Niedriger Frauenanteil in der Kommunalpolitik

Was sich aus Sicht dieser Kandidatinnen im Landkreis Heidenheim ändern müsste

Bislang sind Frauen in Gemeinderäten und im Kreistag auch im Landkreis Heidenheim immer noch unterrepräsentiert. Die vier Kandidatinnen Margit Stumpp, Klara Sanwald, Petra Saretz und Simone Maiwald erzählen, was sich aus ihrer Sicht ändern müsste:

Mehr Frauen in die Kommunalpolitik? Das wäre notwendig, wenn man möchte, dass die Geschlechter gleichermaßen in den Gemeindeparlamenten vertreten sind. Bislang ist das noch nicht der Fall. Am Sonntag, 9. Juni, ist Kommunalwahl und die Zusammensetzung der Parlamente könnte sich zu Gunsten der Frauen ändern – zumindest theoretisch, denn egal, wie viele Männer und Frauen die Parteien auf ihren Listen haben, am Ende entscheiden die Wählerinnen und Wähler über die Verteilung der Ämter. Vier Frauen, die kandidieren, berichten exemplarisch von ihren Erfahrungen und ihrer Motivation, ein solches politisches Amt übernehmen zu wollen.

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Margit Stumpp (61) ist eine der erfahrensten Kommunalpolitikerinnen im Landkreis Heidenheim. 1999 wurde sie als einzige Kandidatin der Grünen Liste in den Königsbronner Gemeinderat gewählt, dort war sie bis 2017 vertreten. Politisch engagiert hat sie sich schon als Studentin in der Studierendenvertretung, später war die Diplom-Ingenieurin (FH) in Ulm in einer Bürgerinitiative gegen die Müllverbrennungsanlage aktiv. „Wenn es Missstände gibt, muss man sich bewegen“, sagt Stumpp. Diese Einstellung nahm sie ernst, auch als junge, berufstätige Mutter mit zwei Kindern. Seit 2004 ist Stumpp im Kreistag und kandidiert auch jetzt wieder dafür. Darüber hinaus war Stumpp von 2017 bis 2021 auch Bundestagsabgeordnete der Grünen in Berlin.

Petra Saretz (CDU) ist Fraktionsvorsitzende im Heidenheimer Gemeinderat. Markus Brandhuber

Petra Saretz (49) hat sich bereits in der Schule für Geschichte und Politik interessiert. Auch im Elternhaus sei viel über Kirche und Politik gesprochen worden. Mit 21 Jahren sei sie „bei der Jungen Union gelandet“, erzählt sie. Relativ schnell war sie auch auf Bezirks- und Landesebene engagiert, hat aber die Erfahrung gemacht, dass sich vor Ort mehr Dinge bewegen lassen. Saretz ist die Fraktionsvorsitzende der CDU/FDP im Heidenheimer Gemeinderat sowie Kreisrätin. Am 9. Juni kandidiert sie nur noch für den Kreistag, da sie mittlerweile hauptberuflich als Mitglied des FCH-Vorstands beim Bundesligisten stark gefordert ist.

Klara Sanwald ist die Spitzenkandidatin der FDP für den Heidenheimer Gemeinderat. Rudi Penk

Klara Sanwald (25) hatte bislang kein Mandant, kandidiert aber schon zum zweiten Mal für den Heidenheimer Gemeinderat und ist stellvertretende Kreisvorsitzende der FDP. Sanwald hat ihr Erstes Staatsexamen in Jura bestanden und arbeitet ab Oktober als Referendarin bei der Justiz in Ellwangen. Sie war schon als Jugendliche politisch interessiert und wurde nach einer persönlichen Begegnung mit Christian Lindner Parteimitglied der FDP. Sie steht auf dem Listenplatz 1 ihrer Partei und will eine junge Perspektive in den Gemeinderat bringen.

Simone Maiwald steht auf der CDU-Liste für den Kreistag. Rudi Penk

Simone Maiwald (64) ist seit 2018 Bürgermeisterin in Heidenheim. In dieses Amt als Beigeordnete wurde sie zwar auch gewählt, aber nur vom Gemeinderat. Bei einer allgemeinen Wahl tritt sie am 9. Juni erstmals an, sie kandidiert für den Kreistag auf der Liste der CDU. „In den Jahren zuvor hatte ich als alleinerziehende Mutter mit einem sehr anspruchsvollen Beruf als Fachbereichsleiterin für Kultur, Sport, Tourismus und Stadtmarketing mit vielen Terminen am Wochenende einfach keine Zeit für weitere Aufgaben – auch wenn ich mir die Arbeit in einem Gremium sehr gewünscht hätte“, sagt sie. Einen Interessenkonflikt sieht die Bürgermeisterin nicht, wenn sie im Kreistag die Positionen des Landkreises vertreten sollte: „Für mich gilt immer, dass die besseren Argumente überzeugen und umgesetzt werden sollten“, meint sie. Da könne es tatsächlich passieren, dass es auch Entscheidungen durch den Kreistag gebe, die dem Interesse der Stadt Heidenheim entgegenstehen. „Das ist gelebte Demokratie“, so Maiwald.

Hat man es als Frau in der Politik leichter oder schwerer als Männer?

Als sie 1999 anfing, so berichtet Margit Stumpp, seien die Umgangsformen im Gemeinderat „unterirdisch“ gewesen. Sie habe sich Respekt verschaffen müssen, habe oft auch das persönliche Gespräch gesucht. Frauen müssen mehr leisten als Männer, um genauso erfolgreich zu sein, ist sich Stumpp sicher. „Man braucht eine Position, in der man auch wahrgenommen wird. Das muss man sich erarbeiten“, glaubt sie. Petra Saretz sieht keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern: „Ich habe mir immer erarbeitet, was ich erreicht habe, beruflich und privat“, sagt sie. Sie sieht diesen Leistungsgedanken unabhängig vom Geschlecht. Klara Sanwald sagt, sie habe innerhalb der FDP nie Benachteiligung als Frau erfahren. Simone Maiwald hat anderes beobachtet: „Grundsätzlich werden Frauen, nicht nur in der Politik, kürzere Redezeiten zugestanden. Sie werden auch häufiger unterbrochen.“ Männernetzwerke und ihre informellen Spielregeln würden ein Weiteres dazutun. Und leider fehle noch zu großen Teilen die gegenseitige Unterstützung der Frauen, bedauert die Bürgermeisterin: „Greifen Frauen mal durch, bezeichnet man sie als emotional oder zickig. Männer gelten in derselben Situation als durchsetzungsstark.“

Werden Frauen anders wahrgenommen als Männer?

„Ganz sicher ist es so, dass Frauen sehr stark über ihr Aussehen hinsichtlich ihrer Kompetenz bewertet werden“, sagt Simone Maiwald. Sie macht dies auch an einem Beispiel fest: „Denken wir nur an die Debatten über Bundeskanzlerin Angela Merkels Aussehen. Ich kann mich nicht an Derartiges bei anderen Kanzlern erinnern“, so Maiwald. Die Außenwahrnehmung von Frauen sei eine andere als bei Männern, ist sich auch Margit Stumpp sicher. „Ich bin nicht streitlustig, aber streitbar“, sagt die Kommunalpolitikerin, die sich aufgrund ihrer direkten Art auch schon in so manch kontroverser Diskussion wiederfand. Von der direkten politischen Auseinandersetzung abgesehen war sie aber auch schon persönlichen Angriffen ausgesetzt. Medial die meiste Aufmerksamkeit bekam die Affäre rund um eine interne E-Mail ihres Bundestags-Kollegen Roderich Kiesewetter (CDU), der sie als „Kotzfrau“ bezeichnet hatte, weil sie zur Gegendemonstration bei den Königsbronner Gesprächen aufgerufen hatte. „Das hat mich völlig erschüttert“, erzählt sie. Margit Stumpp glaubt, dass Frauen von Respektlosigkeit in der Politik stärker abgeschreckt werden als Männer. Klara Sanwald hält nichts davon, sich als Frau wie ein Mann zu verhalten. „Ich gehe nicht davon aus, benachteiligt zu werden“, sagt sie. Für ihre Generation sei Gleichberechtigung aber ein großes Thema: „Es ist sehr wichtig, niemanden zu benachteiligen“, meint sie.

Was müsste passieren, damit mehr Frauen sich ein Mandat zutrauen?

Petra Saretz glaubt nicht, dass Frauen sich die Kandidatur nicht zutrauen. „Es liegt ja auch an den Wählerinnen und Wählern, ob Frauen in die Gremien kommen“, meint sie. Klara Sanwald findet, dass es wichtig ist, Frauen direkt anzusprechen und sie zur Kandidatur zu ermutigen. „Frauen sind oft zurückhaltender“, sagt sie. Simone Maiwald sieht auch praktische Hindernisse: „Für viele Frauen ist es zeitlich so gut wie unmöglich, eine weitere Aufgabe außerhalb von Beruf und Familie zu übernehmen, da Familie und Haushalt in den meisten Fällen immer noch Hauptaufgabe der Frauen und nicht der Männer sind.“ Auf der Liste der Grünen ist grundsätzlich jede zweite Position für eine Frau reserviert. „Diesmal war es aber schwieriger, Frauen als Kandidatinnen zu finden“, berichtet Margit Stumpp. Ihrer Meinung nach könnte dies am schärfer gewordenen politischen Diskurs liegen.

Was kann man tun, um mehr Frauen in politische Ämter zu bringen?

„Wenn ich das wüsste, würde ich es anwenden“, sagt Margit Stumpp. Sie glaubt, dass sich die Situation auch dadurch verbessert, dass zunehmend mehr Frauen in den Gremien seien. „Ich glaube auch, dass Mentorinnen und Mentoren sehr wichtig sind“, so Stumpp. Simone Maiwald schlägt ein effektiveres Zeitmanagement in Sitzungen vor, um Frauen entgegenzukommen. „Vielleicht sollte man auch über die Erhöhung der Aufwandsentschädigung nachdenken, wie es in anderen Städten durchaus auch gemacht wird“, sagt sie. Damit könnte man ein politisches Amt anstelle eines Minijobs in Erwägung ziehen und hätte nochmal einen finanziellen Anreiz. „Bereits durch die Quotierungen auf den Listen der meisten Parteien wird sich hoffentlich Vieles auf Dauer ändern“, glaubt Maiwald. „Hoffen wir, dass auch die Wähler und Wählerinnen die Stärke der Vielfalt in den politischen Gremien erkennen und unterstützen.“

Nur 13 Prozent Frauen im Heidenheimer Kreistag

Landesweit beträgt der Frauenanteil der 2019 gewählten und noch amtierenden Gemeinderäte 26,8 Prozent. Im Landkreis Heidenheim liegt er mit 28,8 Prozent über dem Landesdurchschnitt. Der Gemeinderat der Stadt Heidenheim kann sogar mit einem Frauenanteil von 40,6 Prozent glänzen: Von 32 Mitgliedern sind 13 weiblich. Ganz anders sieht es im Heidenheimer Kreistag aus: Dort gibt es nur sechs Kreisrätinnen, insgesamt hat das Gremium 46 Mitglieder, womit der Frauenanteil bei 13 Prozent liegt.

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