Lärm ist nicht nur störend, sondern kann auf Dauer auch krank machen. Dazu gehört auch der Verkehrslärm. Wer an einer viel befahrenen Straße wohnt, kann ein Lied davon singen, wie stark Dauerbeschallung die Lebensqualität einschränken kann. Um diese Belastungen zu minimieren, sind Kommunen dazu verpflichtet, Lärmaktionspläne zu erstellen, um Verbesserungsmöglichkeiten aufzuspüren und umzusetzen. In Heidenheim beschäftigt man sich seit Jahren mit der Problematik, nun sind Stadtverwaltung und Gemeinderat einen Schritt weitergekommen.
Grundlage dieses nächsten Schritts ist die Erkenntnis, dass Fahrzeuge weniger Geräuschemissionen verursachen, wenn sie langsamer fahren. Wie Wolfgang Wahl vom von der Stadt mit der Lärmaktionsplanung beauftragten Büro Rapp dem Gemeinderat in dessen jüngster Sitzung erläuterte, ist vorgesehen, an etlichen Stellen in der Stadt Tempo 30 einzuführen, um den Straßenlärm einzudämmen.
Dem voraus gingen Untersuchungen dazu, wo die Belästigung besonders groß ist, was wiederum durch Rechenmodelle eruiert worden sei. „Die Werte wurden nicht gemessen, sondern berechnet, das ist deutlich präziser“, erklärte Wahl.
Bundesstraßen im Visier
Ein Lärmaktionsplan ist rechtlich nur für Straßenabschnitte verpflichtend, auf denen mehr als 8200 Kraftfahrzeuge pro Tag unterwegs sind. Dazu gehören Wahl zufolge die A7, die B19, B466, B466a und ein Abschnitt der L1164 in Mergelstetten. Freiwillig, so erläuterte Ralf Käpplinger, Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung, Umwelt und Vermessung dem Gremium, habe man auch die Lärmbelastung in anderen Bereichen untersucht, um dort die Wohnqualität zu verbessern.
Zu diesen freiwillig ins Licht gerückten Bereichen zählen die nicht zur Pflicht gehörenden Abschnitte der L1164 in Mergelstetten, die Schnaitheimer Straße, die Heidenheimer Straße und die St.-Pöltener-Straße. Als Ergebnis der Untersuchung schlug Wahl dem Gremium vor, in allen Bereichen, in denen die Lärmbelastung tagsüber mehr als 67 und nachts mehr als 57 Dezibel beträgt, Tempo 30 einzuführen.
Grundsätzlich, so der Fachmann, könne durch eine Reduzierung der Geschwindigkeit eine deutliche Verringerung der Lautstärke erreicht werden. Das, so Wahl, treffe auch auf E-Autos zu, denn ab 30 Kilometern pro Stunde erzeugten diese auch Fahrtlärm.
Das Modell, das Wahl dem Gemeinderat vorschlug, sieht vor, auf etlichen innerörtlichen Streckenabschnitten grundsätzlich Tempo 30 zu verordnen. „Bei der freiwilligen Untersuchung haben wir uns auf Strecken konzentriert, die parallel zu den Bundesstraßen verlaufen. Wenn dort auch Tempo 30 herrscht, sind sie für Autofahrer als Ausweichstrecken nicht mehr interessant“, erläuterte Käpplinger.
B19 ist in weiten Teilen betroffen
Am meisten betroffen von der Planung ist die B19. Hier soll zwischen der Einmündung Burrenweg und südlich der Einmündung Wasenäcker in Aufhausen, zwischen den Einmündungen Hintere Kirchwiesen und Kapellstraße in Schnaitheim sowie zwischen der Seewiesenbrücke und der Schmelzofenvorstadt Tempo 30 gelten. Gleiches gilt zwischen der Unterführung Bärenstraße und dem südlichen Ortseingang sowie durch Mergelstetten. Entlang der B466 soll dem Plan zufolge von der Gutenbergstraße ganz im Westen der Stadt bis zur Einmündung in die B19 beim Bauhof Tempo 30 gelten.
Hinzu kommen noch die von Seiten der Stadt freiwillig ausgewählten Bereiche. Das ist der Bereich Am Rathaus und Heidenheimer Straße zwischen der B19 und der Einmündung in die Mittelrainstraße in Schnaitheim. Im weiteren Verlauf dieser Straße soll auch ab dem ehemaligen Autohaus Schwabengarage durch die Schnaitheimer Straße bis zur Einmündung in die B466 Tempo 30 gelten. Gleiches gilt für die gesamte Ortsdurchfahrt in Mergelstetten auf der Zoeppritzstraße. Um Ausweichverkehr zu vermeiden, soll die Geschwindigkeitsbegrenzung auch in der Erchen- und St.-Pöltener-Straße bis zur Einmündung in die Bahnhofstraße gelten.
Kontroverse Diskussion im Rat
Im Gemeinderat wurden die Vorschläge sehr kontrovers diskutiert. Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Ralf Willuth, etwa kann den Plänen nichts abgewinnen: „Das Problem ist nicht die Masse an Fahrzeugen, sondern sind einzelne besonders laute Autos. Eine kollektive Bestrafung aller Autofahrer kann nicht der richtige Weg sein.“ Tempo 30 ist aus seiner Sicht „nervig und anstrengend und eine völlig unnötige Diskriminierung“. Autos würden zunehmend „dämonisiert, sie sind an allem schuld. Dabei sind sie der Wirtschaftsmotor der Nation“.
Die Grünen/ÖDP-Fraktionsvorsitzende Anamari Filipovic sieht das naturgemäß völlig anders. Sie regte an, in deutlich mehr Bereichen der Stadt Tempo 30 festzulegen: „Dadurch wird niemand gegängelt, es würde mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer bedeuten, also auch für Radfahrer und Fußgänger.“ Für die SPD/Linke-Fraktion erklärte Tanja Weiße, dass man den Plan mittragen werde, um Bürger „mit Maß und Verantwortung“ vor Lärm zu schützen.
Letztlich stimmte das Gremium bei vier Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen dem Vorschlag der Verwaltung für die Lärmschutzmaßnahmen zu. Als nächstes erfolgt damit eine öffentliche Auslegung, im Nachgang können Träger öffentlicher Belange und Bürger ihre Meinung zu den Planungen abgeben.
Umfangreicher Plan
Die Überlegung, in weiteren Teilen der Stadt auf viel befahrenen Straßen Tempo 30 einzuführen, ist nur ein Teil des großen Lärmaktionsplans, mit dem man sich in Heidenheim seit Jahren beschäftigt. So wurden in der Vergangenheit bereits große Lärmschutzwände, etwa in Schnaitheim entlang der B19 aufgestellt. Zudem gilt in zahlreichen Wohngebieten Tempo 30. Mit zum Plan gehört auch, wo immer es sich anbietet, Asphalt in den Straßen zu verbauen, der möglichst wenig Fahrgeräusche verursacht.