Schwarze Arbeitshose und Pulli, Sicherheitsschuhe, einen Gürtel mit wichtigen Utensilien zum Arbeiten um die Hüfte gelegt und die Haare zu einem Zopf gebunden, damit diese bei der Arbeit nicht stören: Das Outfit für einen Arbeitstag als Zimmerin ist komplett. Dass die 21-jährige Emily Mundt aus Schnaitheim dieses Outfit allerdings nach ihrem Abitur täglich tragen würde, stand damals noch nicht auf dem Plan. Für sie war klar, dass sie nach dem Abi 2021 am Werkgymnasium in Heidenheim ein Architekturstudium anfangen wollte.
Bevor sie allerdings mit dem Studium begonnen hätte, stand ein dreimonatiges Vorpraktikum an. Dieses machte sie bei der Firma Johann Betcher Holzbau in Schnaitheim, um einen Einblick in die Zimmerei zu bekommen. „Anfangs dachte ich, dass es Zeitverschwendung ist, wenn ich nicht gleich mit dem Studium anfange“, erzählte Mundt. Relativ schnell stellte sich jedoch heraus, dass es für sie eine Bereicherung war. In den ersten drei Wochen habe sie schon gemerkt, wie wichtig es sei, einen praktischen Einblick zu bekommen. Auch die Mitarbeiter von Betcher konfrontierten sie immer wieder mit dem Gedanken, doch zuerst eine Ausbildung zur Zimmerin zu machen und die Sache mit dem Studium im Nachhinein nochmal anzugehen.
So wurden aus drei Monaten Vorpraktikum nur eineinhalb Monate. Mit der Anmeldung in der Berufschule begann sie direkt mit der Ausbildung als Zimmerin. Aufgrund ihrer hervorragenden Leistungen konnte sie die Lehre früher beenden und ist seit Januar dieses Jahres ausgelernt. Mitte März wird ihr der Gesellenbrief überreicht.
Frühe Begeisterung für das Handwerk
Schon als Kind war Mundt dem Handwerk nie abgeneigt. „Ich wollte immer dabei sein und helfen, wenn mein Papa irgendwas gearbeitet hat“, erzählt sie schmunzelnd. Dementsprechend sei der Vater von der Idee, dass seine Tochter eine Ausbildung zur Zimmerin machen wollte, von Beginn an überzeugt und stolz gewesen. Bei ihrer Mutter jedoch seien die ersten Gedanken daran eher von Sorgen belastet gewesen. „Natürlich hatte mein Vater auch den Vorbehalt, dass ich mich dabei nicht kaputt machen soll und dass es schon sehr anstrengend und auch gefährlich werden kann. Diese Gedanken waren bei der Mama halt etwas ausgeprägter. Aber meine Eltern und mein Bruder standen von Anfang an komplett hinter mir“, sagte Mundt.
Ich habe meine Lektion daraus gelernt.
Emily Mundt, Zimmerin bei Betcher Holzbau
Diese Sorgen kommen auch nicht von ungefähr. Ihre täglichen Aufgaben sind vielfältig und anspruchsvoll und können körperlich sehr anstrengend werden. Als Zimmerin baut sie Treppen, deckt Dächer oder bringt Fassaden an Häusern an. Terrassenböden werden verlegt und ganze Häuser aufgestellt. Um all diese Dinge allerdings fertigstellen zu können, muss in der Firma viel Vorarbeit geleistet werden. Da kann es durchaus möglich sein, dass schwere Säcke oder Holzbalken von A nach B getragen werden müssen. Für Johann Betcher, Geschäftsführer der Holzbaufirma, war von vorneherein eins allerdings klar: Schwere Sachen sollten von Emily Mundt nicht getragen werden. „Ich habe dafür auch ein Gespräch mit meinen Männern geführt und ihnen gesagt, dass ich nicht möchte, dass Emily schwer hebt und trägt. Dass der weibliche Körper anders veranlagt ist, als der männliche, ist keine Überraschung, und hat auch nichts damit zu tun, dass sie das nicht schaffen würde, aber es muss einfach nicht sein“, erzählte Betcher.
Wer nicht hören will, muss fühlen
Mundt, die als einzige Frau unter den Zimmerern arbeitet, hat das jedoch auf die harte Tour lernen und akzeptieren müssen. Als sie mit der Ausbildung begonnen hatte, habe sie es allen, aber vor allem sich selber beweisen wollen, dass sie das genau so kann wie die Männer und keine Hilfe bräuchte. „Das war jetzt vielleicht nicht die beste Idee und ich habe meine Lektion daraus gelernt“, sagte sie lachend. Das Gefühl, dass sie mit mehr Vorsicht behandelt würde, habe sie allerdings nicht. „Da habe ich von Anfang an einen Riegel davor geschoben und meinen Kollegen auch gesagt, dass ich nicht in Watte gepackt werden möchte. Das klappt echt gut und ich muss sagen, dass ich großes Glück mit meinem Betrieb und meinem Team habe.“
Dass Frauen in handwerklichen Berufen arbeiten, sei gar nicht mehr so selten. Dennoch wird Mundt auf den Baustellen hin und wieder mit komischen Blicken konfrontiert werden. Sowohl von anderen Handwerkern als auch von passierenden Fußgängern. „Anfangs war das schon etwas seltsam, aber mittlerweile schaue ich einfach blöd zurück“, sagte die 21-Jährige und lacht.
Doch wie geht es für Emily Mundt jetzt weiter? Sie will auf jeden Fall noch eine Weile bei der Firma Betcher Holzbau arbeiten. Der Plan, ein Architekturstudium zu absolvieren, sei aber nach wie vor noch aktuell. Sie hat jedoch die Bedeutung von praktischer Erfahrung verstanden. Jedem, der mit dem Gedanken spielt, Architektur oder Bauingenieurwesen zu studieren, möchte sie ans Herz legen, vorher eine Ausbildung als Zimmerin oder Zimmerer zu machen. Wer selbst schon einmal auf dem Bau gearbeitet habe, verstehe die ganzen Zusammenhänge und Abläufe wesentlich besser und bekomme einen Eindruck, wie die Dinge im besten Fall auch nicht geplant werden sollten.
Zimmereien sind Bauhauptgewerbe
Als Zimmerin oder Zimmerer wird im Bauhauptgewerbe gearbeitet. Hierbei handelt es sich um Arbeiten, die direkt mit der Statik eines Gebäudes zu tun haben. Dazu gehören zum Beispiel auch Maurer und Stahlbetongießer. Berufe wie Elektriker, Fliesenleger oder Schreiner gehören dem Ausbaugewerbe an.
Jetzt neu – die Heidenheimer Zeitung ist auf WhatsApp: Hier kostenlos den Channel abonnieren, Glocke aktivieren und Nachrichten aufs Handy bekommen.