Wie Hartmann mit neuer Saugkörper-Technologie Erwachsenenwindeln revolutionieren will
Was haben Windeln und Autos gemeinsam? So einiges, wenn es nach Wolfgang Röhrl geht. Denn ähnlich wie ein Automobilunternehmen, das die nächste Motorengeneration ausruft, steht die Paul Hartmann AG laut Röhrl, dem Entwicklungsleiter im Bereich Inkontinenz, an der Schwelle zu einer neuen Art von Inkontinenz-Technologie. Die neue Molicare-Produktlinie soll Flüssigkeit unter anderem rund 60 Prozent schneller absorbieren als das Vorgängermodell.
Große Versprechungen, doch steckt auch etwas dahinter? Im Labor am Standort Herbrechtingen gibt Hartmann einen Einblick in das Testverfahren. Und tatsächlich: Im direkten Vergleich nimmt das neue Molicare-Produkt Flüssigkeit bedeutend schneller auf.
Welche Technologie steckt dahinter? Wie Olga Vechter, die verantwortliche Produktentwicklerin, erklärt, sorgt ein neuer Aufsaug-Kanal in Verbindung mit einer neuen Verteilerauflage dafür, den Urin schneller aufzunehmen und im Saugkörper sicher zu verteilen. Die Vorteile der Innovation würden sich bei mehrfacher Blasenentleerung zeigen: das Produkt nimmt auch dann die Flüssigkeit schneller auf, bleibt über die gesamte Tragedauer trockener und unterstützt einen hautneutralen pH-Wert.
„Für unsere Kunden sind mehrere Faktoren wichtig, wenn sie sich für Inkontinenz-Produkte entscheiden“, berichtet Olga Vechter. „Das Produkt muss die Flüssigkeit schnell und zuverlässig aufnehmen. Außerdem muss das Produkt Gerüche neutralisieren und die Haut schützen.“ Letzterer Aspekt sei vor allem bei liegenden Patienten sowie chronisch inkontinenten Menschen wichtig. Dauerhafte Nässe greife den Säureschutzmantel der Haut an, was zu Komplikationen und Wundbildung führen könne. Daher würden Hartmanns Molicare-Produkte den natürlichen pH-Wert der Haut simulieren.
Keine biologisch abbaubaren Produkte bei Hartmann
Die Produktreihe wird nicht nur auf ihre Träger abgestimmt, sondern auch auf Pflegekräfte und medizinisches Personal, welches Inkontinenz-Produkte bei Patienten wechselt. Ein neues Verschlusssystem soll daher das An- beziehungsweise Ablegen insbesondere für Pflegekräfte erleichtern.
Der Aspekt Nachhaltigkeit beschäftigt Hartmann und somit auch das Werk in Herbrechtingen ebenfalls seit geraumer Zeit. Wolfgang Röhrl kommt dabei noch einmal auf die Analogie zwischen Windeln und Autos zurück: „Unsere neuen Produkte haben mehr Leistung mit weniger Material. So wie moderne Motoren mit weniger Hubraum mehr Leistung haben.“ Je mehr Material man bei der Herstellung verwende, desto mehr CO2 entstehe dabei. Bei Hartmann wolle man daher so wenig Material wie nötig verwenden – nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen.
Dennoch sei auch intern bei Hartmann diskutiert worden, ob das Unternehmen sich nicht in Richtung biologisch abbaubarer Windeln orientieren solle. Dagegen spricht laut Röhrl, dass Windeln, die menschliche Exkremente auffangen, als medizinische Produkte gelten und daher auch nicht auf dem Kompost landen dürfen. Parallel stehe bei Hartmann die Wirksamkeit ihrer Produktpalette im Fokus. Der Grundgedanke des Unternehmens: Lieber wenige, aber besonders wirksame Produkte nutzen, als viele und gleichzeitig biologisch Abbaubare.
Nachhaltig vorgehen will Hartmann darüber hinaus in den Bereichen Verpackung und Transport. Kompaktere Beutel mit höheren Inhalt sollen für geringeres Transportvolumen und optimierte Lagerhaltung sorgen. Pro Palette sollen zudem mehr Produkte Platz haben. Insgesamt, so das Unternehmen, würden unter anderem durch diese Maßnahmen pro Jahr mehr als 550 Lkw-Fahren wegfallen.