Typischen Männerberuf gewählt

Weshalb die Schnaitheimerin Hannah Honold Fleischerin gelernt hat

Hannah Honold aus Schnaitheim hat Fleischerin gelernt und sich damit für einen Beruf entschieden, den immer noch überwiegend Männer ausüben. Was sie an ihm begeistert.

Es lebe das Klischee: Mädchen werden Krankenschwester oder Verkäuferin, Buben Elektriker oder Dachdecker. Was einst gegolten haben mag, nötigt Hannah Honold allenfalls ein müdes Lächeln ab: „Frauen können auch Männerberufe, und Männer können auch Frauenberufe“ sagt sie. Die 18-Jährige ist der personifizierte Beweis für diese Behauptung. Im Juli hat sie die Ausbildung zur Fleischerin abgeschlossen – nach verkürzter Lehrzeit und als Jahrgangsbeste.

Nachdem Hannah Honold die Schule verlassen hatte, wusste sie nur eines bestimmt: „Ein Bürojob war für mich undenkbar.“ Konkrete Berufspläne verfolgte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Dann regte ihr Vater an, sie könne sich doch zur Fleischerin ausbilden lassen – möglicherweise im elterlichen Betrieb, in dem Hannah schon häufig mitgeholfen hatte. Sie ließ sich auf den Vorschlag ein, „obwohl ich mir zunächst nicht vorstellen konnte, mit toten Tieren zu arbeiten“.

Die richtige Entscheidung getroffen

Jetzt, zwei Jahre und eine erfolgreiche Abschlussprüfung später, lässt sie rückblickend keinen Zweifel daran, seinerzeit die richtige Entscheidung getroffen zu haben: „Ich hätte nie gedacht, dass mir diese Arbeit so viel Spaß macht.“

Auszubildende in der Metzgerei der Eltern – hätte das nicht Konflikte mit sich bringen und gehörig nach hinten losgehen können? Grundsätzlich ja, räumt Hannah ein, nicht jedoch in ihrem Fall. Als zu gut bezeichnet sie das Verhältnis zu ihrem Vater und Lehrherrn, der zu keinem Zeitpunkt Druck ausübte, was Art, Ablauf und Ort der Lehre angeht. Vielmehr bot die Konstellation beispielsweise die Möglichkeit, insbesondere vor der Prüfung noch die eine oder andere Trainingseinheit zu ungewöhnlicher Zeit einzuschieben.

Lehrzeit von drei auf zwei Jahre verkürzt

Mit Erfolg: Weil Hannah einen Realschulabschluss mit Französisch mitbrachte, wurde die eigentlich dreijährige Lehrzeit von vornherein auf zweieinhalb Jahre verkürzt. Und angesichts der guten Leistungen bei der Zwischenprüfung fielen weitere sechs Monate weg. Am Ende war die 18-Jährige Beste unter den sieben Absolventen ihres Jahrgangs – neben fünf Männern auch zwei Frauen, bemerkenswerterweise die ersten nach drei Jahren Pause.

Die Auszubildenden aus Schwäbisch-Gmünd, Aalen und Heidenheim verbrachten die meiste Zeit im jeweiligen Betrieb, an einem Tag pro Woche trafen sie sich in der Berufsschule in Schwäbisch-Gmünd, außerdem kam als Vorbereitung auf die Prüfungen einmal im Monat praktischer Unterricht hinzu. Bearbeitet wurde eine große Bandbreite an Themen: Schlachten, Fleisch zerlegen, Maultaschen herstellen, Wurstplatten gestalten, Partyservice, Verkauf und noch einiges mehr.

Kein klassisches Gesellenstück

Im Unterschied zu anderen Handwerksberufen müssen angehende Fleischer und Fleischerinnen kein Gesellenstück anfertigen. Hannah überzeugte die Prüfungskommission stattdessen unter anderem mit ihrer selbst hergestellten Gelbwurst. Gerade dieser Bereich verleihe ihrem Beruf eine kreative Komponente, sagt sie: „Je nachdem, was die Natur gerade bietet, entsteht dann zum Beispiel auch mal Bärlauch-Leberkäse und Spargel-Lyoner.“

Bei allem gestalterischen Freiraum erinnert sie daran, dass sie allen Veränderungen zum Trotz keine typische Frauentätigkeit ausübt: „Es ist körperlich hart, und du brauchst mehr als dein Hirn.“ Gerade deshalb, so ihre Erfahrung, wird ihr immer wieder Respekt gezollt. Ab und an fange sie sich zwar schon mal einen Spruch, „aber das ist nie böse gemeint, und oft heißt es dann: Cool, was du da machst“.

Qualität, Liebe und Leidenschaft

Nicht lange überlegen muss sie, wenn es darum geht, jungen Menschen ihren Beruf schmackhaft zu machen. Einen besonderen Reiz und eine große Verantwortung sieht sie darin, Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen, die nicht in Plastik verpackt im Supermarkt liegen, „sondern frisch beim Metzger um die Ecke zu haben sind und mit Liebe und Leidenschaft hergestellt wurden, und deshalb darf mein Handwerk nicht aussterben“.

Glorifizieren will Hannah Honold ihr Tun gleichwohl nicht, räumt auch unumwunden ein, bei den persönlichen Vorlieben Abstriche zu machen: Schwartenmagen und Blutwurst vermögen sie nicht zu begeistern, Kalbsleberwurst und Salami dafür umso mehr. Und Salat kommt mit Blick auf die nötige Ausgewogenheit selbstverständlich auch regelmäßig auf den Tisch.

Trotz Maschineneinsatz: Wer als Fleischer bzw. Fleischerin arbeitet, muss kräftig anpacken können. Rudi Penk

Grundsätzlich ist ihr bei der Frage nach Ernährungsgewohnheiten in Anbetracht ethischer Erwägungen Toleranz wichtig – genauso wie ein auch an Vegetarier gerichtetes Angebot: „Wenn jemand kommt, und unsere Zucchinispieße kauft, dann freut mich das.“ Nicht anfreunden könnte sie sich persönlich hingegen mit einer veganen Ernährung. Im Fleisch seien Eisen und B-Vitamine enthalten, „und ich weiß nicht, ob es gesünder ist, diese wichtigen Stoffe durch Ergänzungsmittel zu ersetzen.“

Wohin ihr Weg sie führen wird, weiß Hannah Honold noch nicht. Sie hält vieles für denkbar: den Betrieb der Eltern zu übernehmen, eine eigene Metzgerei zu eröffnen, in die Qualitätskontrolle eines Lebensmittelkonzerns zu wechseln. In jeder Position aber, so viel scheint sicher, wird sie mit Stolz an ihren Berufseinstieg zurückdenken: „Ich glaube, ich war schon ein guter Stift.“

Noch freie Ausbildungsstellen

Dieser Tage beginnen zahlreiche junge Menschen ihre Berufsausbildung. Nicht immer passen Wunsch und Wirklichkeit auf Anhieb zusammen, und so sind laut der Agentur für Arbeit in Ostwürttemberg derzeit noch mehr als 1400 Ausbildungsstellen nicht besetzt. Beratungstermine können vereinbart werden unter Aalen.BiZ@arbeitsagentur.de.

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