Premiere des Herbststücks

Warum sich ein Besuch von „Krabat“ im Heidenheimer Naturtheater lohnt

Bei der Premiere von „Krabat“ im Heidenheimer Naturtheater wurde beeindruckend gezeigt, wie Macht und Reichtum einen jungen Menschen verführen können. Inszenierung und Spiel waren herausragend und fesselten das Publikum von der ersten Minute an.

Die Bühne ragte weit in den Saal hinein, fast bedrohlich. Genau so – bedrohlich, düster, oftmals fast zu nahe kommend – wurde „Krabat“, das Herbststück des Naturtheaters nach dem Roman Otfried Preußlers, in einer bewegenden Inszenierung gezeigt.

Von Beginn an war alles aus einem Guss: die düstere Musik, die im Dunkeln oftmals das Publikum seinen unheilvollen Ahnungen überließ, rotes, flackerndes Licht, Nebelschwaden, ein minimalistisches, vollkommen stimmiges Bühnenbild – und natürlich: die Schauspieler. Das Publikum fieberte mit dem bettelarmen, liebenswerten jungen Krabat mit, der mit einem Handschlag besiegelt, in einer geheimnisumwitterten Mühle als Bäckerlehrling „und für das andere“ zu arbeiten.

Strudel der dunklen Verführung im Heideneimer Naturtheater

Der junge Mattis Fleck überzeugte als Krabat, der immer tiefer in den Strudel und die Verführung der in der Mühle praktizierten schwarzen Magie gerät und erst spät beginnt, sich dem diabolischen Meister (prima: Günther Herzog) zu widersetzen, und zog die sichtlich ergriffenen Zuschauerinnen und Zuschauer in seinen Bann. Ebenso seine Mitstreiter, die anderen Gesellen: sein Freund und Vorbild Tonda (Constantin Ciobanu), der gerissene Lyschko (Hanno Dienstbach), der doch nicht so dumme Juro (Axel Ostermayer) sowie Andrusch (Jakob Dierolf), Staschko (Frederic Schneider), Petar (Noah Schirm) und Lobosch (Benjamin Rath) – jeder Einzelne spielte seinen Charakter so gekonnt, eindringlich und mitreißend, dass das Publikum oftmals kaum zum Luft holen kam.

Mattis Fleck als Krabat beginnt zu zweifeln. Oliver Vogel

Regisseurin Anja Bäuerle und Redaktionsassistentin Maren Bosslang gelang es, neben der bedrückenden Grundstimmung und der fesselnden Geschichte immer wieder Kontraste einzusetzen. Beispielsweise durch die laute Kirmes des Nachbarortes, durch witzige Szenen wie die Verwandlung des Gesellen Andrusch in einen Ochsen und der Betrug an den Marktfrauen.

Aber auch durch den berührenden Ostergesang der jungen Mädchen, die buchstäblich Licht ins immer dunkler werdende Herz der Gesellen bringen. Absolut fesselnd war auch die Nachtwache von Tonda, dessen schrecklicher Tod, die schmeichelnd-unheilvolle Präsenz des Meisters und die fantastisch vorgetragenen Worte des Erzählers (Marco Graša). Auch die Stärke und Reinheit der Kantorka (Salome Dierolf), die Krabat schließlich erlösen und den Fluch der Mühle brechen wird, waren mitreißend.

Das Fazit zum Herbststück des Heidenheimer Naturtheaters: große Kunst

Was dem Naturtheater-Team hier gelang, ist große Kunst und könnte mühelos auf jeder Bühne des Landes bestehen. Auch die Kostüme, so einfach wie eindrucksvoll (zum Beispiel bei den Verwandlungen in Raben), ebenso wie eine faszinierende Licht- und Tontechnik trugen zu dem Gesamtbild bei. Das Publikum war mitten in der Geschichte, sowohl bei der sich immer mehr zuspitzenden Gefahr für Krabat, bei der Abkehr des Jungen von seinem Meister bis hin zur sich endlich abzeichnenden Erlösung der verfluchten Mühle. Am Ende gab es lang anhaltenden Jubel und Applaus für die Darsteller und das gesamte „Krabat“-Team. Ein fesselnder und eindrücklicher Theaterabend.

Auf dem Viehmarkt in Wittichenau verkaufen Tonda (mit dem Drudenfuß auf der Stirn und als alte Bäuerin verkleidet) und Krabat den in einen Ochsen verwandelten Andrusch. Oliver Vogel

Der Autor Otfried Preußler ist weltweit bekannt durch seine Kindergeschichten wie „Die kleine Hexe“, „Der kleine Wassermann“ und auch „Räuber Hotzenplotz“. An dem düsteren Roman „Krabat“ schrieb Preußler zehn Jahre lang und er bezeichnete es selbst als „meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation und die aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken“. Preußler wurde 1923 im Sudetenland geboren, gehörte der Hitlerjugend an und kämpfte an der Ostfront. Nach sowjetischer Kriegsgefangenschaft lebte er in Bayern, arbeitete als Lehrer und Kinderbuchautor. „Krabat“ wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet und in Hörspielen, Theater- und Opernaufführungen sowie als Verfilmung adaptiert. Preußler starb 2013 in Prien am Chiemsee.

Aufführungen bis Ende Oktober

Weitere Aufführungen von „Krabat“ im Naturtheater sind jeweils freitags und samstags um 20 Uhr, sonntags um 18 Uhr zu sehen, vom 11. bis 26. Oktober. Es gibt nur noch wenige Karten. Ein Besuch des Stückes ist ab 12 Jahren empfohlen.

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