Bei „101 Dalmatiner“ drücke ich Cruella De Vil die Daumen. Der berühmte Spaghetti-Kuss zwischen Susi und Strolch lässt mich kalt. Und die Pudelszene in Goethes „Faust“ hätte meiner Meinung nach als Britisch-Kurzhaar-Szene mindestens genauso gut funktioniert. Hunde und ich, wir werden in diesem Leben keine Freunde mehr. Ich hasse sie nicht, meide sie allerdings so gut es irgendwie geht – eine Maxime, die scheinbar nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
Panja lautet der Name einer unserer Redaktionshunde. Panja ist sechs Jahre alt, eine wilde Mischung aus Labrador, Windhund, Dogge und mehr und Panja wird liebend gerne von sämtlichen Mitgliedern der Redaktion geknuddelt, verhätschelt und natürlich mit Leckerlis verwöhnt. Von allen – außer von mir. Dennoch scheint Panja das direkte Umfeld meines Platzes im Büro als ihren neuen Lieblingsort auserkoren zu haben. In einer strikten Regelmäßigkeit legt sich die Hündin direkt neben mich, manchmal sogar genau unter meinen Tisch. Sie bettelt dort keinesfalls nach Futter, erwartet scheinbar auch keine Streicheleinheiten. An der kalten Schulter, die ich ihr zeige, scheint sich Panja nicht zu stören. Die Heidenheimer Tierärztin Stephanie Grath hat sich auf Tierverhalten spezialisiert – und sie hat dafür eine Erklärung.
„Hunde sind auch nur Menschen“, findet Grath. Jedes Tier habe einen eigenen Charakter und nicht wenige ziehe es von Zeit zu Zeit dorthin, wo sie ihre Ruhe haben. „Tiere finden es eben nicht immer toll, permanent angefasst zu werden, auch wenn das von Rasse zu Rasse natürlich unterschiedlich ist.“ Bei Menschen, die Hunden gegenüber tendenziell vorsichtiger sind, können diese also schlichtweg einfach einmal entspannen.
Laut Grath gibt es in der Regel zwei Verhaltensweisen, die Menschen, die Angst vor Hunden haben, an den Tag legen. Zum einen ist da das Starren – eine ungünstige Aktion, findet die Tierärztin. Denn wer einem Hund in die Augen blickt, sendet ihm damit oftmals genau eine Information: Ich will etwas von dir. In der Hundesprache ist das eine Herausforderung beziehungsweise eine Aufforderung zum Kräftemessen. „Menschen, die starren, sind tendenziell diejenigen, die im blödesten Fall sogar gebissen werden.“
Einen ganz anderen Effekt habe hingegen das Ignorieren. „Wenn alle nach einem Hund grapschen, braucht der gelegentlich einfach eine Pause“, erläutert Grath. Sie vermutet, dass unsere Bürohündin Panja in dem Bereich um meinen Arbeitsplatz einen sicheren Hafen sehe – was erklären würde, warum sich Panja dort regelmäßig auch dann breitmacht, wenn ich gar nicht im Haus bin.
Bedeutet das nun, dass Panja meinen Platz zu ihrem Revier gemacht hat? „Nein, sie beansprucht den Platz sicher nicht und es ist auch keine dominante Geste des Hundes. Diese Dominanztheorie aus der Nachkriegszeit ist inzwischen überholt. Heute weiß man, dass Mensch und Hund kein Rudel bilden.“ Vielmehr sieht Grath in Panjas Verhalten eine freundliche und friedliche Geste, vielleicht sogar ein Kompliment an mich.
Diese Erklärung entspannt mich und schmeichelt mir vielleicht sogar ein wenig. Was wäre allerdings, wenn es sich statt mir um jemanden mit einer ausgeprägten Hundephobie handeln würde? Wie könnte man dieser Situation dann begegnen? In diesem Fall sind laut Stephanie Grath eindeutig die Besitzer des Hundes in der Pflicht. „Das Gesetz besagt, dass man seinen Hund stets unter Kontrolle haben muss. Und natürlich meint das auch, dass man dafür sorgen muss, dass der Hund niemanden stört.“
Übrigens: Katzen legen von Zeit zu Zeit ein ganz ähnliches Verhalten an den Tag – sehr zum Leidwesen derer, die mit Samtpfoten wenig anfangen können. Was mich angeht, bin ich mit Hunden inzwischen etwas versöhnter. Vielleicht drücke ich künftig sogar den Dalmatinern die Daumen.
So geht’s weiter bei der HZ-Sommerserie
Der nächste Teil der Sommerserie erscheint am Mittwoch, 14. August. Darin wird HZ-Sportredakteur Edgar Deibert ganz nebenbei zum Essenstester. Geschult wird er dabei von Wursttester Jochen Gerstlauer.