Aus dem Archiv der Heidenheimer Zeitung

Weshalb im Januar 1964 die Müllabfuhr in Heidenheim für Diskussionen sorgt

Alles andere als beschaulich beginnt das Jahr 1964 im Landkreis Heidenheim. Ein Bankraub, Unfälle und Brände bestimmen die Schlagzeilen. Und die Müllabfuhr. Ein Blick ins Archiv der Heidenheimer Zeitung.

60 Gemeinschaftsanschlüsse mit dreistelligen Telefonnummern sind Anfang 1964 im Giengener Fernsprechwählamt registriert. Hinzu kommen überschaubare 500 Einzelanschlüsse. Höchste Zeit also, die Kapazitäten zu erweitern, schließlich verbessert jeder zusätzliche Apparat die Möglichkeit, jederzeit mit jemandem in Kontakt zu treten, der sich außerhalb der Rufweite einer auf einem Balkon stehenden Person befindet.

Die Deutsche Bundespost greift tief in ihren Werkzeugkasten und schaltet 300 neue Anschlüsse frei. Sie sind vierstellig und reichen von 7.100 bis 7.399. Der Erfahrung der telekommunikativen Fachleute zufolge sollte sich damit der Bedarf der folgenden zwei Jahre decken lassen. Zum Vergleich: Im amtlichen Fernsprechbuch der Stadt Heidenheim stehen rund 3.000 Telefonnummern.

Vier neue Telefonzellen in Heidenheim

Handys sind ferne Zukunft, Telefonzellen noch kein Auslaufmodell. Im Gegenteil: Der Vorsteher des Heidenheimer Hauptpostamts stellt den Antrag, ihre Anzahl im Stadtgebiet um vier auf 25 zu erhöhen – beim Einzelpreis von 8.000 Mark eine Kostenfrage. Zumal die Stuttgarter Oberpostdirektion strikt auf Wirtschaftlichkeit achtet. Wirft eine Zelle weniger als 150 Mark im Monat ab, gilt sie als unrentabel. Zum Vergleich: Bei 20 Pfennig pro Ortsgespräch bringt der meistgenutzte Apparat 800 Mark ein.

Fast zehnmal so viel erbeutet ein Bankräuber in Böhmenkirch. Am 31. Januar gegen 10.15 Uhr bedroht der Mann die Filialleiterin mit einer Pistole und lässt sich das Bargeld aushändigen. Anschließend macht er sich aus dem Staub und hinterlässt nur eine karge Personenbeschreibung: ungefähr 1,65 Meter groß, verlebtes Gesicht, Menjou-Bärtchen.

Bankräuber flüchtet mit gestohlenem Pkw

Schon wenige Minuten nach dem Überfall sind zahlreiche Polizisten aus Heidenheim, Göppingen, Geislingen und Ulm am Ort des Geschehens. Sie finden allerdings nur zahlreiche Schaulustige vor. Der Täter flüchtet mit einem tags zuvor in Eislingen gestohlenen Pkw, lässt ihn in Söhnstetten stehen und taucht unter.

Weitere Autos machen in diesen Tagen traurige Schlagzeilen. Zunächst stirbt eine 18-jährige Studentin aus Australien bei einem Unfall auf der Bundesstraße 19 zwischen Schnaitheim und Heidenheim. Sie wird aus einem Wagen geschleudert, der auf eisglatter Fahrbahn ins Schleudern gerät und gegen ein anderes Fahrzeug prallt. Die Polizei ermittelt zudem einen Autofahrer, der in der Nacht zum Heiligen Abend 1963 an der Giengener Straße in Heidenheim einen 22-jährigen Fußgänger erfasst und ihm tödliche Verletzungen zufügt.

Zu Beginn des Jahres 1964 ereignen sich auf winterlichen Straßen mehrere Unfälle im Landkreis Heidenheim. Archiv

Auch der Einsatz der Feuerwehr ist kurz nach Jahresbeginn mehrfach gefragt. Dramatische Szenen spielen sich am 18. Januar gegen 23 Uhr beim Dudelhof nahe Söhnstetten ab, wo Polizeiangaben zufolge ein im Schweinestall angebrachter Infrarotstrahler eines der vier Gehöfte in Brand setzt. Als eine Nachbarin gegen ein Fenster trommelt und die Bewohner auf das Unglück aufmerksam macht, schlagen bereits Flammen aus dem Dachstuhl. In aller Eile werden zwei Kinder gerettet, die im Obergeschoss schlafen.

Wegen des starken Rauchs ist das Telefon nicht zu greifen. Ein Anlieger fährt deshalb mit dem Moped ins Dorf und alarmiert die Wehr. Bis diese am Unglücksort eintrifft, vergeht wertvolle Zeit. Grund: Sie verfügt nur über eine Tragkraftspritze. Probleme bereitet es zudem, unter der Eisdecke auf der Straße die drei Hydranten zu finden. Gemeinsam mit den Rettungskräften aus Heidenheim und Gerstetten gelingt es aber, die Nachbarhäuser zu retten.

Feuer zerstört 400 Jahre altes Haus in Zöschingen

Wenige Tage später zerstört ein Feuer eines der ältesten und eines der neuesten Gebäude Zöschingens – ein gut 400 Jahre altes Wohnhaus und eine erst drei Jahre zuvor errichtete Scheune. Alle Tiere und fast das gesamte Inventar können zwar in Sicherheit gebracht werden. Allerdings entsteht Sachschaden in Höhe von 150.000 Mark. Die Brandursache lässt sich zunächst nicht ermitteln.

Völlig gefahrlos und kontrolliert gehen währenddessen die Vorbereitungen für den Abriss der Brenzschule in Heidenheim vonstatten. An ihrem Standort soll für den Verkehr eine Verbindung zur Grabenstraße geschaffen werden.

Die Heidenheimer Brenzschule (großes Gebäude in der Bildmitte) wartet 1964 auf ihren Abriss. Links die Gaststätte der Brauerei Neff, später „Poseidon“. Archiv

Erstaunlich hoch ist unterdessen der Verschleiß an Mülleimern. Tag für Tag bleibt durchschnittlich ein halbes Dutzend auf der Strecke. Grund: Werden sie so vollgestopft, dass sich der Deckel nicht mehr schließen lässt, ramponiert sie die neue, vollautomatische Entleerungsvorrichtung. Schadensersatz leistet die Verwaltung nicht. Sie rät stattdessen, einen weiteren Eimer anzuschaffen, falls einer nicht ausreicht. Heißt: Wer sparen will, zahlt mehr. Offen ist derweil, ob sich die Folgen eines Unfalls in Mergelstetten auf die Gebührenkalkulation auswirken. Dort streift ein Lastwagen der US-Armee ein Müllfahrzeug. Schaden: 108 Mark.

Garantiert draufzahlen muss ein Autofahrer, der zwischen Gerstetten und Heidenheim von der Straße abkommt und sein nicht mehr fahrtüchtiges Vehikel über Weihnachten und Neujahr einfach im offenen Gelände stehen lässt. Als er es nach Neujahr endlich abholen möchte, haben sich längst Unbekannte an dem zum Wrack mutierten Pkw bedient. Wasserpumpe, Kühler, Verteiler, Vergaser, Lichtmaschine, Armaturen, Räder: alles weg.

Warum ausgerechnet 60 Jahre zurück?

Im Dezember 2008 war der Lokschuppen Schauplatz eines Festabends, bei dem eine seit 60 Jahren bestehende freie und unabhängige Presse in Heidenheim im Mittelpunkt stand. Damals mischten sich Aus- und Rückblicke. Unter anderem wurde die Idee geboren, regelmäßig in Erinnerung zu rufen, worüber die HZ jeweils 60 Jahre zuvor berichtet hatte. Die Serie startete mit der Rückschau auf 1949. Mittlerweile gilt das Augenmerk dem Jahr 1964.

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