Puccini ist es nicht. Und Verdi klingt auch anders. Aber es muss ja nicht unbedingt noch ’ne Oper sein, wenn das Kunstmuseum Musik macht. Der Anlass dafür liegt auf der Hand: 60 Jahre Opernfestspiele in Heidenheim. Dazu kann man schon mal interdisziplinär gratulieren. Und das Geschenk des Kunstmuseums zum Fest ist die Ausstellung „Klangkörper“; eröffnet wird sie am Freitag.
Wie sonst von einer Schau zu sprechen, ist dann allerdings eindeutig zu wenig. Denn es gibt auch etwas zu hören. Zu sehen und zu hören sind „Künstlerische Musikinstrumente“. So lautet der Untertitel der Ausstellung. Man darf sich überraschen lassen. Und man darf in gewissem Sinne auch als Musiker zur Tat schreiten und den Instrumenten ihren jeweiligen Klang entlocken. Nicht allen, aber den meisten. Wobei manche von den anderen ohnehin schon wie von selber klingen, weil hier Elektronik mit im Spiel ist.
Druckluft und Hörner
Und dann gibt es noch wenige ganz spezielle Fälle, die nur bei Führungen zum Einsatz gelangen. Das „Pneuma“ von Andreas Schröder ist so ein Kandidat. Sehr, sehr laut soll es sein. Und es ist das Instrument, das vielleicht den Opernfestspielen inhaltlich am nächsten kommt. Nicht wegen der großen blauen Druckluftflasche, die der Künstler hier mit verbaut. Es sind die echten Tierhörner, die einen veritablen Natursound beisteuern. Das ist beinahe schon Götterdämmerungslike. Wagner lässt grüßen.
Und zum Komponisten werden kann der Besucher tatsächlich ja auch. Zum Dirigenten sowieso. Beides möglich macht Peter Vogels großes „Schattenorchester“, mit dem man sich gleich zu Beginn und, gleichsam wie in einem Konzertsaal, in einem abgedunkelten Extraraum der Ausstellung konfrontiert sieht.
Klang und Form
Dass Vogel zuerst kommt, ist nur folgerichtig. Der im Jahr 2017 im Alter von 80 Jahren verstorbene Physiker, Musiker, Künstler ist der Pionier des Themas, um das sich die Ausstellung im Kunstmuseum dreht. Wie auf einem Konzertpodium aufgereiht, werfen die Instrumente seines „Schattenorchesters“ eben Schatten auf die dahinterliegende Wand. Doch das ist nicht alles. Ihnen gegenüber steht am Steuerpult der Betrachter wie ein Dirigent und bringt mit Bewegungen der Finger oder der ganzen Hand die Instrumente einzeln oder zu mehreren oder gleich das gesamte Orchester zum Klingen. Und vom Dirigenten zum Komponisten ist’s hier eigentlich nur noch ein kleiner, weiterer Schritt.
Geht’s in der Musik vor allem um den Klang, so geht es bei den Künstlern im Kunstmuseum eher auch um die Form ihrer Klangkörper; und selbstverständlich auch um Innovation oder gesellschaftliche oder politische Relevanz in der Aussage. „Im Mittelpunkt“, sagt Museumsdirektor Marco Hompes, „steht also nicht primär die Verknüpfung von Musik und bildender Kunst, sondern der Klangkörper selbst. Denn ebenso wie bei Licht oder Bewegung, bedarf es auch bei der Musik eines physikalischen Resonanzraums, egal ob es der menschliche Körper ist, der durch Klatschen oder Klopfen Töne produziert, oder komplexe elektrische Maschinen, die über Steuermechanismen Klang produzieren.“
Whiskey und Baseball
Es finden sich im Kunstmuseum aber auch zerschlagene Jack-Daniel’s-Flaschen aus dem fernen Tennessee, die bei Anica Seidel ein vielschichtig interpretierbares „Windspiel“ abgeben, oder Zaunlatten und Baseballschläger, die zu einer durchaus Bedrohung ausatmenden Abart der Rührtrommel werden.
Was sonst noch? Zum Beispiel kann der Besucher den zarten Tönen des atmenden Tons von Gemma Luz Bosch lauschen oder einer Komposition für 240 Schiefertafeln, die Tina Tonagels „Litophon“ von sich gibt. Und sehr, sehr lustig kann es sein, dem Ratschen-Quintett von Klaus Illi zuzuhören und zuzusehen, knarzenden, klappernden, klackernden „Musikanten“, die das Solo ebenso draufhaben wie den Zusammenklang in verschiedenen Konstellationen und schon nach kurzer Zeit sogar regelrecht als Charakterköpfe wahrgenommen werden.
Alles in allem wird, wie es Marco Hompes formuliert, „das Museum selbst zu einem riesigen Klangkörper“. Und zwar „mal harmonisch, bei vielen Besuchern gleichzeitig aber sicher auch mal chaotisch“. Hören und sehen, hier vergeht’s einem nicht.
Vernissage, Führungen und ein Konzert
Eröffnet wird die Ausstellung „Klangkörper“ mit Werken von Olivier Arcioli, Klaus Illi, Gemma Luz Bosch, Raphael Sbrzesny, Andreas Schröder, Anica Seidel, Tina Tonagel, Hernan Vargas und Peter Vogel im Kunstmuseum Heidenheim am Freitag, 21. Juni, um 19 Uhr. Geöffnet ist die Ausstellung bis zum 13. Oktober, und zwar von Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 17 Uhr und mittwochs von 13 bis 19 Uhr. Die nächsten öffentlichen Sonntagsführungen durch die Ausstellung beginnen am 23. Juni um 11.15 Uhr und am 30. Juni um 14 Uhr. Nach dieser zweiten Führung spielt das elfköpfige Simon-Rummel-Ensemble bei einem Konzert unter anderem eine sehr selten zu hörende Komposition, bei der das große Lithophon von Tina Tonagel mitspielt, das Teil der Ausstellung ist.