Wie das Mordopfer in seine missliche Lage geraten war
Was für ein Mensch war der 50-jährige Heidenheimer, der in der Nacht auf den 14. März dieses Jahres in seiner Wohnung mit einem Kantholz totgeprügelt wurde, und wie konnte es soweit kommen, dass einer seiner Freunde oder zumindest ein guter Bekannter der mutmaßliche Täter ist? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Schwurgerichtskammer des Ellwanger Landgerichts am Montag bei der Fortsetzung des Mordprozesses gegen einen 35-jährigen Heidenheimer, dem die Tat zur Last gelegt wird. Noch in dieser Woche wird das Urteil erwartet.
Die Adoptivmutter des Opfers beschrieb den Lebensweg des 50-Jährigen, dessen leibliche Mutter ihn nie zu Gesicht bekommen habe. „Ich habe ihn im Alter von drei Wochen aus dem Heim geholt“ erzählte die 74-Jährige, die zum damaligen Zeitpunkt schon einen vierjährigen leiblichen Sohn hatte. „Er war schon im Säuglingsalter auffällig“, beschrieb sie ihren jüngeren Sohn, er habe beispielsweise nur minimierten Blickkontakt zu ihr aufgenommen. Auch in Kindergarten und Schule habe er Probleme gehabt, immer wieder die Tendenz gezeigt wegzulaufen. Entsprechend schlecht seien auch die schulischen Leistungen gewesen, wobei es ihm gelungen sei, einen Hauptschulabschluss zu erwerben.
Beruf und eigene Familie
Danach ging es zunächst sehr hoffnungsvoll weiter: Der junge Mann konnte im Berufsbildungswerk in Waiblingen die Ausbildung zum Druckfachwerker abschließen, lernte eine Frau kennen, heiratete und wurde Vater einer Tochter. Die junge Familie lebte in Stuttgart. Aber schon nach zwei Jahren sei die Ehe geschieden worden, da er begonnen hatte, zu trinken. Daraufhin sei er wieder zurück nach Heidenheim gekommen, berichtete die Mutter. Anfangs habe sie ihm immer wieder Stellen vermittelt, in Druckereien und bei Zeitarbeitsfirmen. Aber die Weglauftendenzen seien geblieben, der Mann schaffte nie den Einstieg in ein geregeltes Arbeitsleben. Irgendwann stellte sich eine beginnende Alkoholdemenz ein, „das war wirklich schrecklich“, so die 74-Jährige.
20 Jahre lang war er Mieter der einfachen Wohnung an der Degenhardstraße, habe es geschätzt, dort selbstständig leben zu können. Unterstützt wurde er von seiner Mutter und einem gesetzlichen Betreuer, der sich um rechtliche und finanzielle Dinge kümmerte. „Ab 2020 kamen dann die Mitbewohner, mit denen es eskaliert ist“, erzählte die Mutter vor Gericht. Sie berichtete – teilweise unter Tränen – von den schrecklichen Polizeieinsätzen, zu denen es gekommen sei, weil in der Wohnung ihres Sohnes Trinkgelage stattfanden, bei denen es laut wurde. Aber nicht nur das: „Er wurde genötigt, bestohlen und erpresst“, so die Mutter.
Auf Teppich und Sofa uriniert
Auch die Tatsache, dass ihr Sohn ein Umfeld hatte, das sich um ihn kümmerte, sei von der Clique, zu der auch der mutmaßliche Täter gehörte, ständig ausgenutzt worden. So habe sie ihrem Sohn mehrfach Handys und SIM-Karten gekauft, die ihm immer wieder abgenommen worden seien. In der Nacht auf den 30. November 2022 sei es zu einem Angriff auf ihren Sohn gekommen, weil der Angeklagte betrunken und nackt bei ihm in der Wohnung lag, wo man zusammen ein Fußballspiel angeschaut hatte. „Er hat sich nackt von innen vor die Tür gelegt, nachdem er zuvor schon auf den Teppich und aufs Sofa uriniert hatte“, erzählte die Mutter. Davon habe man ihr ein Video gezeigt. Als der 50-Jährige den Angeklagten wecken wollte, damit dieser seine Wohnung verlässt, habe er ihn geschlagen und sein Nasenbein gebrochen. Wie ihr Sohn danach aussah, konnte man auf Bildern sehen, die die Mutter mitgebracht hatte.
Kontaktverbote haben nichts genützt
Der Betreuer des Mannes, ein 60-jähriger Sozialpädagoge, berichtete von einem weiteren Vorfall, der sich schon am 13. Oktober zugetragen hatte. Dabei sei seinem Klienten Nasen- und Jochbein gebrochen worden. Das Opfer der Schläge habe zuerst einen anderen Mann dafür verantwortlich gemacht, später habe sich aber herausgestellt, dass der Täter wohl doch der Angeklagte gewesen sein soll. Der Betreuer schilderte seinen Klienten als ruhigen, angenehmen und gutmütigen Menschen, mit dem er höchstens dann in Streit geriet, wenn mal das Geld nicht ausreichte, das er wöchentlich in drei kleinen Einheiten von ihm bekam. „In den letzten zwei Jahren gab es immer öfter Stress wegen des Geldes“, so der Betreuer.
Vor allem eine Frau, die auch in der Mordnacht auf dem Sofa des Opfers schlief, machte er dafür verantwortlich: „Sie hat sich bei ihm eingenistet“, berichtete er. Der 50-Jährige habe die Frau, die keine Bleibe hatte, nicht vor die Tür setzen wollen. „Wenn sie da war, haben sich auch andere, männliche Besucher eingestellt“, so der Betreuer. Kontaktverbote gab es sowohl für die Frau als auch für den Angeklagten und einen weiteren Zeugen, der in der Mordnacht anwesend war. Eingehalten wurden diese Anordnungen aber nicht, auch ihr Sohn sei da nicht konsequent gewesen, berichtete die Mutter.
Zusammen mit dem Betreuer versuchte die verzweifelte Frau, ihren Sohn in einem betreuten Wohnheim unterzubringen. Anfangs habe dieser sich immer dagegen gewehrt, weil er Angst gehabt habe, seine Freiheit zu verlieren. Ungefähr zehn Tage vor seinem Tod habe er aber schließlich eingewilligt, weil die Situation in seinem Umfeld so schlimm geworden sei. Alles sei vorbereitet gewesen für den Umzug, auch die Kostenübernahme geklärt, er hätte ein schönes Zimmer in einer Wohngemeinschaft bekommen können. Aber am Ende kamen alle Bemühungen von außen für den Mann zu spät.
Fortsetzung folgt am Dienstag
Der Prozess wird am Dienstag (24. Oktober) um 9.30 Uhr vor dem Landgericht Ellwangen fortgesetzt. Das Urteil wird am Mittwoch erwartet.