Endlich draußen! Am Freitag herrschte freudige Aufregung rund um die Opernfestspiele, denn die sechste und vorletzte Vorstellung von „Madama Butterfly“ ging im Freien und im Rittersaal auf Schloss Hellenstein über die Bühne. Als erste und, wie sich leider schnell herausstellen sollte, auch als einzige dieser vom Wetter alles andere als wohlwollend behandelten Spielzeit. Anderntags war man dann schon wieder drin im Festspielhaus.
Doch einmal ist nicht keinmal. Und so wurde gerade noch vermieden, was bislang erst ein einziges Mal in der langen Geschichte der Opernfestspiele vorgekommen ist, dass nämlich keine einzige Opernvorstellung im Freien stattfinden konnte. Dieser also nach wie vor gültige Negativrekord resultiert aus dem Jahr 1980. In jener Saison stand Wolfgang Amadeus Mozarts „Idomeneo“ auf dem Spielplan. Und am Ende musste man mit allen vier Vorstellungen in den Saal. Damals traf man sich im Falle des Falles noch im Konzerthaus.
0:4 und 12:0
Beinahe wiederholt, ja irgendwie sogar übertroffen wurde das viele Jahre später, als 2017 erst die allerletzte von acht Vorstellungen von Richard Wagners „Der fliegende Holländer“ im Rittersaal präsentiert werden konnte. 1:7 lautete damals das reine Opernergebnis der Spielzeit, also noch deutlicher negativ eigentlich als das 0:4 von 1980. Aber immerhin, und das machte den Unterschied, man war wenigstens einmal im Freien gewesen.
Das genaue Gegenteil von alldem konnte man übrigens im Jahr 1994 berichten, als am Ende einer in dieser Beziehung zuvor und danach unerreichten Spielzeit nicht nur alle neun Opernvorstellungen, und zwar fünfmal die Neuproduktion „Tosca“ und viermal der wiederaufgenommene „Freischütz“, draußen im Rittersaal stattfanden, sondern auch noch die drei Konzerte der Saison. 12:0 stand unterm Strich, man glaubt es kaum.
Erst recht nicht bei einem Blick auf den Opernsommer 2024. Lediglich die Jazzgala, die erste „Last Night“ und eben die „Butterfly“ vom Freitag waren im Rittersaal zu erleben, alles andere im Festspielhaus. Selbst die zweite „Last Night“ am vergangenen Sonntag, was bei strahlendem Sonnenschein noch um 20 Uhr zwar etwas Murren im Publikum auslöste, sich am Ende aber mit Blick auf die rasch unter die fürs Orchester noch erträgliche Grenze fallenden Abendtemperaturen letztendlich doch als richtig herausstellte.
Zweimal großer Beifall
Ungefährdet in jeglicher Beziehung hingegen war die „Butterfly“ im Rittersaal am Freitagabend, nachdem zuvor lediglich die Klavierhauptprobe der Oper draußen über die Bühne hatte gehen können. Und die größte Überraschung dieser insofern tatsächlich einmaligen Vorstellung war sicherlich die Erkenntnis, dass die Heidenheimer „Butterfly“, was das Bühnenbild anbelangt, draußen schöner als drinnen über die Bühne kam. Ehrlicherweise hätte man eigentlich mit dem Gegenteil gerechnet, aber im von Hartmut Litzinger großartig ausgeleuchteten Gemäuer ergab sich eindeutig mehr Tiefenwirkung, wirkte der „Iglu“ rein gar nicht verloren und entfaltete die Aluschiebefenstergalerie darüber noch mehr inszenatorischen Sinn als die ja wahrlich auch nicht übel passenden Bullaugen à la James Bond im Festspielhaus.
Schade nur, dass Olga Busuioc, Heidenheims grandiose Butterfly, gesundheitlich angeschlagen ins Rennen gehen und sich deshalb vor der Pause in einigen Situationen etwas zurücknehmen musste. Wie nicht selten in solchen Situationen bewirkte dann eine dementsprechende Ansage vor der zweiten Halbzeit und ein kräftiger Applaus die Mobilisierung der letzten Reserven. Jedenfalls zog die Sopranistin noch einmal alle Register und sang die Vorstellung auf hohem Niveau zu Ende. Großer Beifall am Ende nicht nur für sie, sondern für eine rundum atmosphärisch dichte Vorstellung im Rittersaal. Und vielleicht sollte man diesen Beifall, wo man schon mal dabei ist, auch unbekannterweise denjenigen zollen, die ihren Dienst im Verborgenen leisteten. Zum Beispiel dem Sanitärdienst der Festspiele. Solch blitzsaubere und bestens ausgestattete Toiletten-Container sind keine Selbstverständlichkeit. Picobello, kann man da nur sagen.
Eine neue Butterfly
Für Samstag übrigens, und damit noch einmal zurück zur Musik, musste Olga Busuioc dann allerdings doch passen, sodass, nun schon wieder im Festspielhaus, dem Publikum mit Camille Schnoor in Windeseile eine Einspringerin als Chio-Chio-San präsentiert wurde. Die deutsch-französische Sopranistin mit Geburtsort Nizza hatte die Butterfly zuletzt am Staatstheater am Gärtnerplatz in München gesungen und hatte am frühen Samstagmorgen ein Video von der Heidenheimer Vorstellung erhalten. Nach dessen Studium machte sie sich von München auf nach Heidenheim, wo sie von der Regieassistentin empfangen und noch einmal anderthalb Stunden in die Inszenierung eingewiesen wurde. Die Vorstellung am Abend, so hört man, absolvierte Camille Schnoor mit Bravour.
Die Saisonbilanz gibt’s am Mittwoch
Eine Bilanz der Heidenheimer Opernfestspielsaison mit Besucherzahlen und weiterem Drum und Dran ziehen wir in der Mittwochausgabe.