Nur schwer lässt sich die große rote Holztür öffnen, man merkt ihr an, dass sie schon lange nicht mehr bewegt wurde. Sie gibt den Blick frei in einen dunklen langen Gang, es dauert, bis sich die Augen an das Dämmerlicht hier drin gewöhnen. Von außen wirkt das frühere Badehaus der ehemaligen Württembergischen Cattunmanufaktur (WCM) in der Heidenheimer Schmelzofenvorstadt noch ganz gut in Schuss. Keine eingeschlagenen Fenster, kaum Müll ums Gebäude verteilt. Vielleicht liegt es tatsächlich daran, dass die Menschen vor manchen Gebäuden mehr Respekt haben als vor anderen.
Und in der Tat: Das Badehaus ist ein kleines Schmuckstück. Anfang des 20. Jahrhunderts im Jugendstil erbaut, ist es noch heute ein Kleinod, das hier unterhalb der Fußgängerbrücke ein Schattendasein führt. Beim Betreten ist alles anders als erwartet: Kein übler Geruch, kein Mief, der über die Jahre entstanden ist, die Luft ist kühl, beinahe frisch.
Holzvertäfelte Wände
Auf der großen Treppe mit eisernem Geländer, die in den oberen Stock führt, liegt eine Bibel. Liegengelassen, achtlos zurückgelassen wie so vieles hier. Ein enger Flur tut sich auf, dunkel, nur durch die offenen Türen der eng aneinander liegenden kleinen Räume fällt etwas Licht in den Gang. Dessen Wände sind, wie die in den Zimmern, mit einer schwarz angemalten Holzvertäfelung versehen. Klopft man dagegen, klingt es hohl. Darunter liegen wohl noch die kunstvoll gestalteten Fliesen, die, ebenso, wie das gesamte Gebäude, denkmalgeschützt sind.
Nur schwach fällt Licht auf das hochgestellte Sofa, den Sessel, die die früheren Nutzer zurückgelassen haben. Nach einer bewegten Nutzungs-Geschichte als Unterkunft für Gastarbeiter, Gastronomiebetrieb, Bordell und Diskothek, wurden 2012 die Türen des Badehauses zum letzten Mal geschlossen. Seitdem steht das Gebäude leer. Die kleinen, noch nicht einmal sechs Quadratmeter großen Räume, die im Badehaus dominieren, machen eine Nutzung schier unmöglich.
Rechts führt eine Tür in einen größeren Raum, der dereinst als Küche genutzt wurde. Die Fliesen an der Wand, der Boden, eine noch vorhandene Abzugshaube, Wasseranschlüsse und vereinzelte Möbel künden davon, dass hier mal gekocht wurde. Im Halbdunkel des Flurs ist noch der schmucklose hölzerne Tresen auszumachen, die Zapfanlage, nur noch halb an der Wand hängende Schaltschränke und einige Möbel sind die letzten Zeugen des einstigen Barbetriebs.
Früher ein Bad für die WCM-Arbeiter
Ganz hinten öffnet sich der Gang, tut sich der einzig große Raum des Gebäudes auf: rund, mit stuckverzierter Decke, ansonsten recht schmucklos. Nur mit viel Phantasie lässt sich erahnen, wie exklusiv der Raum gewirkt haben muss, als das Gebäude noch Badeanstalt für die Arbeiterinnen und Arbeiter der WCM war. Die großen Fensternischen sind von innen mit Brettern verrammelt, nur an manchen Stellen scheint Licht durch die bunt bemalten Bleiglasfenster, die von außen noch in der Backsteinfassade zu bewundern sind.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Badehaus nach Plänen des Stuttgarter Architekten Philipp Jakob Manz erbaut, im Auftrag der WCM, die noch weitere Gebäude von ihm planen ließ. Hier sollten die Beschäftigten und deren Familien die Möglichkeit haben, sich zu baden, da das in den Wohnhäusern der Fabrikarbeiter nicht möglich war – eine Art Wellnesstempel für die Arbeiterschaft. Das Büro Manz entwarf auch noch zahlreiche andere Industriegebäude im Stadtgebiet aber auch das frühere Stadtbad, in dem heute das Kunstmuseum untergebracht ist.
Als das Badehaus nach der Schließung der WCM ausgedient hatte, wurde es auf unterschiedliche Weise genutzt. Zunächst für die Unterbringung von Gastarbeitern, später dann als Lokal, als Kneipe, als Bordell. An dieses erinnern noch die Räume im ersten Stock, in den man über die große, mit rotem Teppich bespannte Treppe im Eingangsbereich gelangt. Auch hier: viele sehr kleine Zimmer, die Wände rot gestrichen und mit den Resten von Spiegeln versehen. Kleine Waschbecken hängen nur noch halb in der Verankerung, die Fenster sind teils abgeklebt.
Wie im Erdgeschoss scheint auch hier die Bausubstanz noch in Ordnung, kaum bröckelnder Putz, kein Schimmel an Wänden oder Decke. Teils gekippte Fenster sorgen für Belüftung, von moderigem Geruch keine Spur. Die Zimmernummern, die den früheren Besuchern den Weg wiesen, hängen noch an Türen. Auch hier wirkt alles, als sei das Gebäude erst kürzlich beinahe fluchtartig verlassen worden.
Doch ist das inzwischen mehr als zehn Jahre her. Seit 2013 befindet sich das Badehaus im Eigentum der Stadt Heidenheim und steht leer. Aufgrund des architektonischen Grundrisses mit vielen sehr kleinen Zimmern und des Denkmalschutzes, der Veränderungen nahezu unmöglich macht, ist es nicht einfach, es einer neuen Nutzung zuzuführen. Und so wird das städtebauliche Kleinod wohl noch eine ganze Weile vor sich hin schlummern und – zumindest äußerlich – ein Blickfang am Südeingang des Brenzparks sein.