Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Paulus“ war sein wohl am häufigsten aufgeführtes Werk zu seinen Lebzeiten. Robert Schumann bezeichnete es schlicht als „Juwel“. Wie viel Brillanz in diesem Werk auch heute noch steckt, das war am Samstagabend in der Pauluskirche Heidenheim zu erleben. Der Oratorienchor Heidenheim unter der Leitung von Ulrike Blessing hatte diesen „Paulus“ zur Aufführung gebracht und dazu Mitstreiter ins Boot geholt, die dafür sorgten, dass das Juwel funkelte und strahlte und dabei auch aufwühlend und berührend wirkte.
Das begann bereits in der Ouvertüre mit dem bekannten Thema „Wachet auf, ruft uns die Stimme“: Das Ensemble Musica Viva aus Stuttgart setzte sie mit feinem Gespür, Leidenschaft und Energie um und machte Ohr und Herzen der Zuhörer bereit für Mendelssohn Bartholdys Vertonung der Wandlung von Saulus zu Paulus, der Wandlung durch Erkenntnis, die geprägt ist von so vielen verschiedenen Emotionen und in der doch die Innigkeit immer präsent ist. Musica Viva und auch Bezirkskantor Leonard Hölldampf an der Orgel verstanden es bestens, die ganz unterschiedlichen Empfindungen hervorzuheben und sie trugen damit ganz erheblich dazu bei, dass die Zuhörer über die rund zweieinhalb Stunden fasziniert der Geschichte lauschten.
Innigkeit und Zorn und Demut
Das lag sicherlich auch an den sorgsam ausgewählten Solisten: Katarzyna Jagiellos weicher, warmer Sopran passte hervorragend zu jener Innigkeit und hob diese mit angenehmem Timbre hervor. Den Part des Paulus sang Dennis Sörös: Sein äußerst wandlungsfähiger Bass ließ die Stationen des Paulus mit impulsivem Zorn oder auch bescheidener Demut perfekt nachvollziehen. Obendrein ist seine Stimme von durchdringender Kraft und Energie, die seinem Vortrag jede Menge Nachdruck verleiht, sich aber doch zurückzunehmen versteht, um im Duett mit Tobias Völklein in besonderer Harmonie zu überzeugen. Tobias Völkleins Tenor ist ebenfalls ausdrucksstark und sicher. Dem Alt hat Mendelssohn Bartholdy nicht viel zu tun gegeben – und das ist fast zu bedauern, denn gerne hätte man von Christianne Bélangers Stimme mehr gehört als in den wenigen Soli und den Chorstücken der Solisten.
Der Oratorienchor selbst schließlich muss zunächst einmal dafür gelobt werden, dass er sich der Mammutaufgabe, die in diesem Oratorium steckt, gestellt hat. Der Chor steht dabei immer wieder in der Herausforderung, zwischen feinen Passagen und großem Volumen zu wechseln, und gerade die Übergänge meistert der Oratorienchor fabelhaft. Glücklicherweise war der Text, den Mendelssohn Bartholdy eigens als Grundlage für seine Komposition anfertigen ließ, zum Mitlesen abgedruckt. Der Chorklang besticht durch große Fülle und Strahlkraft, sodass das geradezu überschäumende Finale des Oratoriums offensichtlich überhaupt kein Problem für die Sängerinnen und Sänger war. So konnte das Werk in seiner ganzen Schönheit und Pracht glänzen – ein Juwel eben. Und das ließ die Zuhörer auch in ihrer Anerkennung von den Plätzen erheben, um ihren Applaus im Stehen für diese Bravourleistung zu geben.
An Pfingsten uraufgeführt
Felix Mendelssohn Bartholdy hatte sich für sein "Paulus"-Oratorium, eine Auftragsarbeit für den Frankfurter Cäcilien-Verein, einen Text aus Bibelworten unter Einbeziehung von Chorälen gewünscht, so wie er dies bei Bach und Händel bewunderte. Die Uraufführung fand an Pfingsten 1836 in der Düsseldorf statt.