Gaisburger Marsch ist ein Eintopf. Das ist so, und das bleibt so. Ganz unabhängig von den Zutaten. Vegetarisch ist er nicht. Von vegan ganz zu schweigen. Ein bisschen altmodisch halt. Aber aus der Küche nicht fortzukriegen. Trotzdem darf, wer daraus eine Offenbarung zaubern möchte, seine Kochmütze nicht nur zum Zwecke der Verhinderung dessen tragen, dass Haare in die Brühe fallen.
Dazu braucht’s einen Spitzenkoch. Oder, zubereitet wird schließlich kein Brei, auch zwei Spitzenköche. Jedenfalls waren Wolfram Karrer und Gerd Plankenhorn keiner zu viel und keiner zu wenig auf der Bühne am Donnerstag im Lokschuppen. „Schwäbisch à la carte“. Dafür gibt’s drei Sterne.
Denn mit so etwas konnte man schlichtweg nicht rechnen. Ein Kabarett zum Thema Küche? Was würde dabei schon herumkommen? Im schlimmsten Falle ein paar schlüpfrige Bratpfannenwitze. Aber im besten Fall? Tatsächlich „Gaisburger Marsch“. Und was die Sendboten des Theaters Lindenhof unter diesem Programmtitel aus Melchingen mitgebracht hatten, war so überraschend anders, so jenseits von all dem, was man sich erwartet hatte, dass man sich das Ganze noch am selben Abend glatt gleich ein zweites Mal hätte servieren lassen.
Griechischer Gang
Darüber, was die beste Zutat für einen großen Kleinkunstabend sei, mag man immerhin streiten können. Unstreitig aber ist, dass es am Herd des Kabaretts nie schaden kann, kein sprachlicher Schmalhans zu sein. Und für den Küchenmeister, der nicht ohnehin nur Schenkelklopfer auftischen will, gilt das erst recht. Insofern hatte man es im Lokschuppen schon einmal eindeutig mit veritablen Chefs zu tun.
Zudem setzen Wolfram Karrer und Gerd Plankenhorn unter der sehr offensichtlich mehr als gelungenen Regie von Heiner Kondschak darauf, dass man ihnen auch wirklich zuhört. Und wer sich darauf einließ, wurde mehr als bloß satt. Der genoss dabei auch noch. Genoss einen Gang nach dem anderen unausgesetzt alles, wirklich alles, was man sich auf der Speisekarte des gehobenen Humors wünschen kann.
Man genoss Doppelbödigkeiten, Hinterhältigkeiten, Abschweifungen, regelrechte Umwege, Boshaftigkeiten, Streicheleinheiten, auch einmal einen gezielten Schuss knapp daneben, zarte, ja zärtliche Andeutungen ebenso wie mächtige Kalauer vom Zuschnitt eines Rostbratens: „In Griechenland hat jeder ein Gyros-Konto, das ist bei denen so Ouzo.“
Welttheater mit Musik
Weiterhin fragten sich Sterneköche, wie man das Prekariat von der Gaststube fernhalten kann, moderne Ess-Sportler des Bewusstseinsbewussten 21. Jahrhunderts suchten nach glutenfreien Turnschuhen – und eine Karotte wurde nach einer mit chirurgischer Präzision vorgenommenen Wurzelbehandlung als Musikinstrument wiedergeboren.
Apropos Musik. Selbstverständlich kann man den Gaisburger Marsch auch auf der Trompoete blasen. Und bei aller sprachlichen Fülle und schauspielerischer Präsenz, mit der Gerd Plankenhorn und Wolfram Karrer schnippelten, schmorten, kochten, brieten, war – und das will etwas heißen bei der allgemeinen Qualität, die bei ihnen so absolut selbstverständlich daherkommt –, die Musik doch die vielleicht allerbeste Zutat dieses großartigen Abends in der kleinen schwäbischen Küche, die am Ende erkenntnistechnisch eben auch so eine Art großes Welttheater ist: „D’r Salad isch frisch, aber d’r Fisch hod Gräda.“
Ein Welttheater mit Musik. Und mit Rappern, die den Mehlmotten-Wrap ums Kraut wickelten oder in Heidenheim einen Flamenco heraushauten, den man garantiert auch in Sevilla auf Anhieb verstanden hätte, selbst wenn einem dort der Titel „Spätzle ghörad gschabt“ womöglich ein wenig spanisch vorkommen wäre.
Das alles gipfelte im absoluten Höhepunkt des Abends, dem „Ausdruckstanz der kleinen Knollenblätterpilze“. Den allerdings muss man gesehen haben. Beschreiben kann man ihn nicht.
Weiter geht's im nächsten Jahr
Wenn die „Kulturschiene“ im Heidenheimer Lokschuppen das nächste Mal öffnet, wird schon 2025 sein. Am Donnerstag, 16. Januar, lautet dann ab 20 Uhr das Motto „Jump reloaded“. Zu Gast sein wird „Starbugs Comedy“. Eintrittskarten sind im Ticketshop des Pressehauses erhältlich.