So gedachte man am 8. November in Schnaitheim des Hitler-Attentäters Georg Elser
Gedenkfeiern weisen oftmals über den eigentlichen Anlass hinaus. Erinnert beispielsweise die Stadt Heidenheim an das Attentat Georg Elsers auf Adolf Hitler vom 8. November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller, dann geht dieser Akt regelmäßig mit der Aufforderung einher, die Demokratie nicht als Selbstverständlichkeit zu sehen. Das war in der Vergangenheit vielfach der Fall. Und auch jetzt wieder, als Bürgermeisterin Simone Maiwald das Geschehen an jenem Novembertag vor 84 Jahren wachrief.
Längst Geschichte, und vor allem vielen Jüngeren gar nicht bekannt, birgt die Rückbesinnung auf Elsers Tat einen Appell, der angesichts vieler aktueller Geschehnisse im In- und Ausland dringlicher nicht sein könnte: Wer dauerhaft in einer friedlichen Gesellschaft leben möchte, darf nicht davon ausgehen, dieses Privileg per Fernbedienung vom Sofa aus anfordern zu können. Vielmehr ist es mitunter unumgänglich, zumindest die Stimme zu erheben, wenn Hass, Drohungen und Übergriffe Wohlergehen und Zusammenhalt gefährden.
Ähnlich hatte es Maiwald schon im vergangenen Jahr formuliert und von einem Tag gesprochen, „der uns zu Wachsamkeit und Zivilcourage mahnt, der uns daran erinnert, dass Freiheit und Demokratie nicht einfach vom Himmel fallen und niemals auf Ewigkeit gesichert sind“. Vor allem mit Blick auf die derzeitigen Entwicklungen zeige sich, dass ein friedvolles Miteinander in Europa und auf der ganzen Welt ein fragiles Gut sei, und dass Frieden, Freiheit und Wohlstand, „die wir viele Jahrzehnte als Selbstverständlichkeit angesehen haben, eben dies nicht sind“.
Es liege an jedem Einzelnen, so Maiwald, ein friedvolles Beisammen in der Welt zu fördern, zu bewahren, manchmal lautstark einzufordern und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Sie schloss auch den Krieg im Nahen Osten in den an die Anwesenden gerichteten Aufruf ein, die Heidenheimer Erinnerungskultur weiter auszubauen.
Bürgermeisterin Maiwald zitiert die "Weiße Rose"
Dass Erinnerung kein Verfallsdatum hat, vielmehr eine Verpflichtung für die Gesellschaft darstellt, verdeutlichte die Bürgermeisterin anhand eines 1943 von der Widerstandsgruppe Weiße Rose publizierten Satzes: „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt. Entscheidet Euch, ehe es zu spät ist.“ Heißt mit den Worten Maiwalds und übertragen auf die heutige Zeit, dass es nach wie vor unerlässlich ist, die damals propagierten Werte, die auch Einzug ins Grundgesetz fanden, zu bewahren: Aus Gleichgültigkeit aufwachen, die Stimme erheben, Frieden, Freiheit und die Würde der anderen achten.
Vorbildfunktion von Widerständlern
Diesen Vorgaben vor acht Jahrzehnten gerecht zu werden, erforderte ein aus heutiger Warte unvorstellbares Maß an Mut. Maiwald sprach denn mit Blick auf die Widerständler auch von rar gesäten Vorbildern. Umso zwingender und notwendiger ist es deshalb ihrer Meinung nach, „eben diejenigen herauszuheben, die bis zum Einsatz ihres Lebens für Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde eingetreten sind“. Der Appell der „Weißen Rose“ müsse „Vermächtnis und Auftrag sein, unsere Demokratie zu verteidigen“. Zum Widerspruch fordere heraus, wenn Menschen heute das Erinnern verhindern wollten, Andersdenkenden drohten, nur ihre eigene Perspektive gelten ließen und Fakten leugneten, so Maiwald.
Lesung von Hirscheck-Schülern über Georg Elser
Die Gedenkfeier in der Georg-Elser-Anlage wurde mitgestaltet vom Bläserensemble des Musikvereins Schnaitheim. Schülerinnen und Schüler der Hirscheckschule verdichteten Leben und Tat Georg Elsers in einer kurzen Lesung. Aufmerksam verfolgte diese nicht nur Bürgermeisterin Simone Maiwald, die zuvor eingefordert hatte, möglichst viel Wissen über Vergangenheit und Gegenwart zugänglich zu machen. Erfreut zeigte sie sich auch ob des Eindrucks, dass von Jahr zu Jahr mehr Interessierte zur Elser-Gedenkfeier nach Schnaitheim kämen. Diesmal waren es rund drei Dutzend.