Wie Fans und ein Musiker aus dem Landkreis Heidenheim Wacken erleben
„Wenn ich zu Hause bin, muss ich erst einmal alles putzen, das Klavier, das Auto, alles“, sagt Walter Heinle und klingt dabei überaus begeistert. Der Heidenheimer ist mit seinem „Heavy Metal Barpiano“ Teil des Wacken-Open-Airs. „Ich bin auf demselben Plakat wie Iron Maiden, Mann“, ruft er aus dem Garderobenzelt heraus ins Telefon.
Auch wenn Heinle zu den rund 200 Künstlern und Bands gehört, die zum Programm in Wacken gehören – einen Sonderstatus bei der Anreise hatte er nicht. Am Montag war er bereits zwischen Braunschweig und Hamburg, als er die Info bekam, er solle erst einmal abwarten. Erst am Dienstag war klar, wo er untergebracht werden konnte. Zu seinem Auftritt am Donnerstag wurde er dann mit einem Allradgefährt gebracht. „Die Zufahrtstraßen sind katastrophal, ich habe mir extra noch Gummistiefel besorgt“, sagt Heinle. Die Veranstalter hätten aber alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Festival zum Laufen zu bringen, auch wenn mutmaßlich mehrere Zehntausend Fans nicht aufs Gelände konnten. „Klar, hier ist eben alles a touch too Matsch!“, ruft er und lacht.
Brasilianisches Radio interviewt Heidenheimer Barpianisten
Heinle spielte seine Bar-Versionen bekannter Metalsongs auf einer Nebenbühne, sein Publikum schätzt er auf gut 1000 Leute. Und weil er nebenbei noch Wacken-Gründer Thoms Jensen kennenlernte, konnte Heinle sein Piano am Freitag auch noch im Pressezelt aufbauen. Das wiederum brachte ihm ein Interview mit einer brasilianischen Radiostation ein. Seine Stimmung könnte also kaum besser sein, zumal er seine Visitenkarte auch Kollegen wie „Anthrax“-Sänger Joey Belladonna zustecken konnte.
Aus einer anderen Perspektive erleben zwei Besucher aus dem Landkreis Heidenheim das wettergeplagte Festival: „Das ist halt der norddeutsche Sommer, da darf man den Humor nicht verlieren“, sagt Holger Hitzler. Der Bolheimer hat es mit seinem Kumpel Markus Haug aufs Wacken-Open-Air geschafft – wenige Stunden, bevor die Veranstalter die Reißleine gezogen und die weitere Anreise gestoppt haben.
Vor den Toren Wackens: 16 Stunden im Stau
Das Metal-Festival in der schleswig-holsteinischen Provinz gilt zwar als das größte seiner Art weltweit, so viele Schlagzeilen wie in diesem Jahr hat sich Wacken trotzdem noch nie eingefahren. Hitzler und Haug sind zum ersten Mal dabei, sie haben aber schon mit einigen Dauergästen gesprochen. Es habe immer wieder mal sehr matschige Jahre gegeben, da aber kam der große Regen erst, als die zehntausenden Besucher bereits auf den Campingplätzen waren. Dieses Jahr regnete es schon vor dem Festival tagelang in Strömen, entsprechend aufgeweicht waren die schlichten Wiesen, auf denen sich das Mega-Festival abspielt.
Am Dienstag um die Mittagszeit hatten sich Holger Hitzler und Markus Haug mit ihrem Auto in die Warteschlange eingereiht, am Mittwochmorgen um 4 Uhr waren sie dann endlich auf dem ersehnten Campingplatz. „Da lagen bei einigen in der Schlange schon die Nerven blank“, erzählt Hitzler. Manche hätten die Geduld verloren und seien wieder heimgefahren.
„Mit dem Auto kommst du da nicht mehr durch“, so Hitzlers Einschätzung. In den Fahrspuren sinke man 30, 40 Zentimeter ein. Auch dort, wo die Veranstalter eilig Hackschnitzel verteilt hätten, sei das Gelände vollkommen unwegsam. Jedes einzelne Auto sei mit Hilfe von Traktoren aufs Gelände gezogen worden, entsprechend langsam ging die Anreise voran. Gras sei praktisch nirgends mehr zu sehen.
Metaller sind da sehr entspannt.
Holger Hitzler, Wacken-Besucher
Und die Stimmung? „Die Leute feiern trotzdem“, sagt Hitzler, „Metaller sind da sehr entspannt.“ Nachdem es am Mittwoch immer wieder noch geregnet hatte, kam am Donnerstag dann sogar die Sonne raus. Daher denken die beiden Wacken-Besucher auch noch nicht daran, wie die Abreise zum Festivalende am Sonntag ablaufen soll, sie konzentrieren sich aufs Feiern. Am Mittwoch sahen sie zum Beispiel den Auftritt des früheren „Motörhead“-Gitarristen Phil Campbell, der mit seinen drei Söhnen alias „The Bastard Sons“ auftritt. Auch das Konzert zum 40. Bühnenjubiläum der deutschen „Metal Queen“ Doro Pesch nahmen sie gleich am ersten Tag mit. Sie wollten aber auch typische Wacken-Attraktionen wie das Wikingerdorf besuchen, sagt Hitzler. Allem Matsch zum Trotz sind sie immerhin Teil eines schon jetzt wohl historischen Festivals.