Fast zwei Jahre – so lange schon ärgert sich ein Heidenheimer Hausbesitzer mit einer Photovoltaik-Firma herum. Zwar fließt inzwischen Strom von seinem Dach ins Hausnetz und in den Batteriespeicher, aber fertig ist die Anlage immer noch nicht. Hinter dem Mann liegen Monate des Ärgers – und inzwischen auch des finanziellen Schadens. Seinen Namen möchte er nicht nennen, aus Bedenken, die Sache mit der beteiligten Firma dann nicht zu einem akzeptablen Ende führen zu können.
Wie ihm geht es bundesweit Tausenden Hausbesitzern, die sich besonders im vergangenen Jahr für die Installation einer PV-Anlage entscheiden haben. 2023 war das Jahr des Photovoltaik-Booms schlechthin. So viele Anlagen wie nie zuvor wurden auf deutschen Hausdächern montiert. Dass diese enorme Auftragsflut für die Firmen auch eine enorme Zahl an Problemen mit sich bringt, zeigen Zahlen der Verbraucherzentralen. Mehr als 1700 Beschwerden gingen dort im Jahresverlauf ein. Die Hauptprobleme: Lieferverzögerungen und Pfusch bei der Installation.
Im ganzen Haus gepiepst und gequalmt
Von beidem kann der betroffene Heidenheimer ein Lied singen. Nicht nur gingen zunächst Monate ins Land, weil der eigentlich bestellte Batteriespeicher nicht lieferbar war und ein anderes Gerät geordert werden musste. Auch als die Anlage endlich da war, kam es immer wieder zu Problemen. Plötzlich war diese ganz anders beschaffen als es zuvor hieß und obendrein kam es zu massiven technischen Problemen beim Einbau und der Inbetriebnahme. Wochenlang hatte die Familie mit Stromausfällen zu kämpfen, obwohl sie durch die PV-Anlage gerade davon eigentlich gefeit sein wollte.
Zum vorläufigen Höhepunkt aller Ärgernisse kam es, als ein Monteur eine Überspannung produzierte. „Im ganzen Haus hat es gepiepst und gequalmt“, berichtet der Heidenheimer. Am Ende waren sämtliche elektrischen Geräte kaputt: Backofen, Herd, Kaffeemaschine – ja sogar die Birnen der Lichterkette am Weihnachtsbaum hatte es zerstört. Zum Ärger über die Verzögerungen bei der Installation der PV-Anlage kommt nun also auch noch ein Versicherungsstreit.
Selbst das Personal, das bei uns zur Montage war, war sauer auf die Firma
Heidenheimer Hausbesitzer, der anonym bleiben möchte
Was den Heidenheimer bei all dem besonders ärgert: „Selbst das Personal, das bei uns zur Montage war, war sauer auf die Firma. Die haben sich immer wieder beschwert, dass sie nicht ausreichend für unsere Anlage geschult seien oder ihnen Infos fehlen“, berichtet er. Mehr als 15-mal seien verschiedene Monteure gekommen. Oft hätten sie überhaupt keine Vorab-Informationen zu seiner Anlage gehabt, oder welches Problem es zu beheben gebe. „Einer hat mir sogar wütend gesagt, das sei jetzt seine letzte Baustelle für diese Firma, er wolle nur noch raus aus dem Chaos“, so der Heidenheimer.
Dass es bei einer PV-Installation zu derart umfangreichen Schäden wie im Falle des Heidenheimer Hausbesitzers kommt, ist sicher nicht die Regel. Der HZ-Redaktion sind jedoch weitere Fälle bekannt, bei denen es in und um Heidenheim zu teils monatelangen Verzögerungen (und einer Pleite) kam, gepaart mit immer neuen Vertröstungen der Anbieterfirmen. Bis zu ein Jahr mussten die Betroffenen warten, bis nach dem Kauf die Anlage tatsächlich lief. Das Ärgerliche dabei: Viele Firmen werben gerade damit, dass Montage und Anschluss binnen nur weniger Wochen erledigen würden. Und eben dieses Versprechen beeinflusst viele Käufer bei der Entscheidung für oder gegen einen Anbieter. Bei der Qualität der Produkte oder dem Ablauf der Installation gibt es nämlich, zumindest für Laien während des Verkaufsgesprächs, auf den ersten Blick kaum Unterschiede.
Insider berichtet: Kunden werden von Photovoltaik-Firmen regelrecht "abgezockt"
Den Eindruck aber, dass die von manchen Firmen entsendeten Handwerker wenig bis schlecht vorbereitet sind, teilt auch Herr F. Der Heidenheimer ist selbst im Vertrieb für Photovoltaikanlagen tätig – inzwischen bei einer regionalen Firma in Leipheim. Zuvor war er unterwegs für eines der vielen großen, oft in Sachsen ansässigen Unternehmen, bei denen man schnell landet, wenn man im Internet nach PV-Anlagen googelt. Doch diese Firma ging in die Insolvenz – wenig verwunderlich, wie F. rückblickend findet. Um offen sprechen zu können, möchte er nicht, dass sein früherer Arbeitgeber seinen Namen in der Zeitung lesen könnte. Was hat Herr F. als Insider dort also erlebt?
„Es war eine regelrechte Masche“, sagt er. „Die haben die Kunden einfach abgezockt.“ Als der Boom losging, hätten das die Firmen knallhart ausgenutzt, sagt F. Meistens verlangen sie das Geld von ihren Kunden in drei Zahlungen. „Sobald die zweite Rate nach der Montage überweisen war, haben die nichts mehr gemacht und waren nicht mehr erreichbar“, berichtet er.
Man muss da nur ein paar Schulungen machen und schon schicken sie die Leute in den Verkauf
Insider aus dem Vertrieb, der anonym bleben möchte
Er selbst habe das erst spät – zu spät – erkannt. Doch als ihm nach und nach klar wurde, was in der Firma läuft und dass es vor allem finanziell nicht mehr gut aussieht, habe er als Verkäufer sogar seine Kunden davor gewarnt, weitere Zahlungen zu leisten. Das nächste Problem: die schlechte Ausbildung der Verkäufer und die Intransparenz bei den Monteuren. „Man muss da nur ein paar Schulungen machen und schon schicken sie die Leute in den Verkauf.“ Um ordentliche Kundenberatung gehe es da nicht. „Es geht nur um Auftragsabschlüsse, um die schiere Masse“, so F.
Von seinen damaligen Kunden habe er zudem mitbekommen, dass die Montagefirmen, meist Subunternehmer, oft ohne jeden Arbeitsschutz die Solarmodule auf den Dächern montieren. Die Elektriker, die danach den Anschluss machen sollen, seien häufig von morgens bis abends von Anlage zu Anlage unterwegs. „Die Ausführung war oft nicht gut. Es gab immer wieder Fehler, aber wen wundert’s?“
Allerdings betont er: „Es gibt auch gute Firmen, nicht alle sind so“. Was er Hausbesitzern empfiehlt, die eine PV-Anlage wollen? „In jedem Fall nicht über Google gehen und irgendwo die eigene Adresse eingeben und dann auf vermeintlich billige Angebote warten.“ Diese sogenannten Leadgenerierer vermitteln die Daten nämlich oft an genau solche vermeintlich großen, aber überforderten Firmen mit schlechtem Service. F. rät stattdessen, sich regional einen Betrieb zu suchen, der eigene Mitarbeiter hat, den man anrufen kann, wo man hingehen und sich beraten lassen kann. Auch später für die Gewährleistung sei dies das A und O. „Die sind zwar ein bisschen teurer als die aus dem Internet, aber dafür bekommt man Qualität und Zuverlässigkeit.“
Eine PV-Anlage kaufen, als würde man auf Amazon shoppen
Dass örtliche Firmen die Preise der Großen nicht mitgehen können, würde Andreas Bek, Hauptgeschäftsführer des Fachverbands für Elektro- und Informationstechnik Baden-Württemberg, pauschal so gar nicht sagen wollen. Man müsse, so Bek, zudem mitkalkulieren, dass es ja auch um die Zeit nach dem Anschluss gehe, also um den Kundendienst, wenn mal etwas kaputtgeht. Viele der „Plattformanbieter“ aus dem Internet, wie Bek sie nennt, seien dann nämlich kaum noch greifbar.
Bek sieht aber vor allem ein wesentliches anderes Problem bei den vermeintlich verlockenden Angeboten der großen, bundesweit tätigen Firmen: Die oft mangelhafte Beratung und Inaugenscheinnahme der elektrotechnischen Anlagen der Häuser, für die PV installiert werden soll. Er meint damit den Ort und den Zustand des Verteilerkastens, in dem die Haustechnik zusammenläuft. Und: grundsätzlich den Zustand der Hauselektrik.
Wir sehen doch sogar beim Kauf von Photovoltaikanlagen inzwischen eine Art amanzoniertes Verhalten
Andreas Bek, Fachverband für Elektro- und Informationstechnik
Wie Studien gezeigt hätten, befinden sich bis zu 80 Prozent der elektrischen Hausanlagen in Gebäuden, die vor 1980 gebaut wurden, in keinem geeigneten Zustand, um einfach mal so eine PV-Anlage zu installieren, berichtet Bek. Dies werde aber um den Preis eines schnellen Vertragsabschlusses von den PV-Plattformanbietern gerne übergangen. Nicht ganz unbeteiligt daran seien aber auch die Kunden selber, wenn auch ungewollt. „Wir sehen doch sogar beim Kauf von Photovoltaikanlagen inzwischen eine Art amanzoniertes Verhalten“, erklärt er. „Die Menschen gehen ins Internet, wollen sofort ein Angebot, schnell eine Zusage zu den Lieferzeiten und zur Montage und so weiter“. Die Firmen würden genau diesen Bedürfnissen mit enormem Marketingaufwand begegnen – und für einen ersten Eindruck ja auch stillen. „Das geht aber nur mit standardisierten Paketen und Prozessen“. Ob die dann aber auch zum jeweiligen Haus passen, das stehe erst an zweiter Stelle, wenn überhaupt.
Örtliche Elektrobetriebe sollen es dann ausbügeln
Elektrobetriebe landauf und landab seien daher inzwischen damit beschäftigt, Nacharbeiten an PV-Anlagen durchzuführen, die von PV-Online-Anbietern gekauft wurden. „Was sie dabei sehen, da schlagen die Kollegen oft die Hände über dem Kopf zusammen“, sagt Bek.
Nicht in jedem Fall aber könne man nach einer missglückten Installation durch eine der großen Firmen überhaupt darauf zählen, dass ein örtlicher Elektriker den Schaden ausbügelt, denn oft stünden dem Haftungsfragen im Weg. Der Handwerksbetrieb, der eine Anlage ans Netz bringt, haftet nämlich später auch für diese. Weil aber gerade die großen Anbieter oft keine Prüfprotokolle hätten oder herausgeben würden, können örtliche Handwerker im Nachgang nicht nachvollziehen, wie die Anlage überhaupt errichtet wurde. Ergo: Sie fertigzustellen und ans Netz zu bringen, ist ihnen dann zu heikel.
Bei aller Kritik will Bek die Ausführungsqualität der großen Firmen aber auch nicht pauschal verurteilen. Diese schwanke lediglich sehr stark. Er empfiehlt, stattdessen von Beginn an aufs örtliche Handwerk zu setzen – im Idealfall auf den Betrieb, der auch die Hauselektrik gemacht hat – selbst wenn dies lange her sei.
Auf ein ausführliches Beratungsgespräch pochen
Künftigen PV-Anlagenbesitzern rät er, auf ein ausführliches Beratungsgespräch zu pochen. „Es muss vorab festgehalten werden, welche Lebensgewohnheiten die Bewohner des Hauses haben, ob Strom gespeichert werden soll, ob es ein E-Auto gibt oder geben soll, ob mit Strom geheizt wird, und, und, und.“ Nur wenn alle diese Rahmenfaktoren genau kalkuliert werden, könne die passende Anlage konfiguriert und das Haus dafür vorab fitgemacht werden, so Bek. Bek empfiehlt zudem, genau zu klären, wer die Anlage anmeldet, sowohl im Marktstammdatenregister als auch beim Netzbetreiber. Die Papierarbeit müsse sorgfältig gemacht werden – damit es zu keinen unnötigen Verzögerungen bei der Inbetriebnahme kommt.
Stadtwerke Heidenheim: Ablauf bei den Firmen hat sich professionalisiert
Also noch eine Hürde, die es zu überwinden gilt? Fragt man hierzu bei den Stadtwerken Heidenheim nach, so lautet die Auskunft von dort: Es sei schon deutlich besser geworden. Gerade zum Anfang des PV-Booms habe es noch vermehrt Probleme mit unvollständigen oder zu spät eingerichten Unterlagen seitens der ausführnden Firmen gegeben. "Mittlerweile gibt es aber immer seltener Klärungsbedarf", so die Auskunft der Stadtwerke, die jedes Jahr mehr Neuregistrierungen verzeichnen. Wurden 2021 im Zuständigkeitsbereich noch 118 PV-Anlagen neu ans Netz genommen, so waren dies 2024 bis Ende Mai bereits 254. Durch das im Mai neu beschlossene Solarpaket I und den damit verbunden Erleichterungen für Balkonkraftwerke sei vor allem weiter eine deutliche Zunahme an Balkonkraftanlagen zu erwarten.
Die Neuerungen des Solarpaket I
Seit Mai ist das Solarpaket I in Kraft. Es beinhaltet zahlreiche neue Regelungen (überwiegend Vereinfachungen und Entbürokratisierung) für den Betrieb von Balkonkraftwerken, Haus-PV-Anlagen und größeren Anlagen auf Industrieflächen oder für die gewerblichen Nutzung.
In Sachen Balkonkraftwerke ist neu, dass die Anmeldung beim Netzbetreiber komplett entfällt, die Anmeldung im Marktstammdatenregister vereinfacht wurde und die Geräte in Betrieb genommen werden können, ohne einen möglicherweise notwendigen Zählerwechsel abzuwarten. Bei einer bestehenden PV-Anlage wird die Mehrleistung eines Balkonkraftwerks nun zudem nicht mehr zur PV-Anlagenleistung dazugerechnet. Damit besteht nicht mehr das Risiko, dass dadurch Leistungs-Grenzwerte überschritten werden.
Bei privaten Hausdach-PV-Anlagen ist es inzwischen zudem möglich, Solarmodule auszutauschen (Repowering) und gleichzeitig die bestehende, höhere Einspeisevergütung für die Restlaufzeit zu behalten, unabhängig davon, ob die Solarmodule noch funktionieren oder nicht. Bisher war dies nur möglich, wenn die alten Module defekt waren.
Netzbetreiber sind mit dem Solarpaket I zudem verpflichtet worden, eine Anfrage zur Installation einer Photovoltaik-Anlage (Netzanfrage) bis 30 kWp innerhalb von vier Wochen zu beantworten, ansonsten gilt die angefragte Anlage automatisch als genehmigt. Weitere Infos unter www.verbraucherzentrale.de