Margit Stumpp (Grüne) und Matthias Kraut (Freie Wähler) kennen sich in der Kreispolitik so gut aus wie wenige andere. Beide stecken viel Herzblut in die Themen, die ihnen wichtig sind - angefangen von der Klinikversorgung der Landkreisbevölkerung, über die Bildung und Schulen bis hin zum ÖPNV. Nun haben beide nach 20 beziehungsweise 15 Jahren ihr Mandat verloren – sowohl im Kreistag Heidenheim als auch im Regionalverband Ostwürttemberg, wo derzeit die Regionalplanung für die kommenden Jahrzehnte festgezurrt wird. Für beide ist es bitter, diese Arbeit nicht fortsetzen zu können, an der auch ein Stück Herzblut hängt.
„Mich macht das Ergebnis fassungslos“, sagt Margit Stumpp, die mit dem Absturz der Grünen bei der Kommunalwahl ihr Mandat ebenso wie drei Fraktionskollegen verloren hat. Von 1999 bis 2017 war Stumpp auch im Königsbronner Gemeinderat aktiv, dieses Mandat gab sie zugunsten ihrer Arbeit als Grünen-Bundestagsabgeordnete von 2017 bis 2021 auf. „Nach 25 Jahren ehrenamtlicher Gremienarbeit bricht schon was weg“, räumt sie ein.
Matthias Kraut verpasst Einzug in den Heidenheimer Kreistag knapp
Nicht mit dem Verlust des Mandats gerechnet hatte auch Matthias Kraut, der 16 Jahre lang bis 2022 Bürgermeister von Sontheim war und in dieser Zeit, erstmals 2009, in den Kreistag gewählt wurde. In der laufenden Legislaturperiode war er Fraktionschef der Freien Wähler im Kreistag. „Margit Stumpp und ich haben keine schlechte Arbeit gemacht, wir waren immer gut vorbereitet und haben uns eingearbeitet, das ist am Ende des Tages leider nicht gewürdigt worden.“ Letztendlich könne man nie sicher sein, wiedergewählt zu werden. Für Kraut war es knapp: Er steht bei den Freien Wählern an dritter Stelle für ein Ausgleichsmandat, von denen es diesmal nur zwei gab. Ob nun die AfD eine Rolle gespielt hat, könne er nicht sagen. „Aber die Wähler müssen sich überlegen, wo es hingehen soll, wenn man nur aus Frust wählt.“
Er hätte die Entscheidungen der kommenden Jahre gerne noch mit begleitet, sagt Kraut. „Uns ging es nie um Parteipolitik, sondern darum, für die Menschen im Landkreis die Qualität des Lebens hier besser zu machen.“ Angesichts der geringer werdenden finanziellen Spielräume hatte er die Klausurtagung des Kreistags angeregt, um sich Gedanken zu machen, was man sich in Zukunft noch leisten kann und will. Da könne er jetzt leider nicht mehr mitwirken.
Bundespolitik spielte bei Wahlentscheidung eine Rolle
Ähnliche Gedanken formuliert Stumpp. Viele Jahre hätten sie und ihre Fraktion sich für wichtige kommunale Themen eingebracht. „Und dann haben Menschen, die sich noch nie sozial engagiert haben in der Gesellschaft, die nie eine Initiative eingebracht haben, mehr Stimmen bekommen, als unsere ganze Liste. Da fällt mir nichts mehr ein“, sagt sie mit Blick auf das gute Abschneiden der AfD-Kandidaten, die in der neuen Legislaturperiode mit ebenso vielen Kreisräten wie die Grünen vertreten sein werden.
Die nächsten fünf Jahre nicht mitarbeiten zu können, schmerzt Stumpp auch deshalb: Gerade jetzt sei es mit Blick auf die Klimaveränderung und deren Auswirkungen wie zuletzt die Starkregenereignisse notwendig, den Klimaschutz voranzutreiben. Die Grünen ackerten seit Jahren dafür. Nun würden Kräfte stark, die genau für das Gegenteil arbeiteten. Die Bundespolitik, mit der sie auch nicht in allen Bereichen einverstanden sei, habe leider voll auf das kommunale Wahlergebnis durchgeschlagen. Die Menschen würden das nicht von der Kommunalpolitik trennen, sagt Stumpp und fügt an: „Wer AfD wählt, weiß, dass er eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei unterstützt, das ist auf kommunaler Ebene nicht anders.“ Schon im Wahlkampf sei ihr ständig der Vorwurf begegnet, dass die Grünen alles verbieten würden. Eine Zäsur sei dabei das Heizungsgesetz gewesen. „Nein, wir verbieten nichts, wir schaffen Rahmenbedingungen, unter denen sich jeder frei entscheiden kann.“
Einen Blick wirft Stumpp auf das Wahlverhalten der unter 30-Jährigen, die zumindest in der Analyse der Europawahl vermehrt die AfD sowie kleine Parteien gewählt haben. „Jetzt werden die Weichen für die Zukunft gestellt, in der diese Menschen leben werden.“
Welche Pläne haben Margit Stumpp und Matthias Kraut?
Wie geht es für beide weiter? „Nach der Wahl ist vor der Wahl“, sagt Stumpp. „Wir brauchen erst einmal Zeit zum Erholen und stellen uns dann wieder auf.“ Sie persönlich gehe weiterhin jeden Tag zur Arbeit - Stumpp ist Lehrerin am Berufsschulzentrum. Sie bringe sich ehrenamtlich bei der Georg Elser-Gedenkstätte mit ein. „Das Wahlergebnis zeigt, dass das genau der richtige Ort ist, um sich zu engagierten.“ Zudem sei sie weiterhin in der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung von Bündnis 90/Die Grünen aktiv, deren stellvertretende Sprecherin sie sei. Zuletzt hätten sie ein Papier zur beruflichen Bildung verabschiedet, derzeit werde an einem neuen Papier zum Einsatz künstlicher Intelligenz in der Bildung gearbeitet.
Für Kraut wäre es die letzte Legislaturperiode im Kreistag gewesen. Nachdem er als Bürgermeister in Sontheim nicht mehr kandidiert hatte, habe er bewusst keinen neuen Job angefangen, sondern sich auf die Arbeit im Kreistag, im Regionalverband, im Verwaltungsrat der Kreissparkasse Heidenheim und im Aufsichtsrat der Kreisbaugesellschaft Heidenheim konzentriert. „Ich muss mich erst sortieren. Aber gar nichts mehr zu machen, wäre mir zu wenig.“ Er habe die A-Lizenz als Fußballtrainer, habe früher gut Fußball gespielt. Deshalb könne er sich auch ein Engagement in einem Verein gut vorstellen.
Der neue Kreistag tagt Ende Juli
Das endgültige Ergebnis ermittelt und stellt der Kreiswahlausschuss am 20. Juli fest. In der Regel geht es dabei nur noch um einzelne Stimmen, am Ergebnis hatte sich in den vergangenen Jahren nichts mehr geändert. Der neue Kreistag tritt 22. Juli zur konstituierenden Sitzung zusammen. Der alte Kreistag tagt letztmals am Montag, 8. Juli.
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