leerung weiterhin eine Banderole nötig, ihr Preis sinkt allerdings um zehn Pfennig.
Als positive Werbeträger der Stadt betätigen sich unterdessen drei Degenfechter des TSB Heidenheim: Paul Gnaier, Franz Rompza und Volkmar Würtz stehen bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio auf der Planche. Eine Medaille bleibt dem Trio zwar verwehrt, Platz sechs im Mannschaftswettbewerb ist gleichwohl aller Ehren wert.
Um stets für Nachschub an Nachrichten aus der Heimat zu sorgen, schickt die HZ den Sportlern jeden Tag die jeweilige Zeitungsausgabe per Luftpost. Obwohl so bestens auf dem Laufenden gehalten, zieht es Gnaier und Rompza eine Woche früher als geplant wieder an die Brenz. Drei Tage verbringen sie im Flugzeug – einschließlich Zwischenstopps in Hongkong, Bangkok, Kalkutta, Karachi und Teheran.
Würtz hingegen verlässt Japan erst etwas später. Die Schlagzeilen gehören da längst Karl Mommer, der die Heidenheimer von 1949 bis 1953 im Deutschen Bundestag vertreten hat. Der SPD-Politiker wirft dem früheren Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) „einen bedenkenlosen Schachzug des alten Wahlstrategen“ vor. Hintergrund: Adenauer spricht sich für die begrenzte Wiedereinführung der Todesstrafe für den Mord an Taxifahrern aus, als ein solcher seinen Wahlkreis in Bonn erschüttert.
Nicht um Leben und Tod geht es bei einer anderen Frage, wohl aber um den eigenen Geldbeutel: Wird das Brot teurer? Entsprechend engagiert verläuft die Diskussion zwischen den verschiedenen Interessengruppen. Weil die Tariflöhne der Bäckergesellen zum 1. Oktober 1964 um 7,5 Prozent steigen, die der Bäckereifachverkäuferinnen um neun Prozent, hält Obermeister Gebhard Klaiber Preiserhöhungen für unumgänglich.
Anderer Ansicht ist der Deutsche Gewerkschaftsbund. Er rechnet vor, das neue Lohnniveau bedeute umgelegt auf ein Kilogramm Brot eine Verteuerung um 1,12 Pfennig. Daraus ergebe sich die Frage, „ob eine Anhebung des Brotpreises aus diesen Gründen notwendig erscheint“. Die in der HZ zitierte Hausfrau Maria G. findet klare Worte: „Es ist eine Gemeinheit, gerade die Lebensmittel zu verteuern, die das Volk braucht. Warum erhöht man die Preise für Alkohol nicht. Diese Preistreiberei wird einmal ein böses Ende nehmen.“ Eine andere Passantin kündigt an, künftig vor jedem Einkauf nach den günstigsten Angeboten Ausschau zu halten.
Das gleiche Vorgehen beherzigt auch Bundeskanzler Ludwig Erhard, Bundestagsabgeordneter für den bis 1965 Heidenheim einschließenden Wahlkreis Ulm: Bei einem Einkaufsbummel ersteht der sogenannte Vater der Sozialen Marktwirtschaft in einem Berliner Textilgeschäft gleich drei elegante Krawatten – grau, blau und schwarz mit Punkten. Die Verkäuferin kennt den Grund: „Wir haben Ausverkauf. Heute gibt es 30 Prozent Rabatt.“
Warum ausgerechnet 60 Jahre zurück?
Im Dezember 2008 war der Lokschuppen Schauplatz eines Festabends, bei dem eine seit 60 Jahren bestehende freie und unabhängige Presse in Heidenheim im Mittelpunkt stand. Damals mischten sich Aus- und Rückblicke. Unter anderem wurde die Idee geboren, regelmäßig in Erinnerung zu rufen, worüber die HZ jeweils 60 Jahre zuvor berichtet hatte. Die Serie startete mit der Rückschau auf 1949. Mittlerweile gilt das Augenmerk dem Jahr 1964.