Welche lange Liste an Taten dem Mord in der Heidenheimer Degenhardstraße vorausging
Der Mordprozess gegen einen 35-jährigen Heidenheimer vor dem Ellwanger Landgericht begann am Freitag mit der Verlesung der Anklageschrift. Diese ist sehr umfangreich und umfasst elf Taten, wovon die letzte der Mord an einem 50-jährigen Heidenheimer in der Nacht auf den 14. März ist. „Es stehen eine Vielzahl von Vorwürfen im Raum, aber einer davon ist zentral“, so der Vorsitzende Richter Bernhard Fritsch. Die lange Liste der Taten, die dem arbeitslosen 35-Jährigen zur Last gelegt wird, offenbaren ein hohes Maß an Aggression und zeigen, dass der Mann seine Impulse offenbar nicht kontrollieren kann. Auch war das spätere Mordopfer, laut Staatsanwalt Dr. Klaus Schwichtenberg ein Mann mit einer geistigen Behinderung, der zudem alkoholabhängig war, schon vor der finalen Tat Angriffen des Angeklagten ausgesetzt gewesen, weshalb der Betreuer des 50-jährigen ein Annäherungsverbot erwirkt hatte, das aber nicht eingehalten wurde.
Die Anklageschrift beginnt mit dem Vorwurf einer Tat am 29. November 2022. Damals hat das spätere Mordopfer in seiner Wohnung in der Degenhardstraße Fußball geschaut. Der offenbar stark betrunkene Angeklagte kam dazu und schlief vor dem Fernseher des Mannes ein. Als dieser ihn nach dem Ende des Fußballspiels wecken wollte, soll der 35-Jährige aggressiv geworden sein. Er nahm sein Gegenüber in den Schwitzkasten und schlug den Älteren mit der Faust. Auch in die Wand der Wohnung schlug er mit der Faust drei Löcher.
Polizisten beschimpft, bespuckt und gebissen
Der nächste Vorfall spielte sich am 4. Dezember im öffentlichen Raum ab, nämlich vor und in der Bar Populär am Eugen-Jaekle-Platz. Auch dort soll der Angeklagte wieder stark betrunken gewesen sein. Er bedrohte Menschen, schlug einen Mann mit der Faust ins Gesicht und wehrte sich schließlich massiv, als andere Gäste der Bar versuchten, ihn festzuhalten. Auch die vier Polizeibeamten, die ihn schließlich in Gewahrsam nahmen, wurden geschlagen, bedroht, gebissen und bespuckt. Außerdem mussten sie sich ordinäre Beschimpfungen des Mannes anhören.
Um die Jahreswende wurde der 35-Jährige gewalttätig gegenüber seiner Freundin, die im Apartment neben dem Mordopfer wohnte. Die Tat gegenüber der Frau ist nicht Gegenstand der Anklage, sondern wurde bereits separat verhandelt, hatte aber weitere Auswirkungen, die sich in der aktuellen Anklageschrift finden: Zum einen soll der Mann die Wohnungstür seiner Freundin eingetreten haben, während diese bei einer Freundin wohnte. Auch in der Wohnung randalierte er, so dass ein Sachschaden von 1000 Euro entstanden sein soll. Außerdem soll der 35-Jährige die Freundin, bei der die Frau untergekommen war, mehrfach angerufen haben. Dabei habe er die Frau und deren Familie bedroht und übel beleidigt. Zum Teil sind die Beschimpfungen auf der Mailbox gelandet, beispielsweise die Drohung: „Ich nehme dein Leben weg.“
Der letzte Vorfall, der dem Mann zur Last gelegt wird, ereignete sich am Nachmittag des 13. März, also unmittelbar vor dem Mord an dem 50-jährigen Opfer. Der Angeklagte, dessen Freundin und der 50-Jährige sollen sich auf dem Spielplatz beim Heidenheimer Rathaus aufgehalten haben. Unvermittelt habe der Angeklagte einen Roller genommen und diesen dem 50-Jährigen von hinten um den Hals gelegt. Er zog den Mann nach hinten, sodass dieser umfiel. Er soll gesagt haben, dass er den 50-Jährigen umgebracht hätte, wäre seine Freundin nicht dabei gewesen.
Bis zum Abend hatte sich die Stimmung aber offenbar wieder gebessert, da der Angeklagte, seine Freundin, der 50-Jährige sowie ein weiteres Paar in der Wohnung an der Degenhardstraße ein Trinkgelage abhielten. Außer der Freundin des Angeklagten, die nichts getrunken haben soll, waren alle Anwesenden stark alkoholisiert. Beim Angeklagten wurden zwischen 1,5 und 2 Promille Alkohol im Blut getestet, das Opfer hatte mehr als zwei Promille. Der Angeklagte und seine Freundin gingen in deren Wohnung, der 50-Jährige legte sich in sein Bett, das weiter anwesende Paar auf das Sofa des Mannes.
Angst vor dem Angreifer
In der Nacht stand der Angeklagte wieder auf und bewaffnete sich mit einem Kantholz, mit dem er zunächst auf Beine und Oberkörper seines Opfers einschlug. Dieses habe wehrlos und schlafend im Bett gelegen, so Staatsanwalt Schwichtenberg. Auch als er aufgewacht sei, habe er sich aufgrund des Alkohols, aber auch, weil er Angst vor dem Angeklagten hatte, nicht wehren können. Der Angreifer schlug den 50-Jährigen auch noch mit Fäusten, um dann mit dem Kantholz auf das Paar einzuschlagen, das auf dem Sofa geschlafen hatte.
Schließlich schlug er wieder den 50-Jährigen mit dem Kantholz auf Kopf und Oberkörper. Danach soll der Mann einen Wäscheständer aus Metall gegriffen haben, und auch mit diesem noch auf sein Opfer eingeschlagen haben. Der Mann erlitt zahlreiche Verletzungen am Kopf und am ganzen Körper, die der Staatsanwalt detailliert beschrieb. Abschließend soll der Angeklagte dem Mann einen Eimer Wasser über den Kopf gekippt haben.
Als Todesursache nannte der Staatsanwalt das Versagen der Atmung des 50-Jährigen, da durch die Verletzungen des Thorax Luft in den Brustraum des Mannes eingedrungen war. Dies hat zur Folge, dass die Lunge zusammenfällt, es entsteht ein sogenannter Pneumothorax. Zudem soll auch eine Niere des Mannes tiefgreifend verletzt worden sein.
Vorgeworfen wird dem Angeklagten, der von Rechtsanwalt Alexander Schneider aus Heidenheim verteidigt wird, nun nicht nur heimtückischer Mord, sondern aufgrund der früheren Vorfälle auch gefährliche Körperverletzung, tätlicher Angriff auf Polizeibeamte, Bedrohung, Beleidigung, Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Richter Fritsch forderte den Mann auf, sich bis zum nächsten Verhandlungstag zu überlegen, ob er Angaben zu den Vorwürfen machen möchte. Sollte dies der Fall sein, wäre die Aussage des 35-Jährigen der erste Punkt auf der Tagesordnung des zweiten Verhandlungstags.
Die Verhandlung vor dem Schwurgericht wird am Donnerstag, 28. September fortgesetzt. Weitere Verhandlungstage sind dann der 17., 23., 24. und 25. Oktober. Es sind 19 Zeugen und drei Sachverständige geladen. Die Mutter des Opfers hat sich dem Prozess als Nebenklägerin angeschlossen, sie wird vertreten von Rechtsanwalt Markus Kiesel aus Aalen.