Ehrenamtliche gesucht

Wer sich bei der Notfallseelsorge im Landkreis Heidenheim engagieren kann

Die Notfallseelsorge im Landkreis Heidenheim steht Menschen zur Seite, die unerwartet mit Krisensituationen konfrontiert werden. Das sind die Voraussetzungen für die ehrenamtliche Mitarbeit.

Ihren ersten Einsatz als Notfallseelsorgerin wird Anna Anneo-Rabus nie vergessen. Noch immer hat sie den jungen, bei einem Unfall ums Leben gekommenen Motorradfahrer vor Augen. Noch immer ist ihr der Augenblick präsent, in dem die Eltern die Todesnachricht erhielten. „Das ist sehr hart, wenn man selber Mutter ist“, sagt die 59-Jährige. Warum bedeutet ihr dieses Ehrenamt dennoch sehr viel? „Ich bin dankbar dafür, dass es mir gut geht“, sagt sie, „und davon möchte ich gerne etwas zurückgeben.“

Alexandra Benker, die wie Anneo-Rabus 2021 an einem Ausbildungskurs teilnahm – online, weil Corona damals einen Sicherheitsabstand diktierte -, und die sich mittlerweile auch im Leitungsteam einbringt, spricht fast gleichlautend über ihre Motivation: „Mich treibt die Nächstenliebe an.“ Es sei schön zu sehen, dass es Menschen bessergehe, weil sie erzählen könnten. Sie selber lerne mit jedem Einsatz dazu, werde stärker und wachse in ihrer Persönlichkeit.

Anna Anneo-Rabus, Notfallseelsorgerin Rudi Penk

Die beiden Frauen gehören zum derzeit 25-köpfigen Team der Notfallseelsorge, das von der evangelischen und katholischen Kirche getragen wird. Es bildet zusammen mit dem Kriseninterventionsdienst des Deutschen Roten Kreuzes, der sich aus aktuell neun Männern und Frauen zusammensetzt, die Psychosoziale Notfallversorgung im Landkreis Heidenheim.

Gefragt sind die Ehrenamtlichen immer dann, wenn sich Menschen unvorbereitet mit einer Situation konfrontiert sehen, die ihnen buchstäblich den Boden unter den Füßen wegzuziehen droht. Das kann, wie geschildert, der Verkehrsunfall sein. Weitaus häufiger jedoch spielt sich das Geschehen im häuslichen Umfeld ab: Jemand stürzt, verstirbt im Bett, oder bricht zusammen und muss reanimiert werden. Von 107 Einsätzen waren im vergangenen Jahr laut Benker 58 solchen plötzlichen Todesfällen zuzuordnen.

Leitstelle alarmiert die Notfallseelsorge

Der Ablauf sei klar geregelt, betont die 49-jährige Selbstständige: Ist der Rettungsdienst der Ansicht, dass Angehörige, Augenzeugen, Ersthelfer oder Einsatzkräfte akut Hilfe benötigen, setzt er die Leitstelle darüber in Kenntnis. Diese alarmiert zunächst per digitalem Funkmelder ein Mitglied der Notfallseelsorge – immer zwei versehen gemeinsam einen Bereitschaftsdienst. In einem zweiten Schritt folgen dann detailliertere Informationen, ehe sich am Ort des Geschehens eine kurze Absprache anschließt.

Alles Weitere lässt sich nur bedingt vorhersagen. „Wir wissen nie, was uns im Einsatz erwartet“, so Benker, „und man darf keine Angst vor dieser Situation haben.“ Vorstellbar sei Vieles: selbstverletzendes Verhalten aus purer Verzweiflung, völlige Apathie, ein Schreikrampf.

Alexandra Benker, Notfallseelsorgerin Rudi Penk

Damit sich die Ärztinnen und Ärzte auf ihre Arbeit konzentrieren können, kümmern sich die Notfallseelsorger um die anderen Personen. Ohne zeitliches Limit: „Wir bleiben so lange, wie wir gebraucht werden“, sagt Benker, „deshalb war ich auch schon einmal die halbe Nacht vor Ort.“ Anneo-Rabus ergänzt: „Man entwickelt nach und nach ein Gefühl, wann man gehen sollte.“

Die Formen der Hilfe lassen sich nicht abschließend aufführen. Einfach da sein. Zuhören. Praktische Tipps geben, wie es weitergeht. Und: Mal jemanden in den Arm nehmen, „wobei wir als Frauen das leichter und selbstverständlicher tun können als Männer“, sagt Anneo-Rabus. Falls gewünscht, stehen auch zwei Notfallseelsorger muslimischen Glaubens zur Verfügung.

Notfallseelsorge verzeichnet steigende Einsatzzahlen

Laut Benker sind die Einsatzzahlen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Die Gründe sind vielfältig. Eine Rolle spielen dürfte die Zunahme psychischer Probleme - oft verbunden mit der Drohung, Suizid begehen zu wollen – ebenso wie die mittlerweile ausgeprägtere Bereitschaft der Rettungsdienste, die Notfallseelsorge zu verständigen. Unterm Strich bedarf es weiterer Kräfte, um die nun geworben werden soll.

Wer sich in der Notfallseelsorge engagieren möchte, hat keine klar abgegrenzten formalen Bedingungen zu erfüllen. Das gelte auch für den Beruf, sagt Benker. Interessierte sollten etwa 25 bis 70 Jahre alt sein, mit beiden Beinen im Leben stehen, psychische Belastbarkeit und Empathie mitbringen, zuhören können und Menschen mögen. Anneo-Rabus verweist zudem auf die erforderliche Flexibilität: Die Bereitschaften decken das gesamte Jahr ab, sind für jeden einzelnen Tag in einem Dienstplan festgehalten, beginnen und enden immer um 22 Uhr.

Nachbesprechungen im Anschluss an Einsätze

Wie geht es den Mitgliedern der Notfallseelsorge nach einem Einsatz? Beten und viel Sport: Alexandra Benkers Mischung, um das Erlebte zu verarbeiten. Außerdem gibt es Nachbesprechungen, und sämtliche Einsätze werden protokolliert. Immer wieder erkundigt sich zudem Pfarrer Rolf Wachter als Leiter der Notfallseelsorge über das Wohlergehen.

Auch Anna Anneo-Rabus hat ihren eigenen Weg gefunden. Ausgleich findet die Industriekauffrau in ihrem Beruf und im Naturtheater. Und manchmal braucht es keine großen Reden, sondern einen Film, um zur Ruhe zu kommen.

Einsätze können auch abgelehnt werden

Einen Einsatz abzulehnen ist jederzeit möglich. Die Entscheidung trifft der oder die Einzelne eigenständig, wenn es sich beispielsweise um eine persönlich bekannte Person handelt. Die Erfahrung zeige jedoch, sagt Benker, dass sich mehr aushalten lasse, als zunächst gedacht: „Die Notfallseelsorge ist auch deshalb unbeschreiblich bereichernd.“ Und sie ist trotz des ernsten Hintergrunds bisweilen auch mit einem Glücksgefühl verbunden, wie Anneo-Rabus anmerkt: „Du weißt, dass es den Einsatz wert ist, wenn jemand beim Abschied zu dir sagt: Danke, dass Sie da waren.“

Info-Abend zur Notfallseelsorge

Am Dienstag, 19. März, beginnt um 19.30 Uhr im Rot-Kreuz-Zentrum auf dem Heidenheimer Schlossberg ein Informationsabend. Neben Mitgliedern der von evangelischer und katholischer Kirche getragenen Notfallseelsorge ist auch der mit ihr zusammenarbeitende Kriseninterventionsdienst des Deutschen Roten Kreuzes vertreten. Interessierte erhalten Auskünfte zu Möglichkeiten der Mitarbeit und zur zugehörigen Ausbildung. Kontaktperson bei der Notfallseelsorge ist Pfarrer Rolf Wachter, E-Mail: rolf.wachter@elkw.de, beim Kriseninterventionsdienst ist die Leiterin Ilka Schleifer erreichbar unter psnv@drk-heidenheim.de.