Die Personalknappheit hat längst auch die Kindergärten im Landkreis Heidenheim erreicht. Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern führt in vielen Einrichtungen dazu, dass keine Kinder mehr aufgenommen werden könnten, dass Gruppen geschlossen oder Öffnungszeiten eingeschränkt werden müssen. Diese Situation wiederum sorgt auch beim vorhandenen Personal für Unmut und Probleme. Denn längst wirkt sich Mangel an Personal auch auf die tägliche Arbeit der Beschäftigten aus. Das zumindest berichten vier Frauen, die schon lange als Erzieherinnen arbeiten.
Eigentlich macht ihnen ihr Beruf Spaß, finden sie viel Freude an der Arbeit mit Kindern. Doch die Umstände, unter denen häufig in Kindergärten gearbeitet wird, sorgen dafür, dass ihnen die Arbeit als Erzieherinnen verleidet wird. Darin sind sich die vier Frauen, die allesamt in diesem Beruf arbeiten oder gearbeitet haben, einig. Wie ihnen, davon sind sie überzeugt, geht es auch vielen anderen in diesem frauendominierten Beruf. Denn alle vier waren schon in den unterschiedlichsten Kindergärten, bei unterschiedlichen Trägern und in allen möglichen Städten und Gemeinden im Landkreis Heidenheim angestellt. „Auf dem Land und in kleinen Einrichtungen ist es häufig besser, aber auch da gibt es große Probleme, unter denen die Erzieherinnen Tag für Tag zu leiden haben“, sagt Sabine (Namen von der Redaktion geändert).
Häufig Probleme mit den Eltern
Eines der großen Probleme sei die Elternarbeit. „Ja, es gibt auch normale, aber der Anteil der Helikopter-Eltern steigt ständig.“ „Die wollen alles ganz genau wissen und kontrollieren, am liebsten würden sie uns den ganzen Tag überwachen“, erzählt Sabine. Schon des Öfteren sei sie auch von Eltern bedroht und massiv verbal angegangen worden. Häufig gebe es kulturelle Schwierigkeiten: „Vielen muslimischen Vätern darf man beispielsweise nicht sagen, wenn es Probleme mit ihren Kindern gibt.“ Das bestätigt auch Susanne: „Zu mir hat mal ein Vater gesagt, dass er ein Messer holt und mich absticht.“
Generell sehen es alle vier Frauen als großes Problem an, dass viele Kinder mit Migrationshintergrund in den Einrichtungen betreut werden. „Es wären einfach mehr Integrationsbemühungen aufseiten der Eltern notwendig“, sagt Kerstin. Denn die sprachliche Barriere bei den Kindern sei häufig so groß, dass in der Gruppe gar nicht gearbeitet werden könne. „Ich war mal in einer Gruppe, in der waren Kinder mit 16 unterschiedlichen Nationalitäten und die Eltern sind nicht immer willig, an Sprachkursen teilzunehmen.“ Auf diese Weise sei ein vernünftiges Arbeiten nicht möglich. „Das Ganze wird auf dem Rücken der Erzieherinnen ausgetragen, die dafür sorgen sollen, dass die Kinder schulreif werden“, so Kerstin.
Viel mehr verhaltensauffällige Kinder
Ein Problem in vielen Einrichtungen sei auch, dass die Zahl der verhaltensauffälligen Kinder immer mehr zunehme, berichtet Susanne: „ADHS und Autismus gibt es bei Jungen recht häufig. Früher wurden in solchen Fällen Entwicklungsgespräche geführt, aber das auch nur anzusprechen, ist heute kaum möglich, weil man sofort beschimpft wird. Die Eltern wollen nicht wahrhaben, dass mit ihrem Kind etwas nicht stimmt.“ „Wenn die Eltern nicht mitmachen, können wir nichts ausrichten. Es gibt tatsächlich Kinder, die andere Kinder heftig schlagen und Stühle nach Erzieherinnen werfen“, bestätigt Sabine. „Wir dürfen uns auch nicht körperlich gegen solche Angriffe wehren.“ Sie selbst sei auch schon von einem Kind in den Unterarm gebissen worden. „Wenn in einer Gruppe mit 27 Kindern ein oder zwei verhaltensoriginelle sind, dann crasht das alles“, so Susanne.
Der Personalmangel, unter dem viele Betreuungseinrichtungen zu leiden haben, verschärfe die Situation häufig noch. „Häufig gibt es gar nicht mehr die Möglichkeit, unserem Bildungsauftrag nachzukommen“, sagt Kerstin. „Wir verdienen nicht so schlecht, die Bezahlung ist ok. Aber wir haben auch eine sehr große Verantwortung. Die Gruppen sind zu groß, der Betreuungsschlüssel passt einfach nicht mehr“, so Kerstin. Die Personalknappheit in den Kindergärten führe auch häufig dazu, dass „Überstunden ohne Ende“ anfielen, so Susanne. „Natürlich machen wir das aus der Not heraus: Die Kinder sind ja da und müssen betreut werden“, bestätigt auch Kerstin.
Mit den Problemen alleingelassen
In zahlreichen Einrichtungen, gleich in welcher Trägerschaft, haben alle vier Erzieherinnen schon die Erfahrung gemacht, dass sie mit ihren Problemen alleingelassen werden. Das liege häufig daran, dass die Leitungen nicht ausreichend weiterqualifiziert würden, eine Position als Gruppenleiterin nicht extra bezahlt sei, aber trotzdem mehr Verantwortung habe. „Zu mir hat mal eine Vorgesetzte gesagt, ich sei selbst dafür verantwortlich, wie die Kinder mit mir umgehen“, berichtet Susanne. „Auch ich habe schon erlebt, dass man kein Gehör findet. Das betrifft sowohl Pfarrer bei kirchlichen als auch Behörden bei kommunalen Trägerschaften. Von Problemen in den Kindergärten will man dort häufig einfach nichts hören“, so Kerstin. Freilich ließe sich das nicht auf alle Einrichtungen pauschalisieren, aber sie selbst habe schon häufiger entsprechende Erfahrungen gesammelt: „Nach außen hin soll einfach alles toll und schön wirken, tatsächlich ist es das aber häufig nicht.“ „Die Eltern vertrauen uns das Wertvollste an, das sie haben. Aber wir können dem leider oft nicht gerecht werden“, sagt Birgit.
Viele Erzieherinnen fühlten sich den vier Frauen zufolge alleingelassen mit ihren Problemen im Beruf. Das führe dazu, dass es in diesem Berufsstand immer mehr psychische Erkrankungen gibt, die bis hin zu Suizidgefahr reichten. Grund dafür sei teilweise auch, dass die tagtäglichen Stresssituationen zu einem schlechten Arbeitsklima und auch zu Grabenkämpfen innerhalb der Erzieherinnen führten.
„Ich habe diesen Beruf mal gewählt, weil ich ihn eigentlich sehr gerne mache. Ich liebe es, mit Kindern zu arbeiten, sie zu betreuen und sie zu fördern. Aber all das wird durch die vielen negativen Bedingungen und Umstände sehr erschwert. Trotzdem macht mir die Arbeit mit den Kindern immer noch großen Spaß“, betont Sabine. „Ja, die Bedingungen sind sehr schwierig und die Arbeit geht häufig an die Substanz. Aber wenn mich dann ein Kind anstrahlt: Das sind Momente, da kann man sehr viel aushalten“, so Birgit.
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