Not macht erfinderisch. Auch finanzielle. Ein Beleg dafür ist die Spendenaktion, die von Mittwoch, 18. September, bis Samstag, 21. September, in der Heidenheimer Pauluskirche läuft. Jeweils zwischen 9 und 12 Uhr können Unterstützer dort eine Spende zugunsten der Vesperkirche abgeben. Beteiligen sich 1000 Personen mit jeweils zehn Euro, so legt ein anonymer Spender 1000 Euro aus eigener Tasche drauf.
Ernster Hintergrund dieser ausgefallenen Idee: Die Organisatoren suchen nach Wegen, den Fortbestand des ökumenischen Angebots verlässlich zu sichern. Angesichts der jüngsten Entwicklungen ist das ein anspruchsvolles Unterfangen. „Die finanzielle Situation macht uns Sorgen“, gibt Pfarrerin Almuth Kummer unumwunden zu und verweist auf einen Umstand, der diese Feststellung untermauert: Alle Mittel, die zweckgebunden auf der hohen Kante lagen, sind aufgebraucht.
Lebensmittelpreise und Gästezahlen führen zu höheren Ausgaben
2023 hatten der Rücklage 18.000 Euro entnommen werden müssen, um die Kosten decken zu können, 2024 waren es sogar 27.000 Euro gewesen. Die Frage nach den Ursachen beantwortet Kummer zum einen mit den stark gestiegenen Lebensmittelpreisen, „die wir alle ja auch privat erleben“. Zum anderen spielen die wachsenden Gästezahlen eine wesentliche Rolle.
Grundsätzlich senden sie ein positives Signal, weil sie belegen, dass die Vesperkirche ihrem eigenen Anspruch gerecht wird: Menschen – nicht nur bedürftige – zusammenbringen, Gespräche anregen, Kontakte initiieren. Gleichzeitig bedeuten sie eine enorme Herausforderung, wachsen doch parallel die Ausgaben.
Anzahl der Essen deutlich gestiegen
Zur Veranschaulichung: 2017 wurden 6300 Essen ausgegeben, 2020, ehe Corona das gesellschaftliche Leben weitgehend zum Erliegen brachte, waren es 7125. 2023, also nach dem offiziellen Ende der Pandemie, stieg die Zahl auf 8009, Anfang dieses Jahres dann auf 8436. Gleichzeitig erhöhte sich der Preis, zu dem eine Mahlzeit eingekauft werden musste. 2017 kamen dafür insgesamt 23.940 Euro zusammen, 2024 waren es dann schon 51.165 Euro.
Um eine ehrliche Rechnung aufmachen zu können, müssen freilich auch Aufwendungen für Heizung, vorübergehenden Umbau des Kirchenraums und dergleichen berücksichtigt werden. Alles in allem schlägt ein Essen daher mit rund acht Euro zu Buche.
Damit weiterhin auch Bedürftige in die Vesperkirche kommen können, die diesen Betrag nicht aufzubringen vermögen, gibt es keinen fixen Ausgabepreis. Stattdessen ist jeder gebeten, das Angebot seinen Möglichkeiten entsprechend zu honorieren. „Viele verfügen über ein sehr begrenztes Budget und können eben weniger oder gar nichts geben“, sagt Kummer, „wer aber in der Lage ist, sollte etwas mehr bezahlen.“
Ein solidarischer Ansatz, der in der Praxis allenfalls bedingt aufgeht: Die Einnahmen haben sich kaum verändert seit jener schon einige Jahre zurückliegenden Zeit, in der eine Essensportion generell für 1,50 Euro zu haben war. In einem an potenzielle Unterstützer adressierten Schreiben ist außerdem zu lesen, dass die Zuwendungen von außen, also Spenden, in den vergangenen vier Jahren von 17.000 auf nurmehr 10.000 Euro gesunken sind. Gleichzeitig stiegen die Gesamtkosten der Vesperkirche von 66.000 Euro im Jahr 2023 auf zuletzt 75.000 Euro.
Alt-Oberbürgermeister Bernhard Ilg übernimmt Schirmherrschaft
Kummer geht davon aus, dass 2025 mindestens 20.000 Euro zur Deckung der Unkosten fehlen, sollte sich die Lage nicht nachhaltig verbessern. Und genau dazu soll die eingangs beschriebene Spendenaktion beitragen, für die als Schirmherr der ehemalige Heidenheimer Oberbürgermeister Bernhard Ilg gewonnen werden konnte.
„Wir sind dringend auf finanzielle Unterstützung von Spenderinnen und Spendern angewiesen, die sich solidarisch mit den bedürftigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zeigen“, sagt Kummer. Nur so sei die Gastfreiheit für die Betroffenen aufrechtzuerhalten. Ihr Appell: Sponsoren, die den Fortbestand der Vesperkirche langfristig sichern, könnten dieses soziale Engagement offensiv mit ihrem Namen verknüpfen. In anderen Städten schrieben sich Firmen ein solches Verhalten längst stolz auf ihre Fahnen.
Keine öffentlichen Fördermittel
Öffentliche Fördermittel erhält die Vesperkirche nicht. Kummer freut sich daher auch über unerwartete Finanzspritzen. Dazu gehört die Entscheidung der Landeszahnärztekammer, in diesem Jahr den Vesperkirchen unter die Arme zu greifen. In die Reihe der Unterstützer fügt sich aktuell auch das Gitarrenduo Vivo ein. Den Spendenerlös seines Konzerts, das am Freitag, 13. September, um 20 Uhr im Café Talhof beginnt, will es an die Vesperkirche weiterleiten.
Es soll aber auch selber angepackt werden: „Wir hatten uns für eine Pfandsammelaktion beim FCH beworben“, sagt Kummer, „und haben für die Begegnung gegen den FC St. Pauli am 18. Spieltag der Bundesliga eine Zusage bekommen.“ Mit Wohlwollen wurde überdies der Beschluss des evangelischen Kirchenbezirks aufgenommen, bei einem möglichen Minus Rückendeckung zu gewähren.
Vesperkirche findet auch 2025 statt
Allen Schwierigkeiten zum Trotz bleibt Kummer bei ihrer schon im vergangenen Februar getroffenen Aussage, es werde auch 2025 eine Vesperkirche in Heidenheim geben: „Sie wird bestimmt stattfinden, denn wir sehen ja, wie wichtig sie ist.“ Dass viele Menschen diese Ansicht teilen, lässt sich an der großen Zahl Ehrenamtlicher ablesen, die sich Jahr für Jahr in den Dienst dieser guten Sache stellen.
Vesperkirche beginnt am 19. Januar 2025
Die nächste ökumenische Vesperkirche findet vom 19. Januar bis 12. Februar 2025 in der Pauluskirche statt. Sie hat dann täglich von 11 bis 14 Uhr geöffnet. Das Essen wird zwischen 11.30 und 13.30 Uhr ausgegeben.