Man ahnte schon im Vorfeld, es würde ein besonderes Stück zu sehen sein. Und tatsächlich: was das Naturtheaterteam mit „Dienstags bei Morrie“ auf die Bühne bringt, ist tief beeindruckend.
Das Theaterstück basiert auf realen Erlebnissen. Mitch Albom ist 37 und hat alles: eine steile Karriere als gefeierter Sportjournalist, ein Haus, viele Autos, eine Verlobte – und ist doch gefangen in seinem dauernden Streben nach mehr. Mehr Anerkennung, mehr Termine, mehr Jugendlichkeit, mehr Autos. In seinen jungen Jahren wollte er Musiker werden, er war begabt, spielte in Jazzkneipen und studierte bei seinem Lieblingsprofessor Morris Schwartz, den er liebevoll „Coach“ nannte, Soziologie. Er schloss die Universität ab, verabschiedete sich von seinem Lehrer – und brach sein mehrfach gegebenes Versprechen, mit ihm in Kontakt zu bleiben. Mitch gab seine Leidenschaft, die Musik, auf und wurde Journalist – erfolgreich und von Ängsten gejagt, ein anderer, Jüngerer, Besserer, könnte ihm den Platz streitig machen. In einer landesweiten Fernsehsendung sieht Mitch eines Tages seinen alten Professor. Dieser erzählt von seiner Krankheit ALS, einer unheilbaren Muskelschwäche, an der er sterben werde. Mitch beschließt großzügig, den Professor mal kurz „für eine gute Tat“, wie er ins Telefon brüllt, zu besuchen. Und dieser Besuch an einem Dienstag verändert sein Leben. Denn aus dem mitleidigen Kurztrip wird eine Reihe von intensiven Gesprächen über das Leben und den Tod, über verzeihen und Abschied nehmen – jeden Dienstag fliegt der Journalist nun zu dem im Sterben Liegenden, und diese Besuche lehren Mitch, zurück in sein eigenes Leben zu finden, zu dem, was wirklich zählt, zu seinen Gefühlen von Tauer und Schmerz, Liebe und Lebensfreude.
Schauspielerische Glanzleistung beider Hauptpersonen
Was die beiden Schauspieler, Manuel Meiswinkel als Morrie Schwartz und Günther Herzog als Mitch Albom, da zeigen, ist eine schauspielerische Glanzleistung, und man hätte zeitweise im voll besetzten Saal des Naturtheatercafés eine Stecknadel fallen hören können. Die Zuschauerinnen und Zuschauer, Jung bis Alt, erlebten bei beiden Figuren eine mitreißende und vollkommen überzeugende Wandlung: Meiswinkel verkörpert den alten, geistig wachen und liebevollen Professor mit all seinem körperlichen Verfall so intensiv, dass man zwischendurch, wie er als Kranker, selber keine Luft mehr bekam. Und Herzog spielt den gestressten, wichtigen, in Wahrheit in seinem Leben vollkommen verirrten Journalisten, der langsam den Boden und die Liebe, auch seinen Humor und Zeit für das Wesentliche wiederfindet, ebenso grandios und überzeugend.
Das Besondere an dem so ernsten wie nachhallenden Stück ist, dass man als Zuschauer und Zuschauerin einerseits über die existenziellen Fragen des Journalisten und die liebevollen Antworten des Kranken staunt, wie auch an vielen, vielen Stellen lauthals lachen und erleichtert aufatmen kann.
Dialoge und Musik sitzen
Die Inszenierung von Karsten Tanzmann unter Regieassistenz von Simone und Renate Heckele (Erstere gibt auch überzeugend die stille, verlässliche Krankenpflegerin Connie) ist fantastisch. Jeder Dialog, jede Beleuchtung, jede Musik (herausragend und mitreißend eingesungen von Dina Tanzmann „The Very Thought Of You“) und jede Stille im Stück sitzt perfekt. Beide Male, sowohl vor der Pause als auch am Ende, war das Publikum so gefangen, dass es erst nach einem tiefen Atmen und Heraustreten aus dem Stück seine Begeisterung durch nun umso länger anhaltenden Applaus und Jubel zum Ausdruck bringen konnte.
Ein hoch spannender, vergnüglicher und eindrücklicher Theaterabend. Ein Besuch des Stückes, ab 14 Jahren empfohlen, ist unbedingt lohnenswert.
Die weiteren Aufführungen
Das Theaterstück „Dienstags bei Morrie“ entstand nach dem gleichnamigen Roman des Journalisten Mitchell „Mitch“ Albom über die Gespräche mit seinem an ALS erkrankten und 1995 verstorbenen Soziologieprofessor Morris „Morrie“ Schwartz. Weitere Aufführungen im Naturtheater sind am heutigen Samstag sowie von Donnerstag bis Samstag, 22. bis 24. Februar, jeweils um 20 Uhr zu sehen.