Konzert in der Pauluskirche

Wie der Oratorienchor Trost und Freude in verstörenden Zeiten vermittelte

In der Heidenheimer Pauluskirche führten der Oratorienchor, das Ensemble Jadis und Regionalkantor Leonard Hölldampf das ergriffene Publikum von Traurigkeit und Angst zu Glaube und Freude.

Wie der Oratorienchor Trost und Freude in verstörenden Zeiten vermittelte

Was sich der Oratorienchor da vorgenommen hatte, war ein Novum: Bislang hatte der renommierte Chor hauptsächlich große Oratorien gesungen, begleitet von großen Orchestern. Doch diesmal hatte sich Chordirektorin Ulrike Blessing etwas anderes vorgenommen: eine Motette von Johann Sebastian Bach, begleitet nur von einem kleinen, feinen Orchester samt kleiner Orgel.

Doch von Anfang an. Die Pauluskirche war nicht voll besetzt, aber mit 200 Zuhörerinnen und Zuhörern dennoch sehr gut besucht. Der Ora, das Ensemble Jadis und der neue Regionalkantor Leonard Hölldampf hatten sich einen besonderen Ablauf überlegt, und dieser übertrug sich auch auf das Hörerlebnis und die Atmosphäre in der Kirche. Man hörte noch das Abendläuten und dann ging es unvermittelt, ohne weitere Ansage, los: Mächtig, kraftvoll ertönte die Orgel und der Klang von Johann Sebastian Bachs Fantasie g-Moll legte sich von oben wie eine Decke über die gebannt lauschenden Zuhörer. Hölldampf zeigte an diesem Abend ein Können, eine Vielschichtigkeit im Orgelspiel, dass auch Menschen, die zu diesem Instrument bislang vielleicht wenig Zugang finden konnten, eine unglaubliche Weite an Klang und Gefühlen erlebten. Das Thema dieser Fantasie, die von Bach vermutlich zum Tode seiner ersten Frau komponiert wurde, sowohl Trauer und Verzweiflung als auch Trost im Glauben bis hin zu leiser Freude, war den ganzen Abend über musikalisch zu empfinden.

Verzweiflung und tiefer Glaube

Es ging weiter mit dem Klang von der Empore, und der Chor sang von Felix Mendelssohn Bartholdy, einem großen Verehrer Bachs, den 42. Psalm, Opus 42, 1. Coro. Auch dieser Psalm bringt zum Ausdruck, wie ein Mensch sowohl Verzweiflung als auch tiefen Glauben empfinden kann, und die Zeile „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir“ wurde vom Chor, von sämtlichen Stimmen, klar und atemberaubend dargeboten. Noch einmal tief nachdenklich, berührend spielte Hölldampf die Mendelssohn-Sonate „Vater unser im Himmelreich“, Opus 65,6 – mit einer Hingabe und Zartheit, auch Macht und großartigem Können, dass das Publikum sichtlich erfüllt war. Nun wechselte der Schauplatz der Vortragenden und das Ensemble Jadis unter Leitung von Cosima Marius, bestehend aus vier Streichern und Hölldampf an der kleinen Orgel, führte in eine leichtere Stimmung. Sie spielten vor dem Altar die Sinfonie No. 2 à 5 des flämischen Komponisten Nikolaus à Kempis mit solcher Feinheit und Leichtigkeit, dass man sich hier noch mehr gewünscht hätte. Die Welt des Barock, zarte Lebensfreude entfalteten sich im Raum und die Zuhörer lauschten hingerissen. Dann führte Hölldampf an der großen Orgel mit einer Partita des Bach-Freundes und Komponisten Johann Gottfried Walther in das Thema des Abends: „Jesu, meine Freude“. Wunderschön.

Bach mit 60 Sängerinnen und Sängern

Und zum Abschluss zeigte der Chor, nur begleitet vom kleinen Ensemble Jadis, was er aus seiner neuen Herausforderung gemacht hat: Die 60 Sängerinnen und Sänger brachten die berühmte Bach-Motette „Jesu, meine Freude“, BWV 227, auf eine Weise dar, dass einem der Atem stockte. Jede einzelne Stimme sang so kraftvoll, nuanciert und klar, sowohl in den lauten wie in den zarten Passagen, sie traten hervor und reihten sich wieder ein in den Gesamtklang, fantastisch geleitet mit ihrem ganzen Körper von Blessing, dass das Publikum stellenweise kaum noch zu atmen wagte. Jeder Satz war verschieden und einzigartig herausgearbeitet. Als das große Werk verklang, herrschte Stille. Nach tiefem Durchatmen brach sich der Applaus Bahn. Allen Vortragenden wie der Dirigentin war die Freude anzusehen, dies gespielt zu haben: tiefe Geborgenheit trotz dunkler Zeit. Eine grandiose Zusammenarbeit von Chor, Ensemble und Organist, die lange nachhallen wird.

Nächstes Projekt steht an

Das nächste Projekt des Oratorienchors: Am 18. Mai 2024 soll das Werk „Paulus“ von Felix Mendelssohn Bartholdy aufgeführt werden. Wer Interesse an Chormusik hat, ist herzlich eingeladen, daran mitzuwirken. Nähere Informationen unter Tel. 07321.325563 oder über www.ora-hdh.de.ext

Jetzt einfach weiterlesen
Jetzt einfach weiterlesen mit HZ
- Alle HZ+ Artikel lesen und hören
- Exklusive Bilder und Videos aus der Region
- Volle Flexibilität: monatlich kündbar