Leichtigkeit des Spiels

Wawau-Adler-Quartett begeistert mit Jazz in der Heidenheimer DHBW

Das begeisterte Publikum ließ das Wawau-Adler-Quartett nach seinem Auftritt in der alten DHBW in Heidenheim erst nach zwei Zugaben von der Bühne.

Sind Geist und Seele wirklich so programmiert? Sobald die ersten Gitarrentöne im Gipsy Jazz aufperlen, wandert das innere Ich in den Süden Frankreichs, schaut man auf weite Lavendelfelder und spürt den trockenen Mistral auf der Haut. Irgendwie hängen diese Assoziationen zusammen mit dem Mann, der den Jazz Manouche quasi erfunden hat und damit zugleich den ersten europäischen Jazz. Django Reinhardt (1910 – 1953) ist bis heute Leitstern all derer, die diese Musik in sich spüren. Seine Spieltechnik, erzwungen auch durch Verbrennungen an der Griffhand, ist zur Konstante dieser Musik geworden, die in den 1930er Jahren im Quintette du Hot Club de France ihren bekanntesten Ausdruck gefunden hatte. Vergangenheit? Nein, Musiker wie Wawau Adler, 1967 geboren, und seine Mitspieler geben dem Jazz Manouche eine Zukunft. Erst nach zwei Zugaben ließ das begeisterte Publikum von Jazz Heidenheim am Freitagabend die Musiker von der Bühne. Und diese dürften auch gespürt haben, wies sehr sie den Zuhörern an diesem Abend in der Alten DHBW Freude bereitet hatten.

Mit höchstem Tempo

Die offenkundigen Besonderheiten des Jazz Manouche: es gibt kein Schlagzeug, es dominieren die Saiteninstrumente, die Gitarre wird anders angeschlagen, Akkorde werden oft gebrochen gespielt – und es geht alles sehr schnell. Eigentlich paradox: Gerade der Jazz, der so viel Gelassenheit ausströmt, entsteht bei höchstem Tempo. Und diesem ist Wawau Adler, der schon im Alter von 13 Konzerte gegeben hat, immer noch einen Schlag voraus. Es ist virtuos, wie der Karlsruher über die Bünde gleitet, von der Melodie in Akkorde wechselt, mit Breaks und Barrè-Verschiebungen, die Energie und Intensität der Musik nochmals steigert: Der Fluss der Musik führt bei Adler auch über Katarakte. Dabei bewältigt Adler seine musikalischen Abenteuer in einer absolut lässigen Sitzhaltung.

Immer im Blick von Wawau Adler: Jan Prax. Die zufällige Begegnung mit dem ebenfalls aus Karlsruhe stammenden Multi-Instrumentalisten, der am Alt-Saxophon seine große Freude gefunden hat, war für das Adler-Trio ein Gewinn. Adler und Prax verstehen sich blendend, stehen sich technisch und musikalisch nicht nach und haben sichtbar Freude am „battle“. Wie sie sich anspornten beim Improvisieren, ließ im Raum niemand kalt. Dass Prax das erste Solo im Konzert (und dies bei einem Stück von Django Reinhardt) spielen durfte, zeigt, wie gut das Quartett harmoniert. Prax spielt ein flüssiges Saxophon ohne Pressen und ohne emotionale Ausbrüche. Aber mit einem feinen Ton Rauheit. Er ist nicht der seidige Schmeichler, er pointiert. Jede Note hat ihren Wert. Adler bezeichnete Prax schlicht als „sensationellen Musiker“ Nicht nur beim Stück „Kolibri“ waren beide in perfekter Einheit zu hören.

Mit Noten kennt sich auch Hono Winterstein aus, ebenfalls ein sehr großer Name im Gipsy Jazz. Ohne den Rhythmus-Gitarristen könnten Prax und Adler nicht zu Höhenflügen startet. Das heißt aber nicht, Winterstein könnte es beim simplen Takthalten bewenden lassen. Er bettet vielmehr die Melodie auf Akkorde. Was auch bedeuten kann, dass jeder Anschlag der Saiten einen neuen Mehrklang fordert. An der Griffhand von Adler liest Winterstein ab, was von ihm verlangt wird.

Auch der Bassist kann sich beim Jazz Manouche nicht ausruhen. Auch für ihn ist beim Greifen und Zupfen der dicken Saiten des Kontrabasses hohes Tempo Pflicht. Joel Locher, offenkundig ein Meister der guten Laune, imponierte mit immens schnellen Läufen, in denen er die Melodie immer im Griff hatte. „Sehr erstaunlich, was er mit dem Bass macht“, spendete Adler seinem langjährigen Gefährten ein Kompliment. Begonnen hat der 42-jährige Stuttgarter mit klassischer Musik. Auch er überzeugte wie alle anderen Musiker auf der Bühne mit der Leichtigkeit des Spiels.

Als die Lichttechnik von Jazz Heidenheim blaue Lichtreflexe auf das Griffbrett von Wawau Adlers Gitarre zauberte, die Gruppe zum Abschied Hono Wintersteins Komposition „Lune de Miel 2020“ spielte, war tatsächlich doch alles im Raum: der Süden Frankreichs, die Lavendelfelder, der Mistral, die blaue Stunde.

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