Dieses Thema geht alle an: Wie sieht es mit der ambulanten medizinischen Versorgung im Landkreis Heidenheim in Zukunft aus? Im Mittelpunkt stand sie bei der achten kommunalen Gesundheitskonferenz, die im Heidenheimer Konzerthaus stattfand. Dass neue Wege gefunden werden müssen, damit auch in Zukunft jeder Patient und jede Patientin ausreichend versorgt werden kann, ist unbestritten. Wie genau dies aussehen könnte, war das zentrale Thema der vom Landratsamt organisierten Veranstaltung.
Die Ausgangssituation
Es gibt einen immer größeren Anteil von alten Menschen an der Gesamtbevölkerung, die aufgrund der steigenden Lebenserwartung auch an immer mehr Krankheiten leiden. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung werden diese finanziell von immer weniger jungen Menschen versorgt. In Zahlen lässt sich diese Entwicklung als „Altenquotient“ darstellen. Dieser liegt im Landkreis Heidenheim aktuell bei 40 Menschen im Alter von mehr als 64 Jahren, die von 100 Erwerbstätigen mitversorgt werden. Im Jahr 2037 werden es 50 Seniorinnen und Senioren sein, die auf 100 erwerbstätige Menschen fallen. Damit wird aber nicht nur die finanzielle Belastung größer, sondern es stehen auch weniger Menschen für die medizinische Versorgung zur Verfügung.
Der Versorgungsgrad mit Hausärzten im Landkreis Heidenheim liegt momentan bei 91,1 Prozent, 2021 lag er noch knapp über 100 Prozent. Dass die Versorgung noch geringer wird, kann man daran ablesen, dass 38 Prozent der aktuell im Landkreis tätigen Hausärztinnen und Hausärzte 60 Jahre alt oder älter sind, also in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen werden. Bei den Fachärzten sieht es noch etwas besser aus, ausgenommen ist der Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, hier besteht mit einem Versorgungsgrad von 44,3 Prozent „jetzt schon eine kritische Situation“, so Dr. Dorothee Thierer-Grass vom Heidenheimer Gesundheitsamt.
Wo die Probleme liegen
Unter den rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Gesundheitskonferenz waren neben Mitarbeitenden aus dem Landratsamt Menschen mit verschiedenen medizinischen Professionen und auch Patientinnen und Patienten. Vielfältige Probleme kamen zur Sprache: von der Schwierigkeit, in einer Praxis unterzukommen, bis zum Problem, dass Pflegeheime keine Ärztinnen und Ärzte finden, die zu ihren Patienten in die Einrichtung kommen, von der Bürokratie, mit der sich Ärzte auseinandersetzen müssen, bis hin zu der Einsicht, dass „ambulante Versorgung auch ein Standortfaktor für den Landkreis Heidenheim ist“, wie Landrat Peter Polta formulierte.
Prof. Dr. Anne Barzel, die Ärztliche Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin der Universität Ulm, moderierte den Nachmittag auf einen Dialog hin: „Wir wollen nicht jammern, sondern schauen, wo wir heute stehen und welche Lösungsansätze es gibt“, sagte sie. Die Teilnehmenden bezog Barzel sowohl durch Gesprächsbeiträge ein als auch durch die Möglichkeit, auf Stellwänden eigene Beiträge zu hinterlassen.
Was in Zukunft anders werden wird
Schon heute arbeiten 57 Prozent der Hausärzte im Landkreis Heidenheim in kollegialen Praxen, so Dorothee Thierer-Grass. „Es wird künftig weniger Praxen, aber größere Versorgungseinheiten geben“, erläuterte sie. Mittlerweile seien 57 Prozent der Hausärzte weiblich, 2013 waren es noch 40 Prozent. Die Erwartungen der jungen Medizinerinnen und Mediziner seien die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ein sicheres Einkommen und die Möglichkeit, Privatleben und Arbeit in Einklang zu bringen. Dies ist in einer Gemeinschaftspraxis natürlich eher möglich als in einer klassischen Einzelpraxis, in der der Arzt quasi auch Unternehmer ist.
Wie er selbst den Schritt von der Landarztpraxis zum modernen Versorgungszentrum gemacht hat, berichtete Dr. Jörg Sandfort aus Steinheim. Er hat die Praxis seiner Eltern übernommen und betreibt diese mittlerweile zusammen mit sechs Ärztinnen. Insgesamt arbeiten dort fast 20 Menschen. Als Praxiskonzept nannte er, eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, optimierte Arbeitswege in der Praxis zu finden und familienkompatible Angebote für die Mitarbeitenden zu machen. Möglichst viele Tätigkeiten werden delegiert, so übernehmen medizinische Fachangestellte Diabetesberatung, versorgen Wunden oder machen Hausbesuche bei chronisch Kranken. Auch digitale Hilfsmittel werden eingesetzt, der Telefonassistent „Aron“ helfe beispielsweise dabei, mehr Telefonanfragen pro Tag beantworten zu können.
Neue Berufe im Praxisbereich
Damit in Hausarztpraxen nicht die ganze Belastung nur auf den Medizinerinnen und Medizinern liegt, gibt es neue Berufe, die in diesem Bereich Erleichterung bringen sollen. Vorgestellt wurden bei der Gesundheitskonferenz beispielsweise das Community Health Nursing, bei dem Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen als Ansprechpartner vor Ort arbeiten können. Prof. Ralf von Baer von der Hochschule Aalen stellte neue Studiengänge vor und auch die Versorgungsassistentinnen Verah, die es in vielen Praxen schon gibt, waren ein Thema.