Wahlergebnisse sind manchmal mehr als Stimmenzahlen und Prozentwerte. Sie können auch eine moralische Hypothek sein. In diese Kategorie fällt die Kür der Vertreter des Großkuchener Ortsvorstehers Josef Weber: rechtlich zwar unanfechtbar, das Dorf einend aber keinesfalls.
Üblicherweise eine Formalie, barg die Stellvertreter-Entscheidung diesmal durchaus kommunalpolitische Brisanz. Und mehr als das. Sie war der formale Schlussakt eines innerörtlichen Zerwürfnisses, das schon im Vorfeld der Kommunalwahl vom 9. Juni begonnen hatte und bis heute anhält.
Wieder zwei Listen bei der Kommunalwahl
Die Ausgangslage ist hinreichend bekannt: Erstmals seit zwei Jahrzehnten waren bei der Kommunalwahl zwei Listen angetreten. Vier der Sitze im Ortschaftsrat entfielen am Ende auf die Liste Zukunft Großkuchen, sechs auf die Freie Wählervereinigung Großkuchen. Letzterer stand aufgrund dieses Ergebnisses naturgemäß der erste Stellvertreterposten zu (Linda Striebel). Als Gentleman’s Agreement wäre es zu werten gewesen, der konkurrierenden Liste die zweite Stellvertretung zuzubilligen. Diese sicherte sich – wie bereits berichtet – in geheimer Abstimmung allerdings ebenfalls die Freie Wählervereinigung in Person von Tobias Hafner.
Der Gemeinderat hielt sich an die gängige Praxis, dem mehrheitlichen Willen des Ortschaftsrats zu folgen. „Die Wahl hat zwar polarisiert“, sagte Oberbürgermeister Michael Salomo vor der Abstimmung, „aber der Wahlvorschlag des Ortschaftsrats ist zu berücksichtigen.“ 25 Jastimmen, eine Gegenstimme und acht Enthaltungen brachten das Unverständnis angesichts der Vorgeschichte gleichwohl deutlich zum Ausdruck.
Getrennte Abstimmung abgelehnt
Anamari Filipovic (Grüne/ÖDP-Fraktion) gab zu bedenken, es gehe um den Wählerwillen und nicht um einzelne Namen: „Die Zeiten sind turbulent, und man sollte sich nicht mit sich selbst beschäftigen.“ Ihr Antrag, über den zweiten Stellvertreterposten getrennt abzustimmen, fand allerdings keine Mehrheit.
Ähnlich argumentierte Tanja Oechsle (Freie Wähler), Stadträtin aus Großkuchen. Sie merkte an, die Freie Wählervereinigung habe mit überzeugenden Kandidatinnen und Kandidaten und dem Wahlversprechen „Transparenz und Offenheit sowie Miteinander und Füreinander“ am 9. Juni ein überzeugendes Wahlergebnis erkämpft. „Leider“, so Oechsle, „sind wir von Transparenz und Offenheit weit entfernt.“ Viele seien davon überrascht worden, dass Weber, der viele Jahre hervorragende Arbeit für die Gemeinde geleistet habe, das Amt des Ortsvorstehers so lange übernehmen wolle, bis seine Nachfolgerin ausreichend eingearbeitet sei.
Hinsichtlich der zweiten Stellvertreterstelle kritisierte sie, das Miteinander und Füreinander sei nach der Wahl schnell vergessen worden. Dabei sei gerade in einer kleinen Gemeinde das Miteinander wichtig, um etwas für die Bürger erreichen zu können, so Oechsle. Stattdessen zeige sich, dass das Vertrauen, das die Wähler den Kandidaten beider Listen entgegengebracht hätten, durch persönliche Befindlichkeiten zerstört werde.
Fraktionen mahnen Miteinander an
Auch in den weiteren Wortmeldungen kam der grundsätzliche Respekt vor der Beschlussempfehlung des Ortschaftsrats zum Ausdruck. Allerdings mischten sich nahezu gleichlautende Appelle in die Stellungnahmen. So befand Tanja Weiße (SPD/Linke-Fraktion), der unterlegenen Liste die zweite Stellvertreterposition zu überlassen, „wäre ein guter Zug gewesen“. Sie hoffe nun auf eine baldige Versöhnung der beiden Lager.
Dr. Waltraud Bretzger (CDU/FDP-Fraktion) rief dazu auf, die Gräben zu überwinden und zu einem guten Miteinander zu finden, während Ralf Willuth (Freie Wähler) die Empfehlung aussprach, in Zukunft analog zur Heidenheimer Praxis die unterschiedlichen Listen ihrem Abschneiden entsprechend zu berücksichtigen. Den Großkuchenern rief er zu: „Findet zueinander.“
Alexander Jurtschak neuer Ortsvorsteher
Geräuschlos ging die Wahl des neuen Oggenhauser Ortsvorstehers Alexander Jurtschak vonstatten. Seine beiden Stellvertreterinnen sind Gabi Wegmann und Liane Erb-Konold.