Ziemlich pünktlich zum neuen Jahr ist Horst Fickelscher 90 geworden. Er kommt deutlich jünger daher. Und womöglich liegt das ja auch an der Musik. Die betreibt Horst Fickelscher mit Leidenschaft. Und nach wie vor in aller Öffentlichkeit. Zwar hat er sich im vergangenen Sommer als Konzertorganist von seinem Publikum verabschiedet. Aber als Organist im Gottesdienst, in der Christuskirche, vor allem jedoch in der Versöhnungskirche, steht er für die Gemeinde nach wie vor seinen Mann. Und das seit 60 Jahren.
Sehr viel länger ist Horst Fickelscher auch noch gar kein Heidenheimer. Erst 1961 kam er in die Stadt, nachdem er gerade noch rechtzeitig vor dem Mauerbau mit seiner Frau Sieglinde aus politischen Gründen aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt war. Heidenheimer geworden war er, weil sich die Firma Siemens die Dienste des diplomierten Physikers gesichert hatte.
Vor dem Radio
Mit Musik war der Bauernbub Horst Fickelscher aus dem Dorf Rothenacker im thüringischen Vogtland früh in Berührung gekommen. Zu Hause stand nicht nur ein Klavier, sondern darauf auch ein AEG-Super-Röhren-Radio des Baujahrs 1939 mit einer großen Senderskala von Madrid bis Helsinki, das ihn, wenn die Arbeit im Viehstall erledigt war, mit Sinfonien und Opern vertraut machte. Es gab auch Geigenunterricht. Oder einen Mozart-Film im Kino in der Kreisstadt Lobenstein, wohin man ihn, als einzigen Jungen aus dem Dorf, aufs Gymnasium delegiert hatte und wo er selbstverständlich auch im Schulchor sang.
Halle und Händel
Während des Studiums in Halle nutzte Horst Fickelscher die Möglichkeit, Orgelunterricht zu nehmen. Und 1957 wurde er Mitglied der Händelgesellschaft, die seit 1952 die jährlichen Händelfestspiele in Halle nach langer Pause wiederbelebt hatte. „Ich habe die Mitgliedsnummer 252. Im Sommer 2024 gab es nur noch 15 Mitglieder vor meiner Nummer“, sagt er und lacht.
Händel hat ihn auch in der neuen Heimat nicht losgelassen, wo er als spiritus rector dreier Händelprojekte in Zusammenarbeit mit den Musikschulen Heidenheim und Oberkochen/Königsbronn in Erscheinung trat. „Die Musik ist eines meiner Lebenselemente“, sagt der Physiker Horst Fickelscher. „Und das Orgelspiel ist für mich auch angewandte Physik.“
Weiterbildung in Italien
Die C-Prüfung als Kirchenorganist legte Horst Fickelscher 1964 unter Kantor Hohnstedt ab. Später genoss er auch Unterricht bei Dörte Maria Packeiser und Thomas Haller, als Rentner war er nach 1994 über viele Jahre hinweg regelmäßiger Teilnehmer der Orgelkurse des Orgelfestivals in Treviso.