Klein, niedlich und mit runden Knopfaugen: Waschbären sehen zwar nett aus, doch spätestens dann, wenn sie in Privatgärten oder Häuser eindringen und dort für Chaos sorgen, ist Schluss mit putzig. Die ursprünglich aus Nordamerika stammenden Wildtiere sind zwar nicht heimisch in Deutschland, haben sich dafür aber schon fleißig ausgebreitet – auch im Landkreis Heidenheim. Hier sind sie mittlerweile längst nicht mehr nur im Wald anzutreffen, sondern auch immer wieder in den Dörfern und Städten. Wie man am besten mit den Wildtieren umgeht und warum sie nicht zu unterschätzen sind:
Hat die Population von Waschbären auch bei uns im Landkreis Heidenheim in den vergangenen Jahren zugenommen?
Ja, hat sie. Laut dem Wildtierbeauftragten der unteren Jagdbehörde am Landratsamt, Stefan Endler, kann seit 2010 eine starke Zunahme verzeichnet werden. Die Besiedelung sei dabei aus westlicher Richtung, aus dem Landkreis Göppingen, erfolgt. Zwar hätten sich die Waschbären mittlerweile flächendeckend im Landkreis Heidenheim ausgebreitet, Ausbreitungsschwerpunkte seien derzeit aber die Stadt Heidenheim und die Gemeinden Steinheim und Königsbronn. Aus diesen Bereichen häufen sich auch die Anfragen an die Wildtierexperten.
Welche Probleme entstehen für unsere heimische Tierwelt?
Der Waschbär frisst Eier, Jungvögel, Amphibien und Reptilien. „Insbesondere für seltene Arten kann er dadurch eine Gefahr darstellen“, sagt Endler. „Bekannt sind etwa kletternde Waschbären, die Baumhorste besteigen und zu einer Gefährdung seltener Eulenarten führen.“
Woran kann ich erkennen, ob sich Waschbären auf meinem Grundstück aufhalten?
Wer die Tiere nicht direkt oder durch eine Wildtierkamera auf seinem Grundstück beobachten kann, der wird laut Endler zunächst durch Veränderungen am Grundstück oder Haus auf die ungebetenen Gäste aufmerksam: Wühlschäden im Gras, Fraßschäden am Obst oder aufgerissene Müllbehälter sind Hinweise. „Zudem können die Tiere über Katzenklappen, Schornsteine oder Löcher in der Gebäudehülle in Gebäude eindringen“, warnt der Experte, „Dort machen sich Waschbären dann meist durch Lärm und Kot bemerkbar.“ Haustierbesitzer sollten extra wachsam sein: Waschbären können sich auch durch das Verletzen der tierischen Mitbewohner bemerkbar machen.
Sind die Tiere gefährlich für Menschen?
Nein, eigentlich nicht. Waschbären sind zwar potenzielle Überträger für bakterielle, virale und parasitäre Infektionskrankheiten, bis zu 95 Prozent sind mit dem Waschbärspulwurm infiziert. Eine Übertragung auf den Menschen ist laut Endler aber unwahrscheinlich. Dokumentiert seien lediglich drei Fälle. Auch hier gelte, wie bei Ausscheidungen anderer Wildtiere, der Kot sollte unter Beachtung der üblichen Hygienemaßnahmen wie Handschuhe und gegebenenfalls Mundschutz entfernt und in der Restmülltonne entsorgt werden.
Wie kann ich Waschbären von meinem Grundstück fernhalten?
„Waschbären nutzen ihren Lebensraum konsequent“, sagt Endler. „Der Populationsanstieg im Siedlungsraum deutet darauf hin, dass die Tiere dort sehr günstige Voraussetzungen vorfinden, was Nahrung und Unterschlupf angeht.“ Soll heißen: Je weniger verlockend der Siedlungsbereich ist, desto seltener wird es Probleme mit den Waschbären geben. Im Garten sollte es kein frei zugängliches Katzen- oder Igelfutter geben. Auch zu Vogelfutter oder Eichhörnchenfutter würden die Tiere nicht Nein sagen. „Auf dem Kompost sollte nur Grünmaterial und keine Speisereste entsorgt werden“, mahnt Endler. „Fallobst hingegen sollte entsorgt und nicht auf dem Boden liegen gelassen werden.“
Gar nicht so selten dringen Waschbären zudem in Gebäude ein und lassen sich dabei einiges einfallen: Katzenklappen nutzen sie ebenso wie Lücken in der Dacheindeckung. „Waschbären klettern sehr geschickt und nutzen Fallrohre und Bäume, um an oder auf das Gebäude zu gelangen. Um das zu verhindern, können Dachrinnen und Bäume bei Bedarf mit einem Waschbärenschutz versehen werden“, erklärt Endler. Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeiten der akustischen Vergrämung, etwa durch Ultraschallgeräte, oder geruchliche Vergrämung.
Waschbären gelten als schlaue Tiere und das nicht ganz zu Unrecht: Laut Endler lernen sie sehr schnell und können sich auch komplizierte Handlungsabläufe merken, etwa das Öffnen von Verriegelungen. Kleintiere sollten deshalb in gut gesicherten Käfigen und Gehegen gehalten werden.
An wen kann ich mich wenden, wenn sich Waschbären auf meinem Grundstück oder im Haus eingerichtet haben?
Das ist gar nicht so einfach: Wohnhäuser und Gärten sind befriedete Bezirke. Dort darf nicht gejagt werden und es gibt auch keinen zuständigen Jagdpächter. Ist dennoch eine Bejagung, etwa mit einer Falle, erforderlich, dann obliegt die laut Endler dem Eigentümer selbst, wobei der dafür wiederum eine Genehmigung braucht. Dafür müssen wiederum gewisse Voraussetzungen, etwa ein Sachkundenachweis, vorliegen. „Inhaber von Jagdscheinen besitzen die Fallensachkunde in der Regel. Es bietet sich daher an, die Pächter der örtlichen Jagdbezirke zu kontaktieren.“
Betroffene können sich aber auch an die neuen „Stadtjäger“ (siehe Infokasten) oder an Stefan Endler, den Wildtierbeauftragten der unteren Jagdbehörde am Landratsamt, wenden.
Vier „Stadtjäger“ im Landkreis Heidenheim
In Baden-Württemberg wurde jüngst die Funktion des „Stadtjägers“ eingeführt, um den Entwicklungen der Wildtierpopulationen im Siedlungsbereich und den damit einhergehenden Konflikten zwischen Mensch und Tier zu begegnen. „Die Stadtjäger haben dabei in erster Linie Beratungsfunktion und sollen vornehmlich durch präventive Maßnahmen zu einer Lösung beitragen“, erklärt der Wildtierbeauftragte Stefan Endler. Sie dürfen aber auch ohne weitere behördliche Genehmigung Jagd auf die Tiere machen, sofern zuvor alle präventiven Maßnahmen ausgeschöpft worden sind oder es zur Abwehr von Gefahren notwendig ist.
Mittlerweile gibt es im Landkreis Heidenheim vier solche anerkannte „Stadtjäger“, was den Kommunen die Möglichkeit gibt, sie vor Ort einzusetzen. Außerhalb des Siedlungsbereichs fallen Waschbären unter das Jagdrecht und haben eine Jagdzeit. Jungtiere dürfen laut Endler außerhalb der allgemeinen Schonzeit bejagt werden. Tiere, die mit Fallen gefangen worden sind, dürfen nicht mehr in der Natur ausgesetzt werden. Sie werden in der Regel getötet.