Auch wenn der Krieg in der Ukraine nicht mehr tagtäglich die Medien beherrscht: Knapp zwei Jahre nach dem russischen Angriff sind in Heidenheim nach wie vor Tag für Tag Freiwillige aktiv, um das Leid der Menschen in dem kriegsgeplagten Land zu lindern. Und das in stetig wachsendem Umfang. Denn der Verein „Heidenheim für Ukraine“ ist inzwischen nicht nur im Landkreis zu einer zuverlässigen Institution geworden, sondern hat seinen guten Ruf auf ganz Süddeutschland ausgebreitet.
„Wir sind im vergangenen Jahr nochmal sehr viel größer geworden“, sagt Jasmin Glänzel-Seibold, Vorsitzende des Vereins, der schon wenige Tage nach dem russischen Angriff vor zwei Jahren damit begonnen hat, von Heidenheim aus Hilfsgüter in die Ukraine zu schicken. „Inzwischen erhalten wir Hilfsgüter aus dem gesamten süddeutschen Raum und auch aus Hessen.“ Wobei sich in den zurückliegenden Jahren auch diese Hilfsgüter betreffend sehr vieles verändert hat: Waren es in der Anfangszeit eher Lebensmittel, Kleidung, Decken, Hygieneartikel und sonstige Dinge des täglichen Bedarfs, die an die ukrainische Grenze gebracht wurden, so spielen diese Produkte inzwischen eher eine Nebenrolle.
Medizintechnik spielt die Hauptrolle
„Wir verschicken sehr viel Medizintechnik, die in den Kliniken der Ukraine dringend benötigt wird“, so Glänzel-Seibold. Dabei handle es sich um sehr hochwertige Geräte unterschiedlicher Art, die von Kliniken und Arztpraxen in Deutschland nicht mehr benutzt werden können und deshalb an die Ukraine-Hilfe gespendet werden. „Aber wir achten sehr genau darauf, dass wir keinen Schrott annehmen, sondern nur funktionierende Geräte in die Ukraine schicken“, betont die Vorsitzende. So habe der Verein eigens eine medizinische Abteilung, in der sich Ärztinnen und Ärzte sowie andere Fachleute ehrenamtlich einbringen. „Alle Geräte werden von uns auf Funktionalität überprüft, bei Bedarf und wenn es möglich ist, werden sie auch instandgesetzt“, sagt Glänzel-Seibold. Im vergangenen Jahr konnten schon mehrere Sattelzüge voller Medizintechnik geliefert werden, darunter einer, der allein mit Spenden aus dem Heidenheimer Klinikum beladen war.
Wobei auch genau darauf geachtet wird, was die Kliniken in der Ukraine tatsächlich benötigen. Inzwischen ist das Netzwerk des Hilfsvereins so gut, dass sehr schnell auf Bedarfe reagiert werden kann. „Wir haben in Heidenheim auch geflüchtete Ärztinnen und Ärzte, die natürlich den Kontakt in ihre Heimat halten. Wenn wir erfahren, dass irgendwo etwas benötigt wird, versuchen wir, es in Deutschland so schnell wie möglich zu organisieren“, so Glänzel-Seibold. Dabei ist das Wichtigste, dass die Waren tatsächlich auch dort ankommen, wo sie benötigt werden. „Wir lassen uns alles sehr genau dokumentieren und können so kontrollieren, dass nichts verloren geht oder in falsche Hände gerät.“ Auch diese akribische Kontrolle habe dazu beigetragen, dass viele Spenden aus dem süddeutschen Raum über die Heidenheimer Ukraine-Hilfe laufen, weil der Verein sehr seriös sei, sagt die Vorsitzende.
Ein Hilfstransport pro Woche
Zusätzlich zu den Sattelzügen macht sich durchschnittlich einmal pro Woche der vereinseigene Transporter vollbepackt mit Hilfsgütern auf den Weg an die polnisch-ukrainische Grenze. Hier werden die Waren umgeladen und von Helfern auf der ukrainischen Seite dorthin gebracht, wo sie benötigt werden. In den vergangenen zwei Jahren wurden alles in allem 312 Tonnen an Hilfsgütern in die Ukraine gebracht. Außerdem konnten acht Rettungswägen und Feuerwehrfahrzeuge, zwölf Pkw und vier Transporter, die allesamt gespendet wurden, übergeben werden.
Der logistische Aufwand, der hinter all dem steckt, lässt sich nur vage vermuten. „Ja, es ist sehr viel Arbeit und eigentlich ein Wunder, dass wir das alles rein ehrenamtlich stemmen können“, sagt Glänzel-Seibold. Das sei nur möglich, weil es in Heidenheim rund 200 überaus aktive freiwillige Helferinnen und Helfer gebe, die beinahe täglich Hand anlegen. „Alles in allem haben wir insgesamt bestimmt 3000 Unterstützer. Das zeigt aber auch, wie wichtig es den Menschen hier ist, zu helfen, und dass sie dazu beitragen wollen, dass die Ukraine nicht fällt.“ Unter den Helfern sind natürlich auch viele Menschen, die selbst aus dem kriegsgebeutelten Land geflohen sind. Einige der Helfer seien beinahe täglich unterwegs, um die Sachspenden einzusammeln und nach Heidenheim zu bringen. Hier werden sie in einem von der Stadt kostenlos überlassenen Gebäude an der Bühlstraße sortiert, gelagert und für den Transport vorbereitet. „Der gesamte Papierkram mit Fracht- und Zollpapieren wird ebenfalls von einer Abteilung gestemmt, in der sich alle ehrenamtlich einbringen“, so die Vereinsvorsitzende.
Breite Unterstützung auch von Unternehmen
Doch nicht nur Freiwillige tragen zum Gelingen bei. „Wir haben auch zahlreiche Firmen aus der Region und darüber hinaus, die uns unterstützen“, so Glänzel-Seibold. Mit Hartmann etwa habe man einen Rahmenvertrag, und so unterstützt das Heidenheimer Unternehmen im großen Stil mit medizinischen Produkten die Aktion. Außerdem gebe es einen Helfer, der Computer, die von Firmen ausgemustert werden, mit modernster Technik versieht und aufarbeitet. „In den ukrainischen Krankenhäusern herrscht auch ein großer Bedarf an hochwertigen Computern.“
Um all diese Sachspenden noch mit benötigtem Material, das gerade nicht vorhanden ist, zu ergänzen, ist der Verein natürlich auch mehr denn je auf Geldspenden angewiesen. „Auch hier erfahren wir eine große Bereitschaft, ohne die das alles nicht möglich gemacht werden könnte“, so die Vorsitzende. Sowohl von Unternehmen als auch von Privatleuten und den heimischen Banken kämen Spendengelder.
Sprachkurse für Geflüchtete
Mit zur Finanzierung tragen auch Aktionen und Veranstaltungen des Vereins bei, der neben den Hilfstransporten auch noch zwei weitere Tätigkeitsbereiche hat. „Natürlich betreuen wir auch Flüchtlinge aus der Ukraine, helfen ihnen bei behördlichen und anderen Gängen, bieten Treff-Möglichkeiten und helfen bei der Integration“, beschreibt Glänzel-Seibold. Unter anderem biete man auf ehrenamtlicher Basis Sprachkurse an, die den Geflüchteten helfen sollen, vor Ort in ihren erlernten Berufen zu arbeiten. „Wir haben hier viele hoch qualifizierte Fachkräfte, darunter Ärztinnen, Architektinnen und Apothekerinnen, gerade denen wollen wir helfen, sich auch beruflich zu integrieren.“
Das dritte Standbein des Vereins ist die Organisation von Veranstaltungen. „In Heidenheim gibt es inzwischen viele aus der Ukraine geflohene Künstlerinnen und Künstler, aber auch Menschen, die mit der Organisation und technischen Betreuung von Veranstaltungen viel Erfahrung haben. All diese Fähigkeiten nutzen wir.“ So erhalte der ukrainische Chor inzwischen Anfragen aus ganz Süddeutschland und trete regelmäßig auf, weil sich seine Qualität herumgesprochen habe. Auch diese Aktionen trügen mit zur Finanzierung des Vereins und damit direkt zur Unterstützung der Ukraine bei, so Glänzel-Seibold.
Veranstaltung zum Jahrestag
Zum zweiten Jahrestags des Beginns des russischen Angriffs auf die Ukraine findet am Samstag, 24. Februar, auf dem Willy-Brandt-Platz bei der Stadtbibliothek eine Kundgebung statt, die vom Verein „Heidenheim für Ukraine“ organisiert wird. Dabei werden OB Michael Salomo, der SPD-Landeschef Andreas Stoch, Landrat Peter Polta, Dekan Gerd Häußler und Jasmin Glänzel-Seibold sprechen. Außerdem gibt es eine Ausstellung und Aufführungen ukrainischer Künstlerinnen und Künstler. Beginn der Veranstaltung ist um 15.45 Uhr.