Lesung

Wie der „Arzt ohne Grenzen“ Tankred Stöbe in der Stadtbibliothek Heidenheim Mut mit Menschlichkeit verband

Bei der Lesung von Tankred Stöbe war der Vortragssaal der Stadtbibliothek sehr gut besucht. Ein eindrucksvolles Gespräch mit ernsten Erlebnissen, aber auch mit viel Humor fesselte die Zuhörer.

„Mut und Menschlichkeit“ – dieses Thema sprach offensichtlich viele Menschen an, denn bei der Lesung von Tankred Stöbe, der seit über 20 Jahren für „Ärzte ohne Grenzen“ humanitäre Hilfe leistet, war der Margarete-Hannsmann-Saal fast bis auf den letzten Platz besetzt. Die Zuhörerinnen und Zuhörer folgten dem Vortrag des Berliner Notarztes mit großer Aufmerksamkeit. Stöbe bezog das Publikum immer wieder mit ein: „Was würden Sie tun? Sie sind mitten in einer Reanimation in einem Krankenhaus, als sie plötzlich in dem Gebäude Schüsse hören. Sie sind für das Personal und die anderen Verletzten verantwortlich. Schließen Sie sich im Nebenraum ein oder reanimieren Sie weiter?“ Er erklärte: „In diesen Extremsituationen gibt es kein Richtig oder Falsch. Sie entscheiden und müssen mit den Konsequenzen leben.“ Er erzählte von Rettungen ebenso wie von Menschen, die er verloren hat. Obwohl er teils von schrecklichen Erlebnissen berichtete, von den schweren Traumatisierungen der Opfer von Krieg und Vertreibung, waren immer auch seine Lebensbejahung und sein Humor zu spüren. Er war bei fast 20 Einsätzen in Afrika, Asien, Südamerika, im Gaza und in der Ukraine.

Zutiefst berührende Erlebnisse in aller Welt

Er erzählte von zutiefst berührenden Erlebnissen und betonte, Konflikte und politische Situationen von außen zu „kennen“ sei etwas ganz anderes, als Menschen vor Ort zu erleben, egal welcher Hautfarbe, Weltanschauung, Religion und welchen Geschlechts. Wenn es hart auf hart kam, hat er so viel Menschlichkeit erlebt, unbürokratische Hilfe über Grenzen und Völker hinweg (zum Beispiel zwischen Israel und Gaza), dass er sagte: „Ich habe ein glückliches Leben. Diese Tür zu ‚Ärzte ohne Grenzen‘ war die beste, die sich für mich öffnen konnte.“ – „Und natürlich die zu meiner Frau und meinem Kind“, fügte er hinzu. Ob denn seine Familie etwas für ihn verändert habe, war eine Frage, und er sagte, ja, es falle ihm schwerer wegzufahren, aber an den humanitären Einsätzen nehme er trotzdem weiterhin teil. Bei jedem einzelnen sei er in intensivem Austausch mit seiner Frau, die ebenfalls Ärztin ist, zum genauen Abwägen der möglichen Risiken. „Ärzte ohne Grenzen“ sorgen – soweit möglich – für die Sicherheit und Unterstützung ihrer Mitarbeiter mit Sicherheitsleuten, Dolmetschern und medizinischer Ausrüstung. Man habe fast jederzeit die Möglichkeit, sich umgehend zurückfliegen zu lassen. Dies komme allerdings sehr selten vor. In den meisten Fällen würden die Ärzte große Unterstützung und herzliche Begegnungen erfahren.

Als einen der schlimmsten Kriegsherde der Welt zurzeit bezeichnete der 55-Jährige den Gazastreifen, wo gegen alle Völkerrechtsgesetze nach wie vor Krankenhäuser bombardiert werden – er selbst habe ein amerikanisches Flugzeug gesehen, das Bomben auf ein palästinensisches Krankenhaus abwarf. Er sagte: „Ich weiß nicht, ob ich heute noch Arzt in Deutschland wäre, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, für ein bis zwei Einsätze im Jahr solche humanitäre Hilfe zu leisten.“ Er sei auf der Suche nach Sinnhaftigkeit gewesen und habe mit 33 Jahren sein bisheriges Leben aufgegeben, um sich bei „Ärzte ohne Grenzen“ zu bewerben.

Am Schluss danke ihm eine junge Zuhörerin ausdrücklich: Stöbe habe vor einigen Jahren an einer Schule einen Vortrag gehalten, was sie so inspiriert habe, dass sie schon als Schülerin beschlossen habe, ebenfalls zu „Ärzte ohne Grenzen“ zu gehen. Das Publikum spendete großen Applaus. Dieser Abend wird die Zuhörer noch lange begleiten.

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