Verdis „Alzira“

Opernfestspiele Heidenheim: Wie der Zufall die Sopranistin Ania Jeruc auf die Opernbühne führte

Die Sopranistin aus Masuren ist bereits zum dritten Mal in Heidenheim und diesmal bei den Opernfestspielen die Titelheldin in Verdis „Alzira“.

Heidenheim ist nicht London. Aber genau das mag Ania Jeruc an der Stadt. „Ich liebe es hier“, sagt sie. „Es ist nicht überfüllt, die Gegend ist wunderschön, jeder ist nett, man kann sich auf das Wesentliche konzentrieren.“ Bei Ania Jurac ist das die Oper.

Bereits zum dritten Mal ist die polnische Sopranistin zu Gast bei den Festspielen. 2018 war sie Giselda in „I Lombardi“, 2021, bei der zweiten Corona-Ausgabe des Festivals, Leonora im Brenzpark-„Troubadour“. Diesmal ist sie die Titelheldin in „Alzira“.

Wieder ein Giuseppe Verdi. Ist Ania Jeruc eine Verdi-Sängerin? „Ich mag Verdi“, sagt sie. „Und meine Stimme mag Verdi auch. Wer Belcanto kann, kann prima Verdi singen. Ja, ich liebe Verdi. Und am meisten mag ich 'Traviata'.“

Premiere für Jeruc in „Alzira“

Verdis Violetta war Ania Jeruc schon oft. Alzira aber war sie noch nie. Kein Wunder. „Diese Gelegenheit bekommt man nicht oft, denn die Oper wird ja kaum gespielt.“ Weil sie so „hässlich“ ist? Jedenfalls hat sich der Komponist einmal so dazu geäußert. Ania Jeruc schnappt regelrecht nach Luft: „Das hat er gesagt? Das habe ich ja noch nie gehört. Und das stimmt auch nicht. Die Musik ist auf alle Fälle sehr schön. Und die Geschichte, wenn man sie richtig anpackt, ist doch auch sehr interessant. Denn was sich hier im Hintergrund abspielt, Spanier gegen Inkas, Christen gegen Heiden, hat sich im 13. Jahrhundert, als die Deutschordensritter die Stämme des Baltikums und Ostpreußens unterwarfen, so ähnlich auch dort abgespielt, wo ich herstamme.“

Ania Jeruc kommt aus Olecko, einer kleinen Stadt in den Masuren, im äußersten Nordosten Polens gelegen, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg polnisch wurde und zuvor preußisch und deutsch war und zuletzt Treuburg hieß. „Eine schöne Stadt“, sagt Ania Jeruc. Nur Opernsängerin wird man dort normalerweise nicht.

Jeruc: „Ich hatte eine Sehnsucht, zu singen“

Normalerweise. Die Sopranistin lacht. „Aber viele Dinge in meinem Leben hat der Zufall geregelt.“ Auch das mit der Oper. „In meiner Familie findet sich sonst kein Musiker“, erzählt Ania Jeruc. „Aber ich habe, seit ich denken kann, immer gerne gesungen. Ich hatte eine regelrechte Sehnsucht danach, zu singen. Und ich habe jede Gelegenheit genutzt, in der Kirche, im Chor, Musik, die im Radio lief. Ich habe mich dabei jedoch nie gefragt, ob ich gut singe oder schlecht, ich habe das einfach für mich selbst gebraucht.“

Jedenfalls war von Oper keine Rede. Oder? Wieder muss die Sopranistin lachen: „Im Fernsehen kam manchmal Oper, dicke Frauen, die schrien, jedenfalls habe ich das damals so betrachtet. Und wie hätte ich auch anders damit in Kontakt kommen können? Das nächste Opernhaus war 300 Kilometer entfernt. Ein Theater gab es weit und breit auch nicht.“

Aber viele Dinge in meinem Leben hat der Zufall geregelt

Ania Jeruc, Sopranistin

Dann, eines Tages, fragte eine Freundin, ob sie nicht mitkommen wolle, sie wolle sich um einen Platz in der Gesangsklasse der Musikschule einer Nachbarstadt bewerben. „Das war 30 Kilometer von uns entfernt, und spaßeshalber bin ich mitgegangen“, sagt Ania Jeruc. Singen schadet ja nicht. Und, man ahnt es schon: Am Ende war es sie, die den Platz in der Gesangsklasse hatte und nun, neben der Schule in Olecko her, auch noch in die Musikschule in der Nachbarstadt pendelte.

Dort konfrontierte man Ania Jeruc schon bald mit der für sie zunächst schockierenden Nachricht, dass sie mit ihrer Stimme unbedingt in die Opernklasse gehöre. „Ich sagte nein, was soll ich da, ich mag Pop, habe keine Ahnung von Oper, ich hab’ da nichts zu suchen. Aber die Lehrerin bat mich, ihr und mir eine Chance zu geben. Ein halbes Jahr. Wenn es mir nicht gefalle, dann solle es so sein.“ Ihr gefiel es. Und so wurde aus Ania Jeruc eine Opernsängerin. „Talent ist das eine“, sagt sie. „Aber die richtigen Leute auf dem Weg dorthin zu treffen, ist genauso wichtig.“ 

Von Breslau nach Madrid, Heidenheim und Malmö

An der Musikhochschule in Breslau lernte die Sopranistin ihren Mann kennen. Mit ihm zog sie nach Abschluss des Studiums nach London. Inzwischen komplettieren zwei Töchter die Familie, die ältere 14 Jahre jung, die jüngere fünf. „Mit ihr war ich schwanger, als ich zum ersten Mal in Heidenheim gesungen habe“, sagt Ania Jeruc. „Auch eine schöne Erinnerung an die Stadt.“

Ihre Töchter erinnern die Sängerin allerdings auch „an die Hauptschwierigkeit in meinem Leben“, nämlich immer wieder die Familie verlassen zu müssen. „Das fällt mir sehr schwer, denn ich bin tatsächlich ein wenig altmodisch, was meine Pflichten als Mutter anbelangt, die Kinder können ja nichts dafür, und manchmal plagen einen schon Schuldgefühle, wenn man sogar die Großeltern in seine Karriere einbinden muss. Insofern ist Singen nicht alles und für mich kommt die Familie immer zuerst, weshalb ich auch nie mehr als drei Produktionen pro Jahr annehme.“

Dieses Jahr war die Sopranistin schon in Madrid für Schostakowitschs „Die Nase“. Und nach Heidenheim geht’s im Herbst noch nach Malmö, wo sie die Titelheldin in „Giovanna d’Arco“ geben wird. Wieder Verdi. Und wieder eine ganze Weile weg von zu Hause. „Wieder sehr schwierig“, sagt Ania Jeruc. „Aber es ist, wie es ist.“

Zwei Vorstellungen im Festspielhaus

Giuseppe Verdis „Alzira“ wird bei den Heidenheimer Opernfestspielen am Donnerstag, 18. und am Samstag, 20. Juli, ab 20 Uhr im Festspielhaus in Heidenheim zu erleben sein. Eintrittskarten sind im Vorverkauf im Ticketshop des Pressehauses erhältlich.

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