Premiere bei der Karl-Rau-Halle

Weshalb die Heidenheimer Stadtgärtner im Dezember 1964 die Wasserschläuche hervorholten

Früher war nicht alles besser. Aber manchmal unkomplizierter als heute. Das bewiesen die Heidenheimer Stadtgärtner im Dezember 1964 und sorgten für eine Premiere.

60 Zentimeter. Gerade einmal so tief ist ein mit Wasser gefülltes Becken, das im Dezember 1964 in der englischen Stadt Eastbourne einem 39-Jährigen zum Verhängnis wird. Beim Sturz in das Bassin verliert er das Bewusstsein und friert bei Minusgraden fest. „Auch nach 48-stündiger Behandlung“, so teilt die Polizei später mit, „konnte er noch nicht völlig aufgetaut werden.“ Sein weiteres Schicksal bleibt den Zeitungslesern in Heidenheim verborgen.

Ganz und gar unbeschwert lassen sich dort die winterlichen Temperaturen genießen, die auf der gesamten Schwäbischen Alb mit heftigen Schneefällen einhergehen. Die Stadtgärtner spritzen 1000 Kubikmeter Wasser auf den Parkplatz der Karl-Rau-Halle, um binnen weniger Tage erstmals eine 60 mal 30 Meter große Eisbahn entstehen zu lassen. Albert Schwarz, Leiter des Schul- und Sportamts, sieht der Premiere gelassen entgegen: „Wir haben zwar keine Erfahrung in dieser Materie, werden aber unser Möglichstes tun, damit der Platz recht bald befahren werden kann.“

Brennholz wärmt bekanntlich zweimal: Wer vorsorgt, hat’s im Winter des Jahres 1964 zu Hause anschließend kuschelig. Foto: Archiv

Auf gewohntem Terrain bewegen sich derweil Kinder und Jugendliche wenige Hundert Meter entfernt: Mit untergeschnallten Skiern stürzen sie sich den Hang bei der Dreifaltigkeitskirche hinab. „Doch fehlten auch die Muttis nicht“, ist in der Heidenheimer Zeitung nachzulesen, „die mit ihren Kleinen auf dem Schlitten eine Rutschpartie wagten.“

Viele der eine Milliarde Lampen, die Osram zwischen 1945 und 1964 produziert, werden an Kraftfahrzeugen installiert. Das Herbrechtinger Werk stattet die meisten Pkw-Typen aus. Foto: Archiv

Während die mit einem Zweigwerk in Herbrechtingen vertretene Firma Osram stolz darauf verweist, seit 1945 eine Milliarde Lampen hergestellt zu haben, scheint ein Großteil davon an die Fassade des Kaufhauses Horten an der Heidenheimer Karlstraße geschraubt worden zu sein. Taghell in Szene gesetzt, umwerben die Auslagen dort die potenzielle Kundschaft.

Lichtermeer: Die Horten-Fassade erhellt 1964 kurz vor Weihnachten die Karlstraße. Foto: Archiv

Wer mit dem Auto zum Einkaufen in die Innenstadt kommt, muss sich dieser Tage mit einer Neuerung anfreunden: Als vorgezogenes Weihnachtsgeschäft nimmt die Verwaltung die neunte Lichtsignalanlage Heidenheims in Betrieb. Auch im Kreuzungsbereich zwischen Karl- und Olgastraße steuern jetzt Ampeln den Verkehr.

Nicht auf Links- und Rechtsabbieger achten müssen all jene, die mit dem Zug auf der Brenzbahn unterwegs sind. Ihnen stellt sinnigerweise der CDU-Landtagsabgeordnete Alfred Rauch eine Neuerung in Aussicht: Weniger Qualm soll die Heidenheimer belasten, sobald im Frühjahr 1965 nach und nach die Dampf- durch Dieselloks ersetzt werden. Parallel dazu entsteht auf der Südseite des Bahnhofs ein Parkplatz für die drei Bahnbusse, die zwischen Heidenheim und Ulm, Göppingen sowie Aalen pendeln.

Weil alte Anbauten abgerissen wurden, entsteht 1964 auf der Südseite des Heidenheimer Bahnhofs ein Parkplatz für Bahnbusse. Foto: Archiv

Geradezu Historisches geschieht währenddessen auf dem Zanger Berg: Die Gemeinnützige Baugesellschaft errichtet die erste Tiefgarage in Stadt und Kreis Heidenheim. Sie bietet Platz für 62 Fahrzeuge und kostet 400.000 Mark. In den 35 Mark Monatsmiete pro Abstellbox sind Garagenheizung und Wagenwäsche inbegriffen.

Dem Richtfest entgegen wächst der Neubau des Amtsgerichtsgefängnisses samt Beamtenwohnhaus. 1,6 Millionen Mark sind für das gesamte Vorhaben veranschlagt. Geplant sind sieben Zellen für Jugendliche, fünf für Frauen, 32 für Männer sowie zwei Drei-Mann-Zellen. Schon nahezu fertiggestellt ist der Rohbau des Fernheizwerks im Mittelrain. Schrittweise sollen drei Kessel installiert werden, um schlussendlich 5000 Menschen warme Wohnungen zu bescheren.

Fröstelt im Winter 1964 halbfertig vor sich hin: das Heizkraftwerk im Mittelrain. Foto: Archiv

Unterdessen lässt die Heidenheimer Stadtverwaltung die Leserinnen und Leser der HZ wissen, diesmal nur ein Mindestmaß an Glückwunschkarten zu Weihnachten und Neujahr zu versenden. Sie bittet die Bürger um Verständnis dafür, dass sich die Mitglieder des Gemeinderats dieser Regelung anschließen. Kein Wort allerdings zu den Gründen der Entscheidung.

So darf gemutmaßt werden, sie könnte als vorsorgliche Reaktion auf den Übermut von Kindern zu verstehen sein: Weil diese Schnee in mehrere Briefkästen der Post stopfen, können unleserlich gewordene Sendungen anschließend nicht mehr zugestellt werden.

Warum ausgerechnet 60 Jahre zurück?

Im Dezember 2008 war der Lokschuppen Schauplatz eines Festabends, bei dem eine seit 60 Jahren bestehende freie und unabhängige Presse in Heidenheim im Mittelpunkt stand. Damals mischten sich Aus- und Rückblicke. Unter anderem wurde die Idee geboren, regelmäßig in Erinnerung zu rufen, worüber die HZ jeweils 60 Jahre zuvor berichtet hatte. Die Serie startete mit der Rückschau auf 1949. Mittlerweile gilt das Augenmerk dem Jahr 1964.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar