Welche Botschaft ukrainische Kinder auf die Bühne in Heidenheim bringen
«Збережене» – „Gerettet“. So lautet der Titel des diesjährigen Theaterstücks des ukrainischen Kindertheaters Rika, das von der ukrainischen Künstlervereinigung tvorchist.pro veranstaltet wird. Die Gruppe organisiert zum dritten Mal ein Camp, das im Zeitraum vom 14. August bis zum 9. September stattfindet. Die Betreuer wollen dafür sorgen, dass 20 ukrainische Kinder und Jugendliche im Alter zwischen sieben und 17 Jahren unbeschwert ihre künstlerischen Theaterfähigkeiten ausleben können.
Dabei geht der Hintergrund für dieses Projekt weit über das Interesse an Theater hinaus: Kinder und Jugendliche, deren Eltern in systemrelevanten Berufen, wie etwa in der Medizin, in der Ukraine arbeiten und deswegen nicht das Land verlassen können, sind die Hauptakteure der Veranstaltung. „Für die Heranwachsenden soll dadurch Raum und Möglichkeit geschaffen werden, ihr altes Leben wieder zurück zu erlagen“, sagt Jasmin Glänzel-Seibold, die Unterstützerin des Projekts ist. Sie ist die Ansprechpartnerin für die Theatergruppe und Vorsitzende der Hilfsorganisation „Heidenheim für Ukraine“, die die Verwaltung und Organisation der Gruppe übernommen hat.
Unterstützer aus der Region
Ihr Wunsch sei es, ein dauerhaftes Camp zu organisieren und dadurch die Künstler zu fördern, so Glänzel-Seibold. Aus diesem Grund bot das Naturtheater Heidenheim von Anfang an die Räumlichkeiten auf dem Schlossberg an, in welchen die Gruppe untergebracht ist. Dort schlafen, kochen und proben Kinder und Betreuer innerhalb des vierwöchigen Aufenthalts in Heidenheim. Zusätzlich unterstützen Sponsoren wie beispielsweise die Stadt Heidenheim sowie die Gemeinde Königsbronn die Freizeit mit Geld- und Sachspenden. Die Lebenshilfe stellte Autos zur Verfügung, Bäckereien spendeten Lebensmittel. Ehrenamtliche Helfer haben beim Aufbau für das Camp im Naturtheater mitgewirkt, wobei vieles spontan und kurzfristig umgesetzt wurde, sagt Glänzel-Seibold und lacht. Die inhaltliche Planung des Theaters allerdings läuft seit dem Ende des zweiten Camps, das im zurückliegenden Winter stattfand.
Ursprung des Theaters in der Ukraine
Zwei ukrainische Künstler sind die tragenden Köpfe des Jugendtheaters. „Ich lernte Stanislav und Konstantin bereits im April 2022 durch die Ukrainehilfe kennen. Sie haben sich ehrenamtlich für ihr Land engagiert“, erzählt Glänzel-Seibold. Die beiden Organisatoren flohen aus dem von Krieg gebeutelten Land. Seitdem wohnen sie in Heidenheim. Sieben Mal sind die beiden Männer nach Polen gereist, um von dort die Ukraine mit ihrer Hilfe zu unterstützen. Vor dem Krieg war das Kindertheater in Charkiw beheimatet, in dem die Organisatoren gearbeitet haben und herkommen. Es war schnell klar, dass dieses Projekt auch in Heidenheim stattfinden soll.
Die Kinder und Jugendlichen, die dieses Jahr dabei sind, stammen zum Teil aus der Ukraine, zum Teil aus dem europäischen Ausland, aber alle mit einem ukrainischen Hintergrund. Eines der Kinder komme sogar aus Kanada, so Glänzel-Seibold. Getroffen haben sich alle Teilnehmer in Prag, um von dort gemeinsam nach Heidenheim zu fahren. Zuvor musste jedes der Kinder bei einem Online-Casting zeigen, was es kann. Einige der Bewerber waren den Regisseuren des ukrainischen Kindertheaters Rika bereits aus ihrem früheren Ensemble bekannt.
Die beiden Hauptinitiatoren Stanislav und Konstantin werden beim Rika-Theater von ihrem Regisseur- und Choreografen-Team unterstützt. Dabei betont Stanislav: „Es gibt keine Hierarchien hier.“ Die Hauptverantwortlichen für den Theaterbereich sind Anastasia, Svitlana und Antonia. Letztere begleitete die Kinder nach Heidenheim und wird anschließend mit ihnen wieder zurück in die Ukraine fahren. Generell besteht das Team aus Personen, die einen beruflichen Hintergrund rund ums Theater haben. Die Gruppe ist breit aufgestellt, von gelernten Schauspielern, Regisseuren, Choreographen bis hin zu Theaterpädagogen sind viele künstlerische Professionen vertreten. Insgesamt helfen zehn erwachsene Betreuer bei der Freizeit mit.
Das will das Team mit dem selbstgeschriebenen Theaterstück aussagen
Um was geht es beim Theaterstück «Збережене» - „Gerettet“? Die Geschichte spielt zur Zeit der 1922 gegründeten Sowjetunion in der heutigen Ukraine. Denn so wie in Deutschland erlangte die Künstlerbranche in den Goldenen 20ern auch dort einen Aufschwung. Geprägt wurde diese Zeit vor allem durch die Künstlermorde oder auch die sogenannten politischen Säuberungen, die von dem damaligen Sowjetchef Stalin veranlasst wurden. Dies behandeln die jungen Schauspieler in ihrem Stück, das mit wenig Text, dafür mit viel Ausdruck dargestellt werde, sagt Glänzel-Seibold.
Der Titel „Gerettet“ sagt auch etwas über die Mission des Camps aus, deren Idee es ist, den Kindern ein sicheres Umfeld zu bieten und ihnen ein stückweit ihr altes Leben zurückzugeben, so die Vorsitzende. Die Kinder erlebten einen zum Teil traumatischen Alltag in der Ukraine, weshalb sie im Sommercamp auch theaterpädagogisch betreut werden, um das Erlebte zu verarbeiten. „Es soll wieder ein normaler Alltag ohne Luftalarm, ohne Krieg sein“, ergänzt Glänzel-Seibold.
Geprobt wird jeden Tag jeweils von 10 bis 12 Uhr sowie von 15 bis 19 Uhr, übrigens auch am Wochenende. Für Stanislav ist das selbstverständlich: „In Deutschland ist der Sonntag frei, bei uns nicht.“ Dennoch haben die Kinder und Jugendlichen auch Freizeit. Stanislav erzählt von gemeinsam Ausflügen, wie beispielsweise in das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart. Für die Zukunft sind weitere Projekte geplant. Für Glänzel-Seibold ist klar, dass das nicht das letzte Projekt sein wird. Viel verrät sie noch nicht, aber das Team habe noch viele Ideen, viel Kreativität und viele Fähigkeiten.
Das sind die Termine der Theateraufführungen
Die Premiere des Stückes findet am Freitag, 1. September, in der Stadtbibliothek in Heidenheim statt. Diese ist allerdings nur für geladene Gäste, darunter die Sponsoren, Helfer und Mitglieder des Naturtheaters. Weitere Aufführungen für die Öffentlichkeit finden am 2. September in der Festhalle in Aalen-Unterkochen statt sowie am 3. September in Königsbronn im Freien neben der Hammerschmiede. Bei schlechtem Wetter wird vor Ort eine trockene Räumlichkeit bekannt gegeben. Am 5. und 7. September wird das Stück erneut in der Stadtbibliothek in Heidenheim aufgeführt. Beginn der Aufführungen ist jeweils um 17 Uhr mit einer Einführung, die jeweils auf Deutsch und Ukrainisch ist. Das Stück selbst kommt mit wenig Text aus, in gegebenen Situationen wird er allerdings ebenfalls auf Deutsch und Ukrainisch übersetzt.