Neun Tonnen Münzgeld

Wie der Heidenheimer Volksbank mehr als 900.000 Euro gestohlen wurden

Die Heidenheimer Volksbank verklagt ein Sicherheitsunternehmen auf Schadenersatz. Grund dafür ist, dass dem Kreditinstitut mehr als 900.000 Euro gestohlen wurden. Wie es dazu kommen konnte.

Die Heidenheimer Volksbank sieht sich mit einem Kriminalfall konfrontiert, der nebulöser kaum sein könnte. Und das ohne eigenes Zutun oder Verschulden. Dennoch ist dem Kreditinstitut ein immenser Schaden entstanden, denn Dieben ist es gelungen, beinahe eine Million Euro zu erbeuten – in Münzen. Die Beute muss Hochrechnungen zufolge mehr als neun Tonnen gewogen haben.

Wie erst jetzt durch ein Zivilverfahren vor dem Stuttgarter Landgericht bekannt wurde, müssen sich die Taten in den Jahren 2021 und 2022 abgespielt haben. Die Vorstandsvorsitzende der Heidenheimer Volksbank, Elke Müller-Jordan, erläuterte gegenüber der HZ, was sich in diesem Zeitraum abgespielt haben muss. Demzufolge arbeitete die Volksbank – wie alle Kreditinstitute – mit einem Sicherheitsdienst zusammen, der dafür zuständig war, Schein- und Münzgeld abzuholen und zu transportieren. „Dieses Geld wird teils rolliert, teils auch lose an das Sicherheitsunternehmen übergeben, natürlich wird es vorher von uns gezählt“, so Müller-Jordan.

Das Unternehmen transportiert das Geld dann in die eigenen Räumlichkeiten, wo es erneut gezählt und das Münzgeld rolliert wird. Von dem Sicherheitsunternehmen wird das Geld dann so lange eingelagert, bis ein gewisser Betrag erreicht ist, der anschließend zur Bundesbank transportiert und aufs Konto der Volksbank eingezahlt wird. „Das Geld wird in sogenannten Containern gesammelt, und erst wenn einer voll ist, wird er zur Bundesbank gebracht. Das kann durchaus mehrere Monate dauern“, ergänzt Volksbank-Justiziar Axel Hauser.

Münzrollen in der Hosentasche

Während dieser Zeit der Einlagerung in den Räumen der Sicherheitsfirma muss es Mitarbeitern gelungen sein, eine Summe in Höhe von mehr als 900.000 Euro abzuzweigen. „Weil das Geld ja von uns beim Abgeben und von der Sicherheitsfirma beim Ankommen gezählt wurde und es keine Abweichungen gegeben hat, konnte der Diebstahl nicht auffallen“, sagt Müller-Jordan. Ihrer Information nach sei bei dem Unternehmen jedoch ein Mitarbeiter dabei erwischt worden, wie er mehrere Rollen Münzgeld in seiner Hosentasche mit nach Hause nehmen wollte. „Daraufhin hat das Unternehmen Strafanzeige gestellt.“ Bei weiteren Untersuchungen seit festgestellt worden, dass mehr als 900.000 Euro fehlen, worüber das Unternehmen die Volksbank sofort informiert habe.

Hauser weiß aus der Strafakte, dass gegen zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdienstleisters, ermittelt wird. Doch diesen könne allenfalls der Diebstahl von „deutlich weniger als 100.000 Euro“ nachgewiesen werden. Bleiben noch deutlich mehr als 800.000 Euro, deren Verschwinden bislang nebulös ist. „Ich kann mir keinen Reim darauf machen, wie das funktioniert haben soll“, sagt Hauser.

Denn bei dem Geld handele es sich ausschließlich um Münzen unterschiedlichen Werts. Alles in allem wurden rund neun Tonnen Münzgeld im Zeitraum zwischen Mitte 2021 und Mitte 2022 gestohlen. Bei 230 Arbeitstagen pro Jahr hätten die Täter also täglich knapp 40 Kilogramm Münzgeld entwenden müssen, „das ist unvorstellbar“, so Hauser. Er könne sich auch nicht erklären, was jemand mit so viel Kleingeld anfangen kann.

Ich kann mir keinen Reim darauf machen, wie das funktioniert haben soll

Axel Hauser, Justiziar

Ob es derzeit ein laufendes Ermittlungsverfahren und etwaige Erkenntnisse in dieser Sache gibt, war bis Redaktionsschluss von der Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht in Erfahrung zu bringen. Zivilrechtlich jedoch läuft das Verfahren. Die Heidenheimer Volksbank nämlich hat das Sicherheitsunternehmen auf Schadenersatz verklagt, am Dienstag vergangener Woche fand eine mündliche Verhandlung vor dem Stuttgarter Landgericht statt. „Es ist ja unser Geld und wir wollen es gerne wiederhaben“, sagt Müller-Jordan: „Wir gingen eigentlich davon aus, dass das Sicherheitsunternehmen versichert ist, aber da gibt es Probleme“.

Hintergrund ist, dass das Unternehmen ausgerechnet im Zeitraum, in dem die Diebstähle getätigt wurden, den Versicherer gewechselt hat. Da der Zeitraum jedoch nicht genau benannt werden kann, weigern sich nun beide Versicherungen, für den Schaden aufzukommen, weil jeder die Zuständigkeit beim anderen sieht. „Dennoch sind wir sehr zuversichtlich, an unser Geld zu kommen, nach vorläufiger Rechtsauffassung des Gerichts werden wir gewinnen“, sagt Hauser.

Ob und wann allerdings aufgeklärt wird, wie die Diebstähle vonstattengingen, ist derzeit noch völlig offen.

Entscheidung Mitte März

Die Heidenheimer Volksbank hat die Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsunternehmen, bei dem die Diebstähle stattgefunden haben, schon vor längerer Zeit gekündigt. Wie das Zivilverfahren um den Schadenersatz ausgeht, entscheidet sich am Donnerstag, 20. März. Für diesen Tag ist ein Verkündungstermin am Stuttgarter Landgericht angesetzt.

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