Wie ein Urteil Kommunen und künftige Bauherren im Landkreis Heidenheim betreffen könnte
Paragraph 13b Baugesetzbuch: Hunderte, wenn nicht tausende Kommunen in Deutschland warten derzeit auf eine Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Dieses hatte im Juli festgestellt, dass besagter Paragraph gegen Europarecht verstoße. Für etliche Kommunen bedeutet das nun eine enorme Unsicherheit, was ihre Baugebiete anbelangt.
Aber von vorne: Im Paragraphen 13 des Baugesetzbuches ist das sogenannte beschleunigte Verfahren geregelt. Grundsätzlich soll Kommunen dadurch ein beschleunigtes Bebauungsplanverfahren ohne gesonderte und langwierige Umweltprüfung ermöglicht werden. Eigentlich vorgesehen für so ein Verfahren sind nur Gebiete innerhalb des bereits bebauten Siedlungsbereichs.
Paragraph betrifft Baugebiete bis einem Hektar Größe
Nun wurde der Paragraph 13 Baugesetzbuch im Jahr 2017 erweitert: Der §13b BauGB sollte es Kommunen ermöglichen, auch außerhalb des Siedlungsbereichs Neubaugebiete im beschleunigten Verfahren auszuweisen. Voraussetzung: Sie mussten direkt an bereits bestehende Bebauung anschließen und die künftig bebaute Fläche durfte nicht mehr als 10.000 Quadratmeter, also einen Hektar, betragen. 2019 beschloss die Bundesregierung, die Gültigkeit des §13b BauGB bis Ende 2022 zu verlängern: Bebauungspläne, deren Aufstellungsbeschluss bis zu diesem Datum gefasst wurde, konnten im beschleunigten Verfahren entstehen.
Jetzt aber die Rolle rückwärts des Bundesverwaltungsgerichts, die etliche Kommunen und potenzielle Bauherren verunsichert: Sind Bebauungspläne, die nach diesem Verfahren aufgestellt worden sind, ungültig? Was bedeutet das für den Verkauf der Bauplätze und für die Pläne der Eigentümerinnen und Eigentümer?
Steinheim und Hermaringen hatten Glück
“Wir warten alle sehr gespannt auf die Urtreilsbegründung”, sagt beispielsweise Steinheims Bauamtsleiter Sven Krauß. “Und wir hoffen, dass wir möglichst bald Klarheit haben werden.” In Steinheim selbst wurde die Erweiterung des Baugebiets Breite Süd in Söhnstetten im beschleunigten Verfahren nach §13b BauGB geplant. Dennoch haben Gemeinde und künftige Bauherren Glück gehabt: “Ein Normenkontrollverfahren ist nur innerhalb eines Jahres nach öffentlicher Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses möglich”, sagt Krauß. “Über diese Frist sind wir bereits hinaus.” In Söhnstetten herrscht somit Rechtssicherheit und es kann mit der Erschließung und irgendwann auch Vermarktung der Bauplätze normal weitergehen.
Ähnlich sieht es auch in Hermaringen aus: Auch die Bebauungsplanverfahren zum Mühlfeld eins, zwei und drei wurden nach Paragraph 13b ausgearbeitet, laut Harald Uherek von der Gemeinde Hermaringen ist bei allen aber bereits die einjährige Frist abgelaufen. “Spannend wird es für all diejenigen Kommunen, die noch im Verfahren stecken”, sagt Sven Krauß. Was aber, wenn das eine Jahr bis zur Rechtskraft noch nicht vorüber ist, aber bereits mit der Erschließung oder gar Vermarktung begonnen wurde?
Unsicherheit in Dettingen, Rechtssicherheit in Gerstetten
In Niederstotzingen betrifft das beispielsweise das Baugebiet “Höhe II”, das derzeit erschlossen wird. In der Gemeinde Gerstetten ist das wiederum im Baugebiet “Nördlich des Kammernwegs” in Dettingen der Fall. Laut dem Gerstetter Bauverwaltungsamtsleiter Hannes Bewersdorff wurde hier der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren nach Paragraph 13b aufgestellt, im Übrigen genauso wie beim seinerzeit recht umstrittenen Baugebiet östlich des Wasserturms in Gerstetten. Anders als in Gerstetten ist die Frist fürs Normenkontrollverfahren in Dettingen noch nicht abgelaufen. Aber: “Wir haben in beiden Fällen eine Umweltuntersuchung veranlasst, obwohl wir es laut Gesetz nicht hätten tun müssen”, so Bewersdorff. Im Fall von Dettingen habe das daran gelegen, dass man ursprünglich in einer anderen Verfahrensart gestartet sei und sich erst später für das beschleunigte Verfahren entschieden habe, weil die Bauwilligen händeringend nach Bauplätzen gesucht hätten. “Insofern gehen wir davon aus, dass uns das am Ende doch nicht betreffen wird”, sagt Bewersdorff.
Ob er damit Recht behält, steht noch in den Sternen: Noch warten Bund, Gemeindetag und vor allem die Kommunen auf die Urteilsbegründung. Erst dann kann abgeschätzt werden, was das Urteil für die betroffenen Gemeinden bedeuten wird. In Dettingen jedenfalls läuft die Erschließung des Baugebiets weiter. Der Start der Vermarktung wäre noch für dieses Jahr vorgesehen gewesen. Ob an diesem Plan festgehalten werden kann, werden die nächsten Wochen zeigen.
Naturschützer klagten: So kam es zu dem Urteil
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts geht auf eine Klage des BUND zurück. Die Naturschutzorganisation hatte ursprünglich in mehreren Verfahren gegen einen Bebauungsplan der Gemeinde Gaiberg (bei Heidelberg) geklagt. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hatte den Antrag auf Normenkontrolle zunächst als unbegründet abgewiesen. Der BUND hat daraufhin Revision eingelegt.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bezieht sich auf das Verfahren, in dem der Bebauungsplan aufgestellt worden ist, nicht auf den Inhalt des Bebauungsplans. Somit geht die betroffene Gemeinde Gaiberg auch davon aus, dass der Bebauungsplan in einem anderen Verfahren neu aufgestellt werden kann. Das Baugesetzbuch sehe für fehlerhafte Bebauungspläne ein “Heilungsverfahren” vor.