Neueröffnung

Warum S'Lädle der Lebenshilfe Heidenheim mehr als nur ein Laden ist

Auf dem Gelände der Lebenshilfe Heidenheim öffnet ein besonderer kleiner Laden seine Türen. Im „Lädle“ bieten Menschen mit Behinderungen Nützliches und Hübsches aus den eigenen Werkstätten an. Doch hinter dem Verkauf steckt weitaus mehr als nur das Angebot von Geschenkartikeln.

„Hereinspaziert“, sagt Anne Kock und öffnet die Türe der rustikalen Holzhütte. Sie ist eine der Gruppenleiterinnen in den Werkstätten der Lebenshilfe und hat mit ihrem Kollegen Michael Saiz federführend die Idee für „s’Lädle“ entwickelt, wie der neue Verkaufsraum genannt wird. Kurzerhand wurde eine alte, rustikale Holzhütte aus dem Schattendasein geholt. Eltern hatten das Bauwerk, das einer Schutzhütte ähnelt, vor vielen Jahren einmal gespendet, zuletzt wurde sie als Lager verwendet. Auf Kleinanzeigen-Portalen suchten Kock und Saiz nach Holzschränken und -regalen, die sie restaurierten und auf denen die Ware präsentiert wird. Im Nu entstand ein Hüttenzauber, den es sonst nirgends so gibt.

„Das sind unsere Verkaufsschlager“, sagt Anne Kock und greift nach einem Jutesack, auf dem „Grill- und Feuer-Hurgele“ steht. Die Hurgele sind Grillanzünder, gefertigt aus Sägespänen und Wachs aus alten Kerzen, die die Lebenshilfe gespendet bekommt, wie viele andere Materialien, die für die Deko-Artikel verwendet werden. Gefertigt werden diese Hurgele in der Giengener Werkstatt, wo zum leichteren Herstellen eigens eine Pressvorrichtung gebaut wurde. Aus Giengen kommt auch der zweite Verkaufsschlager, die Display-Reinigungshilfe „Putzi“, die Anne Kock selbst im Einsatz hat. „Einmal drüberwischen und das Display glänzt“, preist sie die stoffbezogene Dreiecksfigur an.

Putzi, einer der Verkaufsschlager aus den Werkstätten der Lebenshilfe in Giengen. Rudi Penk

Feinmotorik, Ausdauer, Konzentration: Diese Fähigkeiten üben und verfestigen die Behinderten in der Werkstatt, wenn sie die Geschenkartikel fertigen oder zur weiteren Bearbeitung vorbereiten. So wie zum Beispiel die ausrangierten Glasbausteine. Behinderte in der sogenannten Transfergruppe reinigen die gebrauchten Steine, entfernen Farbreste, bevor die Gruppenleiter das Dekor aufbringen und die Löcher bohren, durch die die Beleuchtung ins Innere geführt wird.

Die Transfergruppe unterscheidet sich von der Werkstatt deshalb, weil dort ein doppelt so hoher Personalschlüssel gilt. Auf sechs Beschäftigte kommt ein Betreuer. Transfergruppe deshalb, weil dort die Menschen gefördert werden, die zu schwach für die Werkstatt sind, aber auch zu fit für den Förderbereich, wo das Handicap der Menschen noch ausgeprägter ist und wo deshalb der Betreuungsschlüssel doppelt so hoch ist: Auf einen Betreuer kommen drei Behinderte.

Ein Blick in die Werkstätten der Lebenshilfe Heidenheim

In der Näherei, Schreinerei und Metallwerkstatt läuft die Produktion auf Hochtouren. An einer Werkbank werden Schießscheiben für Sportschützen gefertigt, an Tischen werden Filzprodukten portioniert und verpackt, an den Nähmaschinen werden Kirsch- und Traubenkernsäckchen genäht, die später in den Drogeriemärkten auch in unserer Region verkauft werden. An wieder anderen Tischen werden Spanngurte gefertigt und später gewickelt, die in Dachboxen zur Befestigung dienen werden.

Ein Mitarbeiter in der Heidenheimer Näherei der Lebenshilfe schließt die Traubenkernkissen, die für Drogeriemärkte gefertigt werden. Rudi Penk

Zwischendurch bleibt aber auch immer mal wieder Zeit, um die hauseigenen Deko- und Geschenkartikel zu fertigen. Aus ausrangierten Porzellan und selbst gesammelten Naturmaterialien entstehen Gestecke gefertigt. Dabei werden motorische Fähigkeiten ebenso gefördert, wie beim Auffädeln von Perlen zu Ketten und Armbändern, die von ausrangiertem Modeschmuck stammen. Und an den Nähmaschinen werden statt der Kirschkernsäckchen auch mal Stofftaschen genäht, die mit Motiven verziert neben geknoteten Hundespielzeug im Lädle angeboten werden.

Insgesamt rund 60 Behinderte sind laut Angaben von Ingomar Kieback, Bereichsleiter für die Werkstätten, an dieser Geschenkartikel-Produktion beteiligt. Gearbeitet wird nicht nur in den Werkstätten, sondern auch im Berufsbildungsbereich, wo junge Behinderten nach der Schule während 27 Monaten eine Basisausbildung erhalten sowie ihre eigenen Fähigkeiten und Vorlieben für die spätere Werkstattarbeit erkunden.

Wann s'Lädle der Lebenshilfe Heidenheim geöffnet ist

Erwerben konnte man die Geschenkartikel bislang nur an wenigen Stellen wie etwa in der Stadtinformation Heidenheim, in einigen Lokalen und Läden im Landkreis sowie bei Verkaufsständen der Lebenshilfe auf dem Heidenheimer Weihnachtsmarkt oder dem Sommerfest der Einrichtung. Das soll nun anders werden.

Ingomar Kieback und Anne Kock im Lädle der Lebenshilfe Heidenheim. Rudi Penk

Zweimal in der Woche, immer dienstags von 9 bis 12 Uhr und donnerstags von 13 bis 15 Uhr, hat „S’Lädle“ ab Juli geöffnet. Eröffnet wird der Laden am Dienstag, 2. Juli, um 9 Uhr. Zu finden ist er auf dem Gelände der Lebenshilfe an der Waldstraße 5–7, rechts der Hauptzufahrt. Geöffnet wird zudem auch nach Vereinbarung unter 07321.348-156 und -137.

Anerkennung und Nachhaltigkeit: Lebenshilfe will sich bei Aktion Mensch um Förderung bewerben

Hinter dem Laden steckt mehr als nur der Verkauf, sondern ein Konzept, mit dem sich die Gruppenleister um eine finanzielle Förderung durch Aktion Mensch bewerben wollen. Wichtige Aspekte dabei sind dabei laut Anne Kock die Förderung der Selbständigkeit der Behinderten, Öffentlichkeitsarbeit, die Förderung von kognitiven und motorischen Fähigkeiten, das Schaffen von Anerkennung für die Arbeit sowie Nachhaltigkeit. Denn gefertigt werden die meisten der Geschenkartikel durch Upcycling alter Gegenstände. „Vieles bekommen wir gespendet, Naturmaterialien wie Gräser und Tannenzapfen sammeln wir selbst, wenn wir im Wald spazieren gehen, einige Dinge müssen wir aber auch dazu kaufen.“

Ein wichtiger Aspekt im Laden ist laut Kock die Inklusionsarbeit. Die Behinderten stehen selbst im Laden und wechseln sich im Verkauf ab. Unterstützt werden sie dabei von Gitti Fründt, einem ehemaligen Vorstandsmitglied, die sich ehrenamtlich im Laden engagieren wird. Zudem verspricht sich die Lebenshilfe durch den Laden eine positive Öffentlichkeitsarbeit, um den Blick auf die Arbeit in der Lebenshilfe wie die Heilerziehungspflegenden zu lenken.

Nicht zuletzt geht es auch um die Anerkennung der Arbeit der Behinderten „Sie sind total stolz auf ihre Produkte und können die Eröffnung kaum erwarten“, erzählt Anneliese Kock, die gespannt ist, wie gut der Laden ankommt. Je nachdem, könne man sich auch einen dritten Öffnungstag vorstellen.

Zwei Standorte, ein Ziel

Bei der Lebenshilfe Heidenheim steht die aktive Beteiligung und Förderung von Menschen mit Behinderung im Mittelpunkt. Der gemeinnützige Verein ist unter anderem alleiniger Gesellschafter der HWW GmbH, Heidenheimer gemeinnützige Werkstätten und Wohnheime. Standort sind in Heidenheim und Giengen.

Die Werkstätten haben verschiedene Arbeits- und Förderangebote. Es gibt einen Berufsbildungsbereich, unterschiedliche Montagegruppen, eine große Küche, einen Textilbereich, eine Metallbearbeitung, eine Schreinerei, eine Wäscherei, eine neue Grüngruppe sowie Förder- und Betreuungsbereiche. In den Werkstätten arbeiten rund 350 Menschen mit Behinderung. 250 Beschäftigte kümmern sich zudem um den Betrieb.

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