Ausgleichsflächen

Wie der Heidenheimer Stadtförster Christian Eder aus Wiesenflächen neuen Wald macht

Wenn Wald für Bauflächen weichen muss, werden an anderer Stelle neue Bäume gepflanzt. Bis aus diesen richtiger Wald wird, hat der Heidenheimer Stadtförster Christian Eder einiges zu tun.

Wenn Bäume gefällt werden sollen, damit auf der Fläche Lagerhallen, Wohnhäuser oder Trainingsplätze entstehen können, gibt es nicht nur oft Proteste gegen die Vorhaben, sondern auch Gesetze, die den Wald schützen sollen. Zumindest eine Ausgleichsfläche an anderer Stelle soll dafür sorgen, dass der Wald nicht dauerhaft verschwindet. Aber wie sieht das in der Praxis aus?

Stadtförster Christian Eder steht unter jungen Ahornbäumen, die mit ihren Blättern ein lichtes Dach in drei bis vier Metern Höhe bilden. „Das hat schon Jungwaldcharakter“, sagt der Forstexperte. Bei den Eichen, die an anderer Stelle auf der Fläche wachsen, kann man das noch nicht behaupten. Hier stehen die einzelnen Bäume in ihren Wuchshüllen jeder für sich, denn Eichen wachsen deutlich langsamer als der schnelle Ahorn. Die rund 1,5 Hektar große Fläche in der Nähe des Buchhofs auf den Mergelstetter Reutenen wurde 2018 gepflanzt. Es handelt sich um eine Ausgleichsfläche dafür, dass unweit der Fläche auf dem Schlossberg Wald für einen neuen Trainingsplatz des 1. FC Heidenheim gefällt wurde.

Neuaufforstung als Ersatz

Paragraph 9 des Landeswaldgesetzes ist überschrieben mit „Erhaltung des Waldes“. Hier ist festgeschrieben, dass Waldfläche nur mit Genehmigung in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden darf und dafür als Ersatz eine Neuaufforstung erfolgen sollte. Laut Christian Eder gibt es zwei Arten des Ausgleichs für die Waldrodung: Der Flächenausgleich, bei dem neuer Wald in gleicher Größe angepflanzt wird, und der funktionelle Ausgleich, der noch hinzukommt. Für Zweiteres werde der Wald, der weichen soll, bewertet: Gibt es Höhlen, Nistbäume, Totholz, kurzum: Wie viel Lebensraum enthält der Wald? Für diese Funktionen, die mit der Rodung verschwinden, gibt es Ausgleichsmaßnahmen wie Nistkästen für Vögel und Fledermäuse, die Anlage von Biotopen oder neue Streuobstwiesen.

Stadtwald soll erhalten bleiben

„Uns ist es wichtig, den städtischen Wald, der verloren geht, wieder aufzuforsten“, sagt Christian Eder, der für eine Fläche von insgesamt 1850 Hektar Wald und Heide zuständig ist. Die Waldfunktion des alten Bestands werden die neu gepflanzten Bäumchen jedoch erst in Jahrzehnten übernehmen können. Und was bleibt, ist der Flächenverlust, denn Waldaufforstung entsteht nicht auf alten Industriebrachen, sondern auf landwirtschaftlicher Nutzfläche. „Mit jeder Waldumwandlung greift man einem Landwirt in die Fläche ein“, so Eder. Bisweilen ist das von den Landwirten gewollt, wenn sie beispielsweise den Betrieb einstellen oder verkleinern wollen. Manchmal gehört aber die Fläche gar nicht dem Landwirt, der sie nur für die Nutzung gepachtet hat. Dann kann es auch zu Konflikten kommen.

Flächen für neuen Wald zu finden, ist also gar nicht so einfach. „Sie müssen am Rand des Stadtwalds liegen, es macht keinen Sinn, auf irgendeiner Freifläche aufzuforsten“, erläutert Christian Eder. Früher habe man oft schwer zu bearbeitende Hangflächen oder solche mit sehr mageren Böden in Wald umgewandelt, solche Flächen gebe es aber nicht mehr. Auf Heidenheimer Stadtgebiet scheiden zudem die brenznahen Wasserschutzgebiete aus, die als Überflutungsflächen offenbleiben sollen.

Mitunter werden also Waldflächen, die im Landkreis Heidenheim überbaut werden, gar nicht vor Ort ausgeglichen, sondern anderswo in Baden-Württemberg. Dies sei beispielsweise bei der Waldumwandlung für die Amazon-Halle am Rinderberg bei Nattheim oder der Erweiterung des Wohngebiets im Klinikumfeld so gehandhabt worden, so Eder. Dafür gibt es die Flächenagentur Baden-Württemberg mit Sitz in Ostfildern, die Waldausgleichsflächen für Bauvorhaben im ganzen Land vermittelt. Gibt man bei der Suche nach solchen Flächen „Heidenheim“ als Ort des Vorhabens ein, teilt die Flächenagentur mit, dass der Naturraum Schwäbische Alb null Quadratmeter Ausgleichsflächen bietet.

Jahrelange Betreuung notwendig

Mit dem Pflanzen von Bäumen auf einer ehemaligen Wiesen- oder Ackerfläche ist es indes nicht getan: Der zukünftige Wald braucht viele Jahre lang eine intensive Betreuung. Jedes einzelne Bäumchen wird mit einer Wuchshülse davor geschützt, vom Wild verbissen zu werden. Die Fläche zwischen den Jungpflanzen muss in den ersten Jahren gemäht werden, damit die kleinen Bäume im hohen Gras Licht bekommen. Später sind es Heckenpflanzen wie die Schlehe, die die Jungpflanzen bedrängen.

Dazu kommt, dass nicht jeder gepflanzte Baum auch überlebt: Trockenheit oder Staunässe, Mäuse, die die Wurzeln anfressen, kalte Winde oder starker Frost – es gibt viele Gründe für den Ausfall. Im vergangenen Jahr hat die Stadtförsterei auf einer Fläche von insgesamt 9,5 Hektar Erstaufforstungsflächen rund 7000 Bäume nachgepflanzt, damit im künftigen Wald keine Lücken entstehen.

1,5 Hektar groß ist die Fläche in der Nähe des Buchhofs, die neu aufgeforstet wurde als Ausgleich für einen Trainingsplatz des 1. FC Heidenheim (rechts im Bild angrenzend an den bestehenden Wald). Geyer Luftbild

Für den Förster, der in sehr großen Zeiträumen denkt und die Bäume für die übernächste Generation an Menschen pflanzt, bieten Erstaufforstungsflächen auch eine große Freiheit: „Man pflanzt dort genau das, was man für sinnvoll hält“, so Eder. Dabei muss man wissen, dass der gesamte Wald im Landkreis Heidenheim Kulturwald ist, genauso, wie die charakteristischen Heideflächen vom Menschen gepflegte Kulturlandschaften darstellen. Würde man den Wald einfach wachsen und sich selbst verjüngen lassen, gäbe es ausschließlich Buchenwälder mit einzelnen anderen Baumarten.

Die Buche allerdings hat keine gute Prognose, spätestens ab Jahr 2100 sei es dieser Baumart im Landkreis Heidenheim zu warm, so Eder. Schon jetzt leiden die Buchen bisweilen unter Trockenstress. Ebenso geht es der Fichte, die für die Holzgewinnung bisher als „Brotbaum“ galt. Deshalb suchen die Försterinnen und Förster bei Pflanzungen, die die Wälder des 22. und 23. Jahrhunderts bilden sollen, nach anderen geeigneten Baumarten.

Resistent gegen Trockenheit und Hitze ist beispielsweise die Eiche, die aber sehr langsam wächst. Auch Baumarten wie Elsbeere und Mehlbeere sind laut Christian Eder zukunftsträchtig. Bei exotischen Zukunftsbäumen wie dem Blauglockenbaum aus China fehle die Erfahrung bei der Holzverwendung, meint Eder. Denn für ihn ist klar: „Die Nutzfunktion des Waldes wird bleiben.“ Welche Rolle in dieser Hinsicht Bäume wie Platanen, Baumhasel oder Ginkgo spielen können, die bislang nur als Stadtbäume verwendet wurden, müsse sich noch zeigen.

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar