Austeilen kann Peter Bretzger. Und das nur zu gut. Sonst wäre der Anwalt wohl auch im falschen Beruf. Er kann es aber auch – und das vor allem – wenn es gegen sich selbst geht. Nach dem Abenteuer Alpenüberquerung lautet eines der ersten Kommentare des Heidenheimers: „Meine Frau (Waltraud) hat jetzt erst einmal ein halbes Jahr Peter-freie Zeit.“ Soll heißen: Er soll sich mit neuen Projekten zurückhalten. Bremsen wird das „den Bretzger“ aber sicher nicht.
Dabei kann er auch gut verteilen. Und zwar Lob. Den Ritt über die Alpen hatte Peter Bretzger knapp eineinhalb Jahre geplant, sich dafür viele Ratschläge eingeholt und viel trainiert. Selbst Ritte im Regen waren dabei. „Alle, die geholfen haben, haben sehr gute Arbeit geleistet“, lautet einer seiner ersten Sätze, wenn man ihn fragt: Na, wie fühlt sich das an? „Hätte nur einer gefehlt, hätte es wahrscheinlich nicht geklappt. Ich bin stolz auf diese Truppe.“
Zehn von zehn Punkten gab's dafür.
Peter Bretzger freut sich über das Lob der Südtiroler für das Fell seiner Haflingerstute Alina
Dazu gehören selbstverständlich auch die Pferde. Zum Beispiel „seine“ Alina, auf der Peter Bretzger geritten ist und die seit 2021 zu den Bretzgers gehört. „Ich habe mich sehr über das Lob der Südtiroler (da, wo Alina herkommt) gefreut“, sagt Bretzger merklich stolz. Hervorgehoben wurde neben dem allgemeinen Zustand des Pferdes besonders das Fell. „Zehn von zehn Punkten gab's dafür.“ Was wiederum auf den Westernreitstall in Zang, wo Alinas zu Hause ist, zurückzuführen ist. Und dessen Besitzerin Anita Schwarz.
Vielleicht waren auch andere Kräfte im Spiel. Obwohl Peter Bretzger „mehr der weltliche Typ“ ist, wie er sagt, schaute zum Start des knapp zweiwöchigen Projekts Alpenüberquerung mit Pfarrer Gerd Häußler der Dekan des Kirchenbezirks Heidenheim am Stall in Zang vorbei und erteilte seinen Segen, was wiederum Peter Bretzgers Frau Waltraud wichtig war.
Die Bedingungen für die Gruppe seien größtenteils ideal gewesen. Peter Bretzger ritt auf Alina (seine zweite Haflingerstute Dina, kam im Mai 2023 dazu, trug das Gepäck), Mitreiterin Marion Gruber auf ihrem Wallach Felix. Mit dabei als Wanderer waren Astrid Strehl, Stabsärztin bei der Bundeswehr und der Ehemann von Marion Gruber, Christian Gruber. Begleitet wurden sie von zwei Fahrzeugen (mit Pferdeanhänger), die Waltraud Bretzger und Joachim Nick fuhren.
Natürlich blieben Anfängerfehler nicht aus. So musste die Gruppe feststellen, wie wichtig die Angabe von Höhenmetern in den Bergen ist. Auf dem Weg zur Sattelbergalm (nördlich des Brenners an der österreichisch-italienischen Grenze) wählte Peter Bretzger („ich dummes Kamel“) bei Zwischenanstiegen statt der leichteren, weil kurvigeren Route, lieber den geraden, dafür aber steileren Weg. „Da war ich nach 400 Metern schon aus der Puste. Alina war aber top.“
Einen kleinen Rückschlag gab es recht früh. Bei einem Abstieg von der Enzianhütte Richtung Brenner vertrat sich Dina und lahmte. Peter Bretzgers Freund, Rudi Hofer, bot gleich an, das Pferd abzuholen und zu sich auf den Bacherhof im Pfitschtal zu nehmen. „Die Hilfsbereitschaft war sensationell“, zeigt sich Bretzger noch immer ergriffen.
Und Hofer gab einen wichtigen Hinweis. Eigentlich wollte die Gruppe über das Schlüsseljoch reiten, doch hier, so Hofer, hätten noch Schneefelder gelegen. Die Gefahr eines Absturzes sei gegeben gewesen. Also wurde das betreffende Gebiet gemieden. Eine richtige Entscheidung, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte.
Dinas verletzter Fuß wurde zwar behandelt (mit Medikamenten für Menschen aus einer nahe gelegenen Apotheke) und die Schwellung ging auch zurück. Dennoch wurde entschieden, dass für die Haflingerstute das Projekt vorzeitig beendet ist. Daher wurde sie direkt zum Ziel, dem Lanzenschusterhof in Flaas (bei Bozen in Südtirol), gebracht.
Für den Rest der Gruppe ging es aber weiter – aufgrund von starken Regenfällen bei Stilfes („der einzige Tag, an dem es geregnet hat“) auch an Sturzbächen vorbei und über diese darüber. Hilfe auf dem Weg hoch zum Penser Joch (Gebirgspass in Norditalien, knapp 2.200 Meter hoch) gab’s von Fabian, dem Sohn der Lebensgefährtin von „Wieser Jörgl“, wie Peter Bretzger seinen Freund Georg Wieser nennt. „Er ist einer von drei Südtirolern, der gesagt hat: Der Bretzger schafft das.“
Peter Bretzer wiederum konnte sich auf seine Ali, wie er die Haflingerstute Alina auch nennt, verlassen. Und diese überraschte ihn an einem Wildbach. „Sie hat einen Riesensatz darüber gemacht. Das habe ich noch nie gesehen“, gesteht er. Auf dem Weg zum Penser Joch wurden auch Hufschuhe verloren (Waltraud und Peter Bretzger lehnen das Beschlagen der Pferde mit Hufeisen ab). „Aber wir sind hochgekommen“, betont Peter Bretzger. In knapp fünf Stunden wurden 1.300 Höhenmeter überwunden.
Was Bretzger immer wieder voller Begeisterung erwähnt, ist die Hilfsbereitschaft, die er und seine Mitstreiter erfahren haben. Zum einen kam in Richtung Lanzenschusterhof, ihrem Ziel, ihnen im Dunst ein Reiter entgegen: Konrad Innerhofer (der Zweite, der gesagt hat, dass der Bretzger es schaffen wird) half auf einem Teilstück der Strecke. Später war es Erich Pichler, der die Gruppe auf dem letzten Teilstück auf dem Fahrrad (das sein Pferd Estrella noch im „Urlaub“ auf der Alm war) begleitete.
Am Ziel, dem Lanzenschusterhof (bei Bozen), wartete auf Peter Bretzger (seine Mitstreiter waren eingeweiht) eine Überraschung, der weltlichen Art. Mit Gerhard Hofer wartete ein Vertreter der Gemeinde Jenesien auf die Alpen-Überquerer, um sie im Namen der Gemeinde willkommen zu heißen. Eine Blaskapelle, so wie es sich Bretzger vorher ausgemalt hatte, wartete zwar nicht. Dafür spielte aber der Sohn des Wirtes Christian Pircher, Ivan, auf seinem Akkordeon auf.
Das sagt Peter Bretzger über die Zweifler
„Bei aller Bescheidenheit“, wie es Peter Bretzger formuliert, „bin ich zum einen richtig stolz darauf, dass wir es geschafft haben. Aber es ist auch eine gewisse Genugtuung, weil viele gesagt haben, dass wir es nicht schaffen werden.“ Wobei Bretzger differenziert. Die erste Stufe der Zweifelnden sei gewesen, dass er, „der Bretzger“, nur „bla bla“ mache. Die zweite: „Das schafft er nicht.“ Die dritte: Mit Hufschuhen geht das nicht. Und die vierte: Er hat es geschafft, aber die Hufschuhe sehen nicht elegant aus. „Auf Stöckelschuhen wäre es eben schlecht gegangen“, scherzt Bretzger – und muss lachen.
Bei allem Mut kenne er auch seine Grenzen, betont er. „Die Risiken muss man beachten. Ich bin froh, dass wir das Schlüsseljoch wegen der Schneefelder ausgelassen haben. Früher hätte ich vielleicht noch gesagt: Das riskieren wir“, erklärt er.
Und wie geht’s nach dem ominösen halben Jahr „Peter-freie Zeit“ weiter? Er sei nicht krampfhaft auf der Suche nach neuen Projekten, betont Peter Bretzger. Wobei er ein kleineres Projekt dann doch (und natürlich) schon im Kopf hat. Er möchte das zweite Pferd der Bretzgers, Dina, bis Herbst nächsten Jahres so trainieren, dass es auf dem Stand von Alina ist. „Und dann würde ich gerne mit meiner Frau ausreiten. Das wäre eine Riesenfreude und ein Geschenk.“