Schauspielerin Maren Kroymann im Interview

Wie es Maren Kroymann mit Mutschub zur Unterhaltungsfachkraft gebracht hat

Am 22. Oktober kommt die Schauspielerin und Sängerin Maren Kroymann ins Heidenheimer Konzerthaus. Wie waren die 60er-Jahre für sie? Das ist ihr Thema. 

Wie es Maren Kroymann mit Mutschub zur Unterhaltungsfachkraft gebracht hat

Am 22. Oktober zeigt Maren Kroymann ihr Programm „In my sixties“: Sie spielt und singt davon, wie die Popmusik der 1960er-Jahre den Soundtrack zu ihrer Pubertät lieferte.  Mit der Schauspielerin, Musikerin und Kabarettistin sprach Marita Kasischke.

Wie würden Sie jungen Menschen die 1960er-Jahre beschreiben?

Grottenreaktionär und ultrakonservativ. Ich sage immer, die 1950er-Jahre haben bis 1967 gedauert. Die Gesellschaft war völlig verklemmt und unaufgeklärt, gerade was das Frauenbild anbelangt. Die Pädagogik war frontal autoritär, über Sexualität wurde nicht gesprochen, psychologische Ansätze gab es so gut wie gar nicht. Wer zum Psychologen ging, der galt als verrückt. Der Lichtstreif war die Popmusik: Beatles, Britpop, schwarze Musik. Der Aufbruch, die Befreiung hatte viel mit dieser Musik zu tun. Von den Beatles singe ich übrigens nichts in meinem Programm, absichtlich: Zu den Beatles hat jeder seine eigene Geschichte. Die Musik der 1960er-Jahre hatte deutlich sexuelle Aspekte: Ah, der Mensch hat auch einen Unterleib. Wir hatten keine Ahnung von Sex und Erotik, aber die Musik hat uns gezeigt, dass es so etwas gibt. Deshalb war die Popmusik damals so wichtig. Die wirkliche Öffnung und  Auseinandersetzung begann erst Ende der 1960er Jahre, auch durch die 68er-Bewegung. Ein Lehrer hat später mal zu uns gesagt: „Ihr wart die letzschde nette Klasse“, und er meinte damit, wir haben keine Drogen genommen und waren nicht antiautoritär.

Wie konnten Sie sich aus der Enge befreien?

Gleich nach dem Abitur bin ich in die USA gegangen, war dort auf einem Frauen-College. Das war das krasse Gegenteil zu meinem humanistischen Gymnasium in Tübingen. Da habe ich Schauspielunterricht genommen. Alles war viel lockerer und ich kam sehr selbstbewusst zurück. Das war ein richtiger Mutschub in den USA. Danach habe ich in Tübingen Sachen gewagt, die hätte ich mich vorher nie getraut. So  wurde für ein Musical eine Schauspielerin gesucht, die auch tanzen kann. Ich konnte tanzen, ich habe Ballettunterricht gehabt, beim Staatstheater Stuttgart, da war damals John Cranko ein großer Name. Und so kam ich zur Schauspielerei. Ich habe später auch die Aufnahmeprüfung an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin (heute UDK) bestanden. Das Schauspielstudium hab’ ich dann aber gar nicht angetreten, weil ich doch erst mein Literatur-Studium beenden wollte – ich wollte mir auch beweisen, dass ich das schaffe. Berlin war zu der Zeit politisch so wahnsinnig spannend und ich wirklich interessiert an Literatur und Sprache. So war das damals: Begabt sein war eine Sache, aber aus der Begabung einen Beruf zu machen, was völlig anderes. Also habe ich das Staatsexamen gemacht – mich dann aber doch eingefädelt in die freie Off-Theaterszene.

Was würden Sie sich wünschen, in Ihrer Jugend schon gewusst zu haben?

Dass Frauen Dinge mit Selbstbewusstsein angehen können. Dass ich nicht so viele Selbstzweifel haben sollte. Ich kannte kein Mädchen meiner Generation, das wirklich selbstbewusst war. Waren Mädchen klug, wurden sie oft in die Ecke des unattraktiven Blaustrumpf gestellt. Frauen, die schlau waren, waren eine Bedrohung und Konkurrenz für die Männer der patriarchalen Gesellschaft. Sexy und adrett sollten wir sein. Nicht phantasievoll, kraftvoll oder kreativ. Das kam dann erst in den 1970er-Jahren.

Apropos 1970er-Jahre: Wie würde ein Programm „In my seventies“ von Ihnen aussehen?

Das würde ich nicht machen. In den Siebzigern hatte ich meine politische Phase in Berlin. Wir haben zum Beispiel die Widerstandsbewegung in Chile gestärkt, ich war im sozialistischen Frauenbund, und ich habe im Hanns-Eisler-Chor meine ersten Programme gemacht. Die Frage war immer: Wofür? Und wogegen? Was wollen wir erreichen? Die Popmusik aus dieser Zeit habe ich erst viel später wahrgenommen. Das politische Interesse stand im Vordergrund, bei mir als überzeugter Feministin ging es natürlich immer ums Frauenbild. Auch heute noch.

Wird es eine Fortsetzung der Reihe „Kroymann“ geben?

Ja. Im Oktober drehen wir die nächste Folge in Köln, am 21. Dezember läuft dann die Sendung in der ARD. Außerdem gibt es am 4. Dezember im ZDF den zweiten Teil von „Mona und Marie“ mit Ulrike Kriener und mir. „Enkel für Fortgeschrittene“ läuft gerade im Kino. Und außerdem mache ich in einem Marvel-Podcast mit, da spreche ich die „Black Widow“, eine Rolle, die im Original von Susan Sarandon gesprochen wird.

Was würden Sie am Fernsehprogramm ändern, wenn Sie könnten?

Mehr gewagte Sachen machen – inhaltlich und ästhetisch! Und ich würde mehr interessante Rollen für ältere Frauen schreiben lassen. Es gibt zwar Ansätze, aber wir kommen immer noch zu selten vor  im Fernsehen. Da dominiert immer noch die Frau als erotische Projektion oder aber die Oma-Rolle. Das muss sich definitiv ändern. Dazwischen gibt es doch so viel mehr. Das sollte sich auch im Fernsehen abbilden.

Schauspiel, Gesang, Kabarett – in welchem Bereich fühlen Sie sich am wohlsten?

Am schönsten finde ich es, wenn ich selbst die Inhalte bestimmen kann – meine eigene Sendung „Kroymann“ ist zum Beispiel so ein Glücksfall. Aber auch in meinen Bühnenprogrammen kann ich die Themen ansprechen, auf die es mir ankommt. Wie jetzt in „In my sixties“, wo ich das Frauenbild anhand von Popmusik erzähle. Ich bin eine Unterhaltungsfachkraft und habe ein Recht auf Mehrfachbegabung. Das ist auch mein Anspruch: zu unterhalten. Ich mag es, wenn mein Publikum lacht. Aber wenn im Lachen noch eine Erkenntnis steckt, ist es noch besser.

Worüber können Sie so richtig lachen?

Ich bin eine richtige Lachwurzn. Ich lache ziemlich schnell, auch über alberne Dinge. Ich mag es, wenn der Witz unerwartet kommt, anarchisch, politisch unkorrekt, oder wenn er ganz plötzlich im Ernsten gerade in anarchischen Dingen, in politischer Unkorrektheit, oder wenn er im ernsten Kontext auftaucht. Nicht witzig finde ich, wenn einfach auf Vorurteile draufgesetzt wird oder die Pointe absehbar ist.

Sie sind in Tübingen aufgewachsen. Finden Sie, dass dem schwäbischen Dialekt zu wenig Zuneigung entgegengebracht wird?

Absolut! Ich liebe Schwäbisch. Damit kann man Dinge so klar ausdrücken und auf den Punkt bringen. Auf Schwäbisch habe ich ja auch meine erste Rolle im Fernsehen gespielt („Oh Gott, Herr Pfarrer“, Anm. d. Red.). Klar, hier in Berlin wird Schwäbisch nicht so gemocht. Das hängt auch mit den Schwaben zusammen, die mit ihren Bausparverträgen den Stadtteil Prenzlauer Berg erobert haben. Daran stößt sich die antikapitalistische Grundhaltung der von dort verdrängten Mieter und Mieterinnen. Und das wird eben am Dialekt festgemacht. Meine Mutter mochte es auch nicht, wenn Dialekt gesprochen wurde. Also habe ich zu Hause Hochdeutsch gesprochen und bei Freunden und in der Schule Schwäbisch gelernt und immer gern gschwätzt. Und i kanns natürlich au no. Desch ja klar (lacht).

Am 22. Oktober in Heidenheim

Maren Kroymann kommt am Sonntag, 22. Oktober, im Rahmen der Veranstaltungsreihe Kulturschiene der Stadt Heidenheim mit ihrem Programm „In my Sixties“ ins Konzerthaus Heidenheim. Beginn ist um 20 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf online unter www.heidenheim.de und in der Stadt-Information.