Zunehmend mangelnder Respekt? - Was passiert, wenn der Angeklagte den Prozess schwänzt
Richter, Schöffen, Staatsanwalt, Verteidiger, Zeugen, Protokollführer, manchmal noch Gutachter, Sachverständige, Dolmetscher – ein Gerichtsprozess ist personell sehr aufwändig. Besonders ärgerlich ist es, wenn alle diese Personen parat stehen, aber die Hauptperson, der Angeklagte, einfach nicht erscheint. Genau das aber passiert immer öfter, auch am Amtsgericht Heidenheim. Für die Beteiligten ist dann erst einmal Warten angesagt. Kommt der Anklagte vielleicht nur mit Verspätung? Oder muss doch eine Polizeistreife zur Wohnung losgeschickt werden, um den Angeklagten vorzuführen?
Landet der Angeklagte dann schließlich doch noch im Gerichtssaal, ist die Liste der Ausreden, die Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil und seine Kolleginnen und Kollegen aufgetischt bekommen, meistens nicht besonders einfallsreich. Da hat man sich gerne einfach im Termin vertan oder auch schlichtweg verschlafen.
Feil ärgert es, wenn ein Prozess ins Stocken gerät und alle Beteiligten zum Warten verdammt sind. Vertane Zeit, in der sich für alle Beteiligten vieles andere erledigen ließe, findet er.
Menschen, die ihr Leben nicht im Griff haben
Und die Fälle häufen sich, wie er bestätigt. Was vor 20 Jahren eine Ausnahme gewesen sei, komme inzwischen häufiger vor. An Zahlen könne er diesen Eindruck allerdings nicht festmachen. Man habe aber das Gefühl, dass der Respekt vor einem solchen Gerichtstermin offenbar manchmal fehle. Feil geht dabei nicht mal davon aus, dass immer Absicht dahinterstecke, aber man nehme das Thema offenbar nicht so ernst.
Nicht selten handele sich um Menschen, die ihr Leben generell nicht so gut im Griff hätten. Die würden sich vermutlich auch einen Gerichtstermin nicht gerade mit Textmarker im Kalender vermerken. Anhand der Hintergründe lasse sich oftmals schon im Vorfeld vermuten, dass ein Prozess mit Hürden verbunden sein könnte. Über mögliche Folgen seien sich viele Angeklagte wohl nicht im Klaren. Wenn jemand nicht zum Prozess erscheine und dann noch die Vorführung durch die Polizei scheitere, erwarte den Angeklagten in der Regel ein Haftbefehl. Das bedeute, dass die Person jederzeit mit einer Festnahme rechnen müsse und die Zeit bis zur neuen Verhandlung unter Umständen in einer Vollzugsanstalt verbringe. Gerichtstermine seien aber meist über Monate hinweg vorgeplant, da könne die Wartezeit durchaus unangenehm lang werden.
Urteil über eine Straftat, nicht über einen Menschen
Erst jüngst ist mal wieder ein Angeklagter nicht zum Prozess erschienen. Zwei Stunden dauert es, bis eine Polizeistreife ihn an seinem neuen Wohnort findet und ihn schließlich zur Verhandlung nach Heidenheim fährt. Richter Rainer Feil begrüßt den Mann freundlich und erklärt ihm, dass sein „Verschlafen“ auch leicht zu einer Haft hätte führen können.
Sollte er verärgert sein, so ist das dem Amtsgerichtsdirektor nicht anzumerken. „Wir haben über eine Straftat zu urteilen und nicht über einen Menschen“, erklärt er auf Nachfrage. Dennoch dürfe man dabei den Menschen nicht aus dem Blick verlieren. Wenn ein Angeklagter das Gefühl habe: „Der interessiert sich sowieso nicht für mich“, dann werde er sich auf keine Kommunikation einlassen und sich zudem nicht gerecht behandelt fühlen und Einsicht zeigen. Deshalb nimmt sich Richter Feil am Ende der langen Verhandlung und trotz der Verzögerung auch an diesem Tag die Zeit, dem Mann ausführlich die Entscheidung des Gerichtes zu erklären. Schließlich, so Feil, bestehe immer die Hoffnung, dass dieser Angeklagte das letzte Mal eine Straftat begangen hat.
Auch bei Zeugen häufen sich die Fälle, in denen diese einfach nicht erscheinen oder versuchen, sich mit einer Ausrede um ihre Aussage zu drücken. Doch auch Zeugen sind verpflichtet, zum Prozess zu erscheinen, auch dann, wenn sie der Meinung sind, dass sie nichts zur Aufklärung der Straftat beitragen können.