Elke Müller-Jordan (57) ist die erste Frau an der Spitze einer Bank im Landkreis Heidenheim. Seit dem 1. Januar 2024 ist sie Vorstandsvorsitzende der Heidenheimer Volksbank. Seit 2013 war sie stellvertretendes Vorstandsmitglied, seit 2017 ordentliches Vorstandsmitglied der Bank. Nach einem halben Jahr im neuen Amt spricht sie im HZ-Interview über ihren Weg an die Spitze des genossenschaftlichen Instituts, die Besonderheiten einer Karriere als Frau und natürlich auch über die Situation der Regionalbank.
Frau Müller-Jordan, Sie sind einen sehr geradlinigen Weg an die Spitze der Volksbank gegangen.
Ja, aber ich habe das nicht so geplant. Es wirkt sehr geordnet, aber ich hatte nicht gedacht, dass ich eines Tages die Bank leiten werde. Eigentlich wollte ich Zahnärztin werden, und ich wollte längere Zeit noch aus der Bankbranche abspringen und Zahnmedizin studieren. Aber dann hat sich Schritt für Schritt alles gefügt, weil immer Menschen mich begleitet haben, die etwas in mir gesehen und mich gefördert haben. Ich habe immer versucht, mein Bestes zu geben.
Also eine klassische Karriere durch Leistung, nicht durch blenden. Liegt das an der Branche, dass so etwas möglich ist?
Das würde ich jetzt so nicht für die ganze Branche unterschreiben, denn dafür sind zu wenig Frauen an der Spitze. Das hat sich, seit ich in einer Führungsposition bin, auch nicht verändert, zumindest in der Bankenbranche. Wir haben 670 Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland und jede braucht mindestens zwei Vorstandsmitglieder, manche haben auch vier bis fünf. Ich weiß nicht exakt, wie viele Vorstandsfrauen es tatsächlich gibt. Aber ich bin Mitglied in einem Frauenforum, in dem sich Vorständinnen von Volks- und Raiffeisenbanken alle zwei Monate digital treffen. Da sind immer zwischen 35 und 40 Frauen dabei – aus ganz Deutschland.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ich glaube nicht, dass man keine Frauen an der Spitze von Banken haben will. Es liegt vielleicht eher an dem Karriereweg, den man dorthin gehen muss. Man braucht eine gewisse fachliche Qualifikation und berufliche Erfahrung, um das machen zu können und die Zustimmung der Bankenaufsicht Bafin zu bekommen. Auf dem Papier hätte ich schon vor 22 Jahren Vorstand werden können, aber ich habe mich damals noch nicht bereit genug dafür gefühlt. In meiner Klasse an der Akademie waren außer mir noch 20 Männer, von denen sich mindestens die Hälfte direkt nach der Prüfung für einen Vorstandsposten bewerben wollten.
Was musste bei Ihnen noch passieren, bis Sie soweit waren?
Ich habe in den zehn Jahren, die es gedauert hat, bis ich stellvertretendes Vorstandsmitglied wurde, noch sehr viel fachliche Erfahrung gesammelt. Ich kannte mich sehr gut im Kreditgeschäft aus, aber ich habe beispielsweise die Gesamtbanksteuerung und das Einlagengeschäft noch besser kennengelernt. Danach konnte ich mir auch für mich selbst vorstellen, mehr Verantwortung zu übernehmen.
Welche persönlichen Stärken und Fähigkeiten haben Ihnen geholfen, in die Position als Bankchefin zu kommen?
Mein Ehrgeiz, der aber weniger nach außen gerichtet ist, sondern eher auf das Erlernen von Dingen. Ich habe immer überlegt, was will ich genauer wissen, und zwar nicht an der Oberfläche, sondern in die Tiefe. Es ist eher ein Ehrgeiz, Aufgaben zu bewältigen und zu wissen, wie man etwas macht, ohne jemanden zu fragen. Ich habe Durchhaltevermögen, aber ohne, dass ich die Ellbogen eingesetzt hätte. Da gibt es natürlich auch Menschen, die sagen, in dieser Position muss man Ellbogen haben und auf den Tisch hauen. Ich habe immer versucht, das auf meine eigene Art zu machen. Es gibt schon Zeiten, in denen ich tatsächlich auf den Tisch haue und klare Ansagen mache. Aber man muss dazu nicht laut werden.
Man sagt, Sie sind sehr diszipliniert und arbeiten sehr viel. Ist das zwingend notwendig in Ihrer Position?
Es gibt mit Sicherheit auch Vorstände, die denken, sie kommen ohne Fleiß klar. Sie sind vielleicht Meister im Delegieren oder bleiben immer an der Oberfläche. Aber das ist nicht mein Verständnis dieses Berufes. Ich arbeite gut zwölf Stunden pro Tag, nicht, weil ich das muss, sondern weil meine Arbeit diese Zeit erfordert und weil ich es auch gerne mache. Und weil ich auch Vorbild sein will für meine Mitarbeiter und Kollegen. Also nicht, dass die alle auch zwölf Stunden pro Tag arbeiten sollen, sondern um ihnen zu zeigen, dass Fleiß zur Arbeit dazugehört.
Glauben Sie, dass man als Frau mehr können muss als ein Mann, damit einem die Führungsposition auch von außen zugetraut wird?
Ja. Eindeutig ja. Das hätte ich vielleicht vor einigen Jahren so klar nicht gesagt, aber mittlerweile glaube ich schon, dass man sich in allem mehr beweisen muss und dass die Menschen stärker drauf schauen, wie eine Frau das macht, während man bei einem Mann auch manche Dinge einfach akzeptiert.
Was würden Sie jüngeren Frauen raten, die eine solche Karriere anstreben?
Dranbleiben. Wenn man etwas wirklich erreichen will, muss man dranbleiben, darf sich nicht kirre machen lassen von irgendwelchen Kommentaren. Man muss seinen Weg gehen, ohne pikiert zu sein. Aufstehen, Krönchen richten, weiter geht’s.
Es hat sich ja in den vergangenen Jahren vieles getan, was die Möglichkeiten der Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht. Glauben Sie, dass es heute eher möglich wäre, auch mit Familie eine solche Karriere zu machen?
Ich weiß, dass es möglich ist, aber einfach ist es immer noch nicht. Ich kenne zwei Vorständinnen mit Kindern, bei denen aber auch die Männer mehr tun und sich in der Kinderbetreuung engagieren. In der Zeit, in der ich auf der Akademie war, also zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr, bekommen viele Frauen Kinder oder sind in Elternzeit. Da gibt es einen Gap. Und danach steigen die Frauen oft erstmal halbtags wieder ins Berufsleben ein. Das ist genau die Zeit, die dann in der Karriere fehlt.
Gibt es eine spezielle Frauenförderung in der Volksbank?
Es gibt kein spezielles Programm, weil das nicht speziell sein muss. Wenn eine Frau eine Fortbildung machen will und das zu ihrem Berufsbild passt, kann sie das selbstverständlich machen. Und es gibt individuelle Förderung: Wenn man sieht, dass eine Mitarbeiterin richtig gut ist, versuchen wir herauszufinden, ob sie in ihrem Fachgebiet aufsteigen will oder generell eine Karriere anstrebt. Außerdem haben wir ganz aktuell ein Prädikat „Familiy Net“ vom Bildungswerk Baden-Württemberg bekommen. Damit sind wir als familienbewusstes Unternehmen ausgezeichnet. Wir tun viel für unsere Mitarbeitenden, sowohl Männer als auch Frauen, damit sie Beruf und Familie vereinbaren können, nicht nur hinsichtlich der Kinderbetreuung, sondern beispielsweise auch, wenn es um die Pflege der Eltern geht oder um die Gesundheitsförderung unserer Belegschaft.
Welche Vorteile bietet die genossenschaftliche Volksbank vor Ort für Kundinnen und Kunden und wie konkurrieren Sie mit Internetbanken, die immer noch 0,1 Prozent Zinsen mehr anbieten können?
Natürlich spüren wir die jungen Fintech-Banken, die Kunden abfischen. Aber wir stellen auch fest, dass die Kunden nur einen Teil ihrer Bankgeschäfte dort machen, sich also Dinge herauspicken. Wir werden aber auch digitaler und können da mittlerweile mithalten. Dort, wo es jedoch um Beziehungsmanagement geht, wo es Fragen gibt, wo wir unser Fachwissen zeigen können, dort können wir punkten.
Ist das eher das Kreditgeschäft oder die Geldanlage?
Es ist vor allem die Geldanlage, wo man sich Beratung vor Ort holt, oder im Kreditgeschäft dann, wenn es komplizierter wird. Bei einem Kredit für ein Häuschen kommen die Kunden schon noch zu uns, aber sie haben dann schon genaue Vorstellungen und haben sich über Zinssätze im Internet informiert. Das machen wir übrigens mittlerweile auch, wir bieten uns auf entsprechenden Plattformen an. Wir Regionalbanken sind da nicht außen vor und wir signalisieren den Kunden damit, dass wir dabei sind.
Geht es im Bankgeschäft immer nur um Zahlen?
Nein, es geht auch um Vertrauen, in beide Richtungen. Credere heißt vertrauen, also auch wir vertrauen dem Kreditnehmer, dass er uns das Geld zurückzahlt. Aber auch, wenn ich mein Geld anlege, geht es um Vertrauen. Und wenn man das nur im Internet macht, kann man auch Pech haben, das hat man in der Krise 2008/2009 gesehen, da waren manche Anlagen auch einfach weg. Bei uns gibt es Institutssicherungen, da kann das nicht passieren. Wenn man als Privatperson Geld sicher anlegen will, sollte man in Deutschland bleiben.
Ist es den Menschen mittlerweile auch wichtig, dass ihr Geld nachhaltig oder umweltfreundlich angelegt ist?
Es wird nachgefragt, aber die Renditen im nachhaltigen Bereichen sind etwas niedriger und das ist für einen Teil der Kunden ein Argument dagegen.
Wie geht es der Volksbank finanziell?
Als ich 2002 bei der Heidenheimer Volksbank angefangen habe, ging es ihr finanziell schlecht. Seither haben wir uns komplett gedreht, haben alles aufgearbeitet und Eigenkapital angesammelt, was heute das Allerwichtigste für eine Bank ist. Und jetzt stehen wir gut da. Wir sind heute sehr differenziert im Kreditportfolio, wir arbeiten kostengünstiger und effizienter.
Wie ist die strategische Ausrichtung für die Zukunft?
Nehmen wir hier beispielsweise die Digitalisierung: Wir sind in der digitalen Entwicklung auch darauf angewiesen, was unser Verband für uns erarbeitet und der ist da schwer am Arbeiten, damit wir nicht zurückfallen hinter der Konkurrenz. Wir nehmen alles auf, was geht. Die Pandemiezeit hat uns sehr vorangebracht, was das mobile Arbeiten, sowohl im Homeoffice als auch beim Kunden angeht. Ein großes Thema für die Zukunft ist auch die Veränderungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter. Man muss sie dahinbringen, dass sie keine Angst haben vor Digitalisierung und anderen neuen Themen, denn nur so können wir auch in Zukunft mit den immer schneller herannahenden Veränderungen im Bankwesen mithalten.
Die Fusion mit der Volksbank Steinheim war ja ein Thema im vergangenen Jahr. Ist diese Entwicklung jetzt erstmal beendet oder kommt irgendwann die Fusion mit der Volksbank Unteres Brenztal, sodass es nur noch eine Volksbank im Landkreis Heidenheim gibt?
Es sind keine Gespräche im Gange (lacht). Fusion ist auch nicht immer das beste Mittel. Natürlich würde eine Landkreis-Volksbank genauso viel Sinn machen wie eine Kreissparkasse für den ganzen Landkreis. Aber man fusioniert nur, wenn es betriebswirtschaftlich notwendig ist. Ich denke, dass uns in Zukunft vielleicht eher der Fachkräftemangel in diese Richtung drängen könnte, um Synergien nutzen zu können.
Haben Sie denn Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden?
Eine Zeitlang war es ja mal uncool, eine Banklehre zu machen, während es davor noch als sehr solider und sicherer Beruf galt. Aber wir haben für das Ausbildungsjahr, das jetzt beginnt, neun neue Auszubildende und eine DH-Studentin, so viel hatten wir in den letzten Jahren nicht. Das macht mir Hoffnung.